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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0561
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Eine feste Ordnung scheint nur für den Einschluß der Obrigkeit ins Kirchengebet erlassen worden
zu sein. Überall mußten an erster Stelle die Ganerben, an zweiter17 der Pfalzgraf und die Amberger
Regierung genannt werden. An dritter Stelle durften dann noch die Patrone erwähnt werden: in Otten-
soos Nürnberg, in Bühl und Neunkirchen am Sand und wohl auch in Kirchröttenbach Bischof und
Domkapitel18.
Kurpfalz versuchte 1557 zwar die Bilder auch hier aus den Kirchen hinauszubringen. Die Visita-
toren stießen aber auf Widerspruch19. Evangelische Kirchen dieses Gebietes zeigen auch heute noch
ihren mittelalterlichen Schmuck - darunter den besonders schönen, für damaliges evangelisches Gefühl
auch besonders anstößigen Vierzehnnothelferaltar in Osternohe20.
Dieses Bild einer obrigkeitlich wenig gelenkten Kirche bietet auch noch die aus verhältnismäßig
später Zeit stammende Kirchenordnung des Jahres 1618, die erhalten geblieben ist21. Als der Tag, an dem
diese ,, Vereinigung“ zustande kam, darf wohl der in einer Unterschrift genannte 30. Okt. 1618 gelten.
Bei ihr ist im Blick darauf, daß die Herrschaft zu der damals in schärfstem Maße kalvinisierenden
Kuroberpfalz gehörte, und dann noch besonders im Blick auf ein gleich zu erwähnendes Vorkommnis eben
des Jahres 1618 zunächst nach der Bekenntnisgrundlage zu fragen. Eine solche wird auffälligerweise
weder in der Kirchenordnung noch in der Ordinationsordnung genannt. Das kann nicht anders ver-
standen werden, als daß diese trotz der Lage des Kirchenwesens zwischen dem streng lutherischen
Brandenburg-Ansbach-Kulmbach, dem mild lutherischen Nürnberg und der reformierten Kuroberpfalz
als allgemein bekannt und selbstverständlich vorausgesetzt wird. Welche das aber ist, ergibt sich sehr
deutlich. Klar ist sogleich: ein reformierter Ton erklingt in ihr auf keinen Fall. Allerdings werden Not-
taufe und Exorzismus nicht mehr geübt. Das ist im lutherischen Raum nicht unmöglich.
Umgekehrt wird nicht nur von dem ,,hochwürdigen Sakrament des Leibs und Bluts Christi“22 ge-
redet und können die Einsetzungsworte des heiligen Mahles ebenso gesungen wie gesprochen werden23,
sondern ist auch der sonntägliche Hauptgottesdienst im Regelfalle Abendmahlsgottesdienst. Das ist
lutherisch. Die gebräuchliche Agende wird zwar einmal erwähnt24. Es wird aber nicht angedeutet, welche
eigentlich gemeint sei. Es kann freilich kaum einem Zweifel unterliegen, daß es das als in der Hand jedes
Pfarrers befindlich vorausgesetzte Agendbüchlein Veit Dietrichs war25. Die Haltung der Kirchenordnung
entspricht also einem noch stärker als in Nürnberg erweichten Luthertum, steht aber noch nicht im
kalvinistischen Raum.
In dieser Linie bewegt sich dann auch die ganze Gottesdienstordnung26. Sie geht, wenn auch mit
mancherlei Einschüben, durchaus von der Meßordnung aus und schließt sich eng an die des Agend-
büchleins Veit Dietrichs an. Sie läßt freilich den Gottesdienst schon mit einem Gemeindelied beginnen

17 In der dann wiedergegebenen Kirchenordnung (S. 549) ist die Reihenfolge aber — entsprechend der ständischen Ein-
gliederung — doch umgekehrt.
18 Schütz, Ganerbschaft 74.
19 Götz, Bewegung 153.
20 Schütz, Kirchen 24. 65-73. - A. Frank, Der Altar in Osternohe, in: Fundgrube 10 (1934) 21ff. - W. Schwem-
mer, Der gotische Altar zu Osternohe, in: Fundgrube 23 (1953) 112ff.
21 Unsere Nr. V 2. — Die Kenntnis dieser Ordnung verdanke ich Herrn Oberarchivrat Dr. Hirschmann, Nürnberg. Sie
darf hier veröffentlicht werden, obwohl sie bereits jenseits der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert liegt. Nicht nur
als einziges Zeugnis der vernichteten evangelischen Kirche dieses Gebietes, sondern auch als Hinweis auf die frühere
kirchliche Entwicklung in der Herrschaft Rothenberg verdient sie diese Ausnahme.
22 Unten S. 550!
23 Unten S. 550!
24 Unten S. 550!
25 Unten S. 550!
26 Unsere Nr. V 2.

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