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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0499
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III 19 Kirchenordnung (von 1567?)

[7.] Unterschied und form des öffentlichen,
gemeinen gebets.
Es ist oben im andern teil dieser ordnung aus
S. Paulo angezeigt13, wie Gott von christen fordert
gebet und danksagung nit daheimen allein, sondern
auch in offentlicher gemein, und sind desselben
öffentlichen gemeinen gebets in erzelung und ver-
richtung der kirchenämpter bisher dreierlei art ge-
nent worden: eine art ist der letaneien, da viel und
mancherlei not ingemein kurz nacheinander erzelet
werden. Die ander art ist der psalmen, geistlicher
lieder und collecten, da ungefehrlich ein einige, ein-
zelne not oder danksagung göttlicher gaben etwas
weitleuftiger, doch auch noch in gemein wird für-
getragen. Die dritte art ist, neben der gemeinen,
auch sonderer zeit, örter, personen und sachen hal-
ben gebet und danksagung allein fordern und einem
jeden christen seine andacht weiter befelen.
Wiewol nu die form solcher gebet und danksagung
alle oder zum teil, wie sie in unsern kirchen ge-
breuchlich, alhie möchten nachgesetzt werden, so
achten wirs doch fast für unnötig, sintemal die wit-
tembergisch und preußisch letanei, sampt den nütz-
lichsten psalmen und geistlichen liedern allenthal-
ben in offentlichem druck14 gelesen werden und wirs
mit den collecten auch bei gemeinem brauch der
agendbüchlin15 lassen bleiben. Allein der dritten art
gebet und danksagung, wie wir die in unsern kirchen
vor und nach der predig in sonderheit brauchen,
auch der collecten, welche nach gelegenheit son-
derer, gemeiner anliegen zuweilen neu hinzugetan
werden, wollen wir die form oder exempel izo hie-
nach setzen.
Form des gemeinen gebets,
so vor der predig sontags und feirtags früe von
der canzel wird fürgelesen, mit angehengten stücken
des catechismi und wenig sprüchen von christlichem
wandel.
Ir auserwelten, bietet Gott den Vatter aller barm-
herzigkeit usw. Und sol hie der form aus der ge-

13 Siehe oben S. 458!
14 Siehe oben S. 382!
15 nämlich Veit Dietrichs.

druckten vermanung16 ganz nachgeschrieben wer-
den.
Exempel der vermanung
zur danksagung und fürbit
nach der predig, wie das jederzeit die gelegenheit
gemeiner und sonderer notturft, zuweilen auch die
materia der predigten mit sich bringt.
Ir geliebten Christi! Nachdem wir izo das wort
gehört und zum dienst Gottes alhie versamlet sind,
so last uns auch dem lieben Gott danken für alle seine
woltat, beide, geistliche und leibliche, das er uns in
sonderheit gegeben hat seinen lieben Son zu erlösung
von sünde und tod, widerbringung der gerechtigkeit
und ewiger seligkeit; gibt uns auch darzu sein hei-
liges wort, dadurch er ihm unter uns ein kirche
samlet, on was wir sonst von seiner gnade allerlei
guts teglich empfangen und für ubel mannigfeltig
behütet werden.
Und weil er wil, der liebe Gott, von uns gebeten
sein, so last uns ihn auch ferner bitten für die ganze
kirche und unsere kirche alhie!
Erstlich, das sein heiliges wort rein geleret, unter
uns bleibe und ferner ausgebreitet werde wider alle
tyrannei und verfelschung des türken, bapsts, ket-
zer, tyrannen und falschen brüder, gebe reiche frucht
des worts zu vieler bekerung, gemeinem, busfertigen
leben, gedult im creuz, trost und rettung derjeni-
gen, welche sonderlich des öffentlichen, reinen got-
tesdiensts beraubt und der warheit halben bedrengt
werden.
Zum andern wolle der liebe Vatter allenthalben
geben in seiner kirchen und hie bei uns christliche,
friedliche, selige regiment, dadurch das böse gestraft
und das gute gefordert werde, krieg, aufruhr, em-
pörung und allerlei mutwil böser menschen wehren.
Zum dritten wolle er weiter geben sein gnad und
segen zu aller haushaltung, gesundheit, früchte des
leibes an menschen und vihe sampt den früchten der
erden, christliche zucht und gehorsam der kinder
und gesinde, gedeien der narung und alles, was wir
beide, zu diesem und zu dem ewigen leben nottürf-
16 Siehe oben S. 381! - Die Gebetsvermahnung: Seh-
ling 11, 500.

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