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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0583
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Stieber war ein wissenschaftlich interessierter und schriftstellerisch tätiger Mann. Zum Druch
scheint von ihm allerdings nur ein einziges Schriftlein gehommen zu sein, das Trostbüchlein12. Dagegen
ist noch einiges handschriftlich erhalten13:
Judicium theologicum de communione sacerdotum (1574,-Darin begründet er die Selbstkommunion
der Geistlichen).
Einfeltiger christlicher bericht von der strittigen disputation, die erbsünde belangend, wider etliche
unruige prediger (1576. - Gegen den Flazianer Cyriakus Spangenberg).
Zwei fürtreffliche wunderbare weissagung [des Joh. Cario und des Franziskaners Dietrich] (1575).
Wichtiger ist Stiebers Katechismus. Er zeigt freilich gleich, daß Stieber kein eigentlich schöpferi-
scher Geist war. Der Katechismus gibt weithin lediglich den 1564 in Druck erschienenen Katechismus
des Ansbacher Generalsuperintendenten Georg Karg wieder, hat gelegentlich aber auch andere Katechis-
men benützt, ohne aber selbständige Arbeit erkennen zu lassen14.
Erscheint so dieser Katechismus in einer Form, daß man ihn für eine selbständige Arbeit, die er
aber eben nicht ist, halten möchte - doch deutet nichts darauf hin, daß er als solche erscheinen sollte
(das Manuskript war für Stiebers Privatgebrauch bestimmt, wenn er es auch seinen Kollegen zugänglich
machte) -, so gibt sich seine Hauptarbeit, die Kirchenordnung, bescheiden als eine bloße InstruJction
einer anderen Kirchenordnung, während sie tatsächlich selbständigen Charakter trägt.
Ob der Gedanke an diese Kirchenordnung vom Landesherrn ausging oder ob ihn zuerst ihr Ver-
fasser faßte, läßt sich nicht feststellen. Wahrscheinlicher ist das letztere. Dafür spricht vor allem die
überall spürbare innere Beteiligung ihres Schöpfers. Immerhin ist es nicht unwahrscheinlich, daß
Stieber zur Leitung und Gestaltung der wolfsteinischen Kirche berufen, die Idee einer Kirchenordnung
ihm also doch nahegebracht wurde. Dabei ist es aber auch nicht undenkbar, daß schon der Gedanke an
eine Stelle in Sulzbürg von ihm selbst ausging.
Diese Kirchenordnung15 gibt sich bescheiden lediglich als eine Instructio zur brandenburg-nürn-
bergischen Kirchenordnung von 153316. Sie erweckt also den Anschein, als wolle sie nur Ausführungs-
bestimmungen, Erläuterungen und Ergänzungen zu dieser bringen. Das tut sie aber sowohl nach der
kirchenrechtlichen wie nach der liturgischen Seite hin so planmäßig, ausführlich, zusammenhängend
und selbständig, daß sie auch so Beachtung verdiente. Tatsächlich aber ist sie eine vollständige Kirchen-
ordnung und als solche ein durchaus eigenständiges Werk von hoher Bedeutung, das man nicht geringer
einschätzen darf als etwa Dietrichs Agendbüchlein in seiner ersten Gestalt.

12 Hermann Beck, Die Erbauungsliteratur der evangelischen Kirche. Erlangen 1883. 158.
13 Erhalten in einem schön geschriebenen, in geprägtem Schweinsledereinband gebundenen Sammelband des Evang.-
Luth. Pfarramts Sulzkirchen f. 100-107. 109-115. 209-227. 231-250. Sie verdankt ihre Entstehung dem Pfarrer
Petrus Peherl. Er stammte aus Dietfurt, soll zuerst Mönch in einem Kloster in Regensburg gewesen sein und war
wohl seit 1566 bis zu seinem Tode 1584 Pfarrer in Sulzkirchen (Herold 158. — von Falkenstein 64).
14 Erhalten in dem eben erwähnten Sammelband (f. 121—136). — Herold 161ff. — Daß Stieber Kargs zuerst nur hand-
schriftlich in Umlauf und zur Benützung gekommenen Katechismus ohne Wissen und Willen des Verfassers in
Druck gegeben habe (Herold 162), ist unrichtig. Das tat vielmehr 1561 sein damaliger Schwabacher Amtsbruder
Georg Selnecker (Mich. Reu, Zur katechetischen Literatur Bayerns, in: BbKG 13 [1907] 131ff.).
15 Unsere Nr. VI 1. - Herold 158-161.
16 Dieser Ausdruck möchte dazu verführen, hier sowohl die brandenburg-nürnbergische Kirchenordnung von 1533
(Sehling 11, 140-279) als auch das nürnbergische Agendbüchlein Veit Dietrichs (Sehling 11, 487-553) gemeint
zu sehen. Im Text ist dann immer nur von einer einzigen Kirchenordnung die Rede, und zwar von der brandenburgi-
schen oder markgräflichen. Deshalb muß diese Bezeichnung lediglich als ein ungenauer Ausdruck für die branden-
burg-nürnbergische Kirchenordnung angesehen werden. Freilich wird daneben — aber immer deutlich geschieden —
auch das Agendbüchlein als überall vorhanden vorausgesetzt und demgemäß auch angeführt.

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