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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0546
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Die evangelische Gemeinde half sich mit Lesegottesdiensten des Schulmeisters, der in der Zwischen-
zeit auch bestellt worden war. Um die Entsendung eines jungen, tatkräftigen Gehilfen der katholischen
Geistlichen durch den Bischof von Passau zu verhindern, überließ der Graf diesen wieder seine Kirchen
für ihren Dienst. Ein alter Kaplan des katholischen Pfarrers aber hielt Taufen und Trauungen evange-
lisch. Gelegentlich konnte auch Schloß Neuburg am Inn14 aushelfen.
Am 1. April aber schon hatte Graf Joachim, der ständig alle Mittel, zu seinem Rechte zu gelangen,
am Kaiserhofe in Bewegung setzte, einen neuen Geistlichen in Ortenburg - Thomas Rorer15. Er war von
Pfalz-Neuburg unter Beibehaltung seiner Pfarrstelle geliehen worden. Er führte die Gottesdienstform
des Cölestin weiter. Bei den Kasualhandlungen folgte er der württembergischen Kirchenordnung16, wie
sie auch in der pfalz-neuburgischen Ordnung wiederholt war. Auch er wurde am 17. August von Baiern
gefangen genommen und außer Landes geschafft. Die Gemeinde in Ortenburg war wieder auf die Lese-
gottesdienste und den alten Kaplan Winter angewiesen und das um so mehr, als in der Zwischenzeit
noch mehr geschehen war.
Der erzürnte Herzog hatte Joachims sämtliche baierischen Besitzungen wegnehmen lassen. Dabei
war in Mattighofen der ganze Briefwechsel des Grafen in seine Hand gefallen. Mit dessen Hilfe wurde
nun eine ,,Adelsverschwörung“ erfunden, die dem Herzog dann den Vorwand dafür gab, daß er den
evangelischen Adel seines Landes politisch entmachtete17. Der Graf mußte außer Landes gehen. Er
benützte das dazu, eine Aussöhnung mit Baiern zu erreichen. Durch Vermittlung Kaiser Maximilians
und Kurfürst Augusts von Sachsen kam 1566 eine solche in gewisser Hinsicht zustande. Die Frage der
Reichsstandschaft war damit freilich nicht entschieden. So konnte nur ein Hausgottesdienst in der
Schloßkapelle zu Neu-Ortenburg gehalten werden. Obwohl Emporen eingebaut wurden, reichte der Raum
nicht aus. So konnte dafür kein Geistlicher bestellt werden. Wie bisher wurden Lesegottesdienste und
evangelische Taufen und Trauungen gehalten. In Holzkirchen ging der katholische Gottesdienst für die
baierischen Untertanen in der Pfarrei weiter, in Steinkirchen aber nicht.
1573 wurde dann aber endlich die Reichsstandschaft des Grafen vom Reichskammergericht vorbehalt-
los anerkannt. Joachim von Ortenburg hatte in Erwartung dieses Ausgangs bereits alle Vorkehrungen ge-
troffen, um sofort das zerrissene evangelische Kirchenwesen wieder aufzurichten. Um ja keine neuen
Verwicklungen heraufzubeschwören, holte er, obwohl er sich persönlich in den theologischen und kirch-
lichen Auseinandersetzungen der sechziger Jahre für die kalvinische Form der Reformation, wie sie
Kurpfalz führte, entschieden hatte18, einen lutherischen Pfarrer nach Ortenburg. Als solchen gewann
Graf Joachim einen tüchtigen Mann - Moses Pflacher19. Am 19. Febr. 1573 unterschrieb dieser seine
Bestallung, die die innerliche Einstellung des Grafen deutlich zum Ausdruck bringt und seiner schwie-
14 Siehe oben S. 7!
15 Ein eifrig literarisch tätiger Mann, der aber als Anhänger des Flacius und seiner strengen Kirchenzucht auch
ständig im Kampf stehen mußte. — Geb. Ingolstadt 1521. — 1537 Windberg Prämonstratensermönch, 1542 Priester-
weihe, Viechtach Kaplan, 1545 Cham Stiftsprediger, evangelisch, 1550 geht als Gegner des Interims, 1552 Weiden
Kaplan, 1555 Rothenberg Schloßprediger, 1555 Bruck (Oberpfalz), 1559 Rennertshofen, 1564 Ortenburg, 1564
Rennertshofen, 1570 Giengen an der Brenz, 1572 Pottenbrunn (Oberösterreich), 1579 Gutenbrunn (Oberösterreich),
nach 1582 ... (Friedr. Kantzenbach, Der Prädikant Thomas Rorer, in: ZbKG 25 [1956] 152—165).
16 Unsere Nr. IV 2. - Theobald, Einführung 103.
17 Riezler 4, 528-534. - Götz-Theobald. - Theobald, Adelsverschwörung.
18 Daß er damit in Widerspruch zu seiner Versicherung vom Jahre 1563 kam, konnte ihm um so weniger bewußt wer-
den, als ja die evangelischen Fürsten auf dem Naumburger Tag 1561 und auf dem Reichstag von 1566 den Kur-
fürsten Friedrich III. als Augsburgischen Konfessionsverwandten anerkannten (siehe oben S. 264!).
19 Geb. Emmenhausen bei Buchloe um 1547. — Studium in Tübingen, (1569?) Krems (Oberösterreich) Rektor, 1573
Ortenburg, 1584 ohne Dienst, 1585 Promotion zum Dr. theol. in Tübingen, 1585 Kempten Pfarrer - † 1589. -
Seine Bücherei heute in der Kirchenbibliothek in Kempten. ( Theobald, Durchführung 4ff. 153-160. - RGG 53,
312).

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