III 21 Kirchenregimentsordnung von 1572/1588
noch ohne vorwissen des consistorii fortgeschickt
werden.
[18.] Zum achtzehenden: Wann die kirchendiener
ersucht werden, die sterbende zu vermahnen, daß
sie, umb richtigkeit willen testament machen, allen
verdacht eigens nuzes und unbillige feindschaft zu
verhüten, sollen sie sich nicht vermögen lassen,
solche leut bei ihrem gewissen dahin zu treiben, son-
dern dise sachen als ein politicum von sich auf die
rechtsverstendige weisen.
[19.] Zum neunzehenden: Es sollen sich auch alle
kirchendiener der losen, leichtfertigen leuten und
ihrer conversation, besonders aber der schmeichler
entschlagen, so christliche obrigkeit und ehrliche
leut heimblich verleimden und, das ministerium
wider dieselbig unbillig zu bewegen, sich unterstehen,
dardurch viel schedlicher, ungebührlicher verdacht,
mißtrauen und unainigkeit verhütet werden mag.
[20.] Zum zwanzigsten: Wann die eltern wegen
eines kinds, so im Herrn christlich verscheiden und
noch das heilige abendmahl nicht empfangen, be-
gehren wurden, daß es nach christlichem, löblichen
gebrauch mit dem gesang der schueler zu begrebnus
ausgetragen, soll ihnen solches nicht versagt werden.
[21.] Zum ainundzwanzigsten: So soll nicht allein
zuvorderist der pfarrer, sondern auch die andern
kirchendiener, kainen ausgenommen, die kirchen
allzeit fleißig besuchen und kainen gemainen, offent-
lichen actum daselbst ohne besondere, rechtmäßige
ursach versaumen, auch unter dem predigen oder,
so man sonsten etwas auf der canzel offentlich ver-
liset, ihnen selbs zu nuz und andern zum exempel
fleißig aufmerken und vielmehr, wenn sie selbs pre-
digen oder offentlich lesen, dasselbig predigen und
lesen dermaßen verrichten und tun, daß ein gött-
licher fleiß, andacht und eifer nach eines jeden maaß,
die zuhörer zu lehren und zu bessern, an ihnen allen
gespürt werden möge.
4 Von der tatsächlichen Feststellung solcher Stunden
ist nichts bekannt. Es wird nur immer (S. 409, 482!)
der Wunsch darnach ausgesprochen. Jetzt geschah
es aber (siehe S. 508).
5 = jendar = irgendwo (Schmeller 1, 9).
6 Ein plötzlicher Tod, bei dem nicht mehr die Mög-
lichkeit zum Empfang der Sterbesakramente be-
stand, war ein „böser, schneller Tod“. Er galt als
[22.] Zum zwaiundzwanzigsten: Es soll auch von
den diaconis der wochner jederzeit sich fleißig da-
heimbt halten, daß man ihne, so oft und wann es von
nöten, zu seinem ministerio anheimbs finde und des-
halben nicht versaumnus oder klagen fürkommen.
[23.] Zum dreiundzwanzigsten: Damit weder die
pfarrkinder mit ungelegenheit in der kirchen lang
warten noch die kirchendiener, besonders der woch-
ner über die gebühr und vermögen nicht beschwert,
sollen gewisse stunden zur tauf und begrebnus, ver-
mög alter verzaichnus in der regimentsordnung4
bestimmet und verordnet werden.
[24.] Zum vierundzwanzigsten soll der kirchen-
diener keiner aus allerhand ursachen für sich selbst
und ohne vorwissen und erlaubnus eines pfarrers
(der pfarrer ohne erlaubnus eines erbarn rats oder
cammerers), indert5 ausreisen, daß er zuversichtlich
über nacht möchte außen bleiben.
[25.] Zum fünfundzwanzigsten: Endlich sollen
alle kirchendiener wie in ihrem ambt und in der kir-
chen also beide - daheimbd in ihren heusern für
ihrem hausgesinde, auf der gassen und, wo sie son-
sten bei andern leuten sein - sich eines feinen, be-
schaidenen, unergerlichen wandels mit reden und
geberden befleißigen, daß es Gott zu lob und der
menschen besserung diene.
[Beilage II.]
Gebete bei besonderen Beerdigungsfällen.
A. Wann ein person,
durch ein unversehenen fall
schnell aus disem leben abgefordert,
sonsten christlich und erbarlich gelebet.6
Geliebte im Herrn Christo! Wir haben jezunder
eine person zur erden bestättigt, welche in ihrem
leben sich christlich gehalten, Gottes wort gern ge-
Gericht Gottes und, daher als Anzeichen eines (im
Geheimen) gottlosen Lebens. Anlaß zu dieser An-
weisung war wohl die im Jan. 1560 erfolgte Ent-
leibung eines Sohnes des Kammerers Dionys von
Pruckendorffer gewesen. Ihm hatte Gallus jede
kirchliche Beerdigung versagen wollen. Der Rat
hatte aber im Sinne dieses Gebetes entschieden
(München Staatsbibliothek cgm 1315 f. 365vf.).
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noch ohne vorwissen des consistorii fortgeschickt
werden.
[18.] Zum achtzehenden: Wann die kirchendiener
ersucht werden, die sterbende zu vermahnen, daß
sie, umb richtigkeit willen testament machen, allen
verdacht eigens nuzes und unbillige feindschaft zu
verhüten, sollen sie sich nicht vermögen lassen,
solche leut bei ihrem gewissen dahin zu treiben, son-
dern dise sachen als ein politicum von sich auf die
rechtsverstendige weisen.
[19.] Zum neunzehenden: Es sollen sich auch alle
kirchendiener der losen, leichtfertigen leuten und
ihrer conversation, besonders aber der schmeichler
entschlagen, so christliche obrigkeit und ehrliche
leut heimblich verleimden und, das ministerium
wider dieselbig unbillig zu bewegen, sich unterstehen,
dardurch viel schedlicher, ungebührlicher verdacht,
mißtrauen und unainigkeit verhütet werden mag.
[20.] Zum zwanzigsten: Wann die eltern wegen
eines kinds, so im Herrn christlich verscheiden und
noch das heilige abendmahl nicht empfangen, be-
gehren wurden, daß es nach christlichem, löblichen
gebrauch mit dem gesang der schueler zu begrebnus
ausgetragen, soll ihnen solches nicht versagt werden.
[21.] Zum ainundzwanzigsten: So soll nicht allein
zuvorderist der pfarrer, sondern auch die andern
kirchendiener, kainen ausgenommen, die kirchen
allzeit fleißig besuchen und kainen gemainen, offent-
lichen actum daselbst ohne besondere, rechtmäßige
ursach versaumen, auch unter dem predigen oder,
so man sonsten etwas auf der canzel offentlich ver-
liset, ihnen selbs zu nuz und andern zum exempel
fleißig aufmerken und vielmehr, wenn sie selbs pre-
digen oder offentlich lesen, dasselbig predigen und
lesen dermaßen verrichten und tun, daß ein gött-
licher fleiß, andacht und eifer nach eines jeden maaß,
die zuhörer zu lehren und zu bessern, an ihnen allen
gespürt werden möge.
4 Von der tatsächlichen Feststellung solcher Stunden
ist nichts bekannt. Es wird nur immer (S. 409, 482!)
der Wunsch darnach ausgesprochen. Jetzt geschah
es aber (siehe S. 508).
5 = jendar = irgendwo (Schmeller 1, 9).
6 Ein plötzlicher Tod, bei dem nicht mehr die Mög-
lichkeit zum Empfang der Sterbesakramente be-
stand, war ein „böser, schneller Tod“. Er galt als
[22.] Zum zwaiundzwanzigsten: Es soll auch von
den diaconis der wochner jederzeit sich fleißig da-
heimbt halten, daß man ihne, so oft und wann es von
nöten, zu seinem ministerio anheimbs finde und des-
halben nicht versaumnus oder klagen fürkommen.
[23.] Zum dreiundzwanzigsten: Damit weder die
pfarrkinder mit ungelegenheit in der kirchen lang
warten noch die kirchendiener, besonders der woch-
ner über die gebühr und vermögen nicht beschwert,
sollen gewisse stunden zur tauf und begrebnus, ver-
mög alter verzaichnus in der regimentsordnung4
bestimmet und verordnet werden.
[24.] Zum vierundzwanzigsten soll der kirchen-
diener keiner aus allerhand ursachen für sich selbst
und ohne vorwissen und erlaubnus eines pfarrers
(der pfarrer ohne erlaubnus eines erbarn rats oder
cammerers), indert5 ausreisen, daß er zuversichtlich
über nacht möchte außen bleiben.
[25.] Zum fünfundzwanzigsten: Endlich sollen
alle kirchendiener wie in ihrem ambt und in der kir-
chen also beide - daheimbd in ihren heusern für
ihrem hausgesinde, auf der gassen und, wo sie son-
sten bei andern leuten sein - sich eines feinen, be-
schaidenen, unergerlichen wandels mit reden und
geberden befleißigen, daß es Gott zu lob und der
menschen besserung diene.
[Beilage II.]
Gebete bei besonderen Beerdigungsfällen.
A. Wann ein person,
durch ein unversehenen fall
schnell aus disem leben abgefordert,
sonsten christlich und erbarlich gelebet.6
Geliebte im Herrn Christo! Wir haben jezunder
eine person zur erden bestättigt, welche in ihrem
leben sich christlich gehalten, Gottes wort gern ge-
Gericht Gottes und, daher als Anzeichen eines (im
Geheimen) gottlosen Lebens. Anlaß zu dieser An-
weisung war wohl die im Jan. 1560 erfolgte Ent-
leibung eines Sohnes des Kammerers Dionys von
Pruckendorffer gewesen. Ihm hatte Gallus jede
kirchliche Beerdigung versagen wollen. Der Rat
hatte aber im Sinne dieses Gebetes entschieden
(München Staatsbibliothek cgm 1315 f. 365vf.).
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