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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0501
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III 19 Kirchenordnung (von 1567?)

vor von der canzel der gemeine genugsam erklert
sind.
Den chorrock, welcher zuvor hie allweg blieben
und von niemand aufgenötigt ist19, behalten wir
noch20 als (an ihm selb, sine alieno superiorum tem-
porum et actionum respectu) ein frei mittelding21
allein dieser ursachen halben, solchen verstand
christlicher freiheit in denen dreien dingen noch da-
mit anzuzeigen, auch darumb, das die kirchendiener,
wenn sie in ihrem ampt sind22, in und für der andern
gemein dester mehr erkent werden, wie sie sonst
auch außer dem ampt unterscheids halben ihre ehr-
liche, priesterliche kleidung haben söllen.
Mit den bildnissen (gleich wie auch mit andern
mehr dingen, als orgeln schlagen, figural und latei-
nischen gesang) halten wir (den verstand unser
christlichen freiheit gleicherweis darin anzuzeigen)
dis mittel, das wir sie nit allerding abtun noch zu-
viel damit machen; machen auch die unterscheid
deren bildnis und gemelde, so gewisse gute historien
der schrift haben und nit zu abgötterei oder aber-
glauben gebraucht werden, auch sonst gute, nüzliche
erinnerung geben mögen, gegen den andern vielfälti-
gen, bäpstischen, lugenhaften, abgöttischen, unnüt-
zen bilden und gemelden.
Also haben wir dem köstlichen, steinern Marien-
bilde23 und vielen wächsenen, ganzen mannen- und
frauenlengebilden24, von wegen vorbegangener, et-
licher, armer leutlin, auch noch gegenwertiger und
künftiger gefahr der abgötterei vorlengs getan, wie
Ezechias25 tat der ehernen schlangen. Hernach ist
gleicherweis die coronatio Mariae zur himmelköni-

19 Das ist im Blick auf das Interim gesagt, wo Gallus so
scharf gegen die Wiederannahme des Chorrocks ge-
kämpft hatte.
20 Das Chorhemd wurde erst 1799 abgeschafft (Dol-
linger, Evangelium 374f.).
21 = ein Adiaphoron
22 Demzufolge ist anzunehmen, daß das Chorhemd
jetzt nicht nur zu den bisher in ihnen verrichteten
Handlungen (Predigt, Kausalien), sondern auch an
Stelle der Meß- und Levitengewänder bei der Abend-
mahlsfeier getragen wurde. So zeigt auch Ostendor-
fers Altarbild die austeilenden Geistlichen im Chor-
hemd (Dollinger, Evangelium 455).
23 Siehe oben S. 368!

gin26 auf dem hohen altar, wiewol verdeckt, den-
noch hinweggereumt, dargegen aber anstat aufge-
richt ein gemalte tafel auf demselben altar27, darin
die summa der evangelischen predigten altes und
neues testaments zu sehen.
Am vordern teil auf den zween flügeln auswendig
und dem untern teil des sargs28 ist die ganze für-
neme historia Christi als des verdiensts unser selig-
keit: sein empfengnis, geburt, beschneidung, opfe-
rung im tempel, creuzigung, begrebnis, auferste-
hung, himelfart, sendung des Heiligen Geists.
Im innern teil der tafel ist das ganz ministerium
als das einige, von Gott verordnete mittel zu sam-
lung seiner kirchen und austeilung der verdienst
Christi, nemlich wie Gott der Vatter durch den Hei-
ligen Geist den Son, unsern Herrn Jhesum Christum,
erst selb weihet zu dem einigen unsern hohenpriester,
das ist: nit allein zu unserm seligmacher, sondern
auch zu dem einigen unserm prediger und lerer, mit
diser stimm: Dis ist mein lieber Son, an welchem ich
wolgefallen hab; den solt ir hören [Luk. 9,35].
Darnach, wie der Son, unser Herr Jhesus Christus,
ferner seine 12 aposteln weihet und sendet mit die-
sem befehl: Gehet hin in alle welt, prediget das
evangelium aller creatur und teufet sie im namen
des Vatters und des Sons und des Heiligen Geists;
und leret sie halten alles, was ich euch befolen habe
[Matth. 28, 19-20],
Wie auch zum dritten die hernach berufene und
gesandte diener die predigt Christi und seiner apostel
führen in dieser summa: Tut buße und glaubt dem
evangelio! [Mark. 1, 15]; zugleich auch damit die
24 Bilder von ganzen Männern bzw. Frauen in natür-
licher Größe. Votivgaben, die als Ausdruck der Bitte
oder des Dankes aufgehängt wurden (Rudolf
Kriss, Volkskunstliches aus altbayrischen Gnaden-
stätten. Augsburg 1930. — LThK 10 bei 700), aus
der Zeit der Wallfahrt zur Schönen Maria.
25 Hiskia. 2. Kön. 18, 4. 26 Siehe oben S. 377!
27 von Ostendorfer (siehe S. 377!). Heute im Städti-
schen Museum zu Regensburg. Abbildungen bei
Dollinger, Evangelium.
28 Der Sarg hier = die Zarge ( = Einfassung) in volks-
tümlicher Gleichsetzung beider Wörter (Lexer 3,
1031 f. - Schmeller 2, 325). Mit diesem Mittelstück
ist die Stütze, die den Bilderaufsatz mit der Altar-
tafel verbindet, die Predella, gemeint.

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