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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0592
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Herrschaft Wolfstein

würdigen sacrament beraubt werden. Darumb die
pfarhern nichts zue fordern haben. Gibt man ihnen
etwas als ein liebung und verehrung, das mögen sie
annehmen, welches ihnen auch unverboten sein soll.
Zum fünften sollen die pfarhern nicht verdros-
sen sein, wen sie umb die heiligen sacrament ange-
sprochen und gebeten werden, wie etwa pfarhern
umb ihrer eigener gescheft willen die heilige tauf und
die administration des heiligen abentmals aufschie-
ben, bis sie ihre gescheft und hendel verricht haben.
Zum sechsten sollen die pfarhern ihres ambts
wol wahrnehmen, daß sie nicht trunken sein, wenn
sie die heiligen, hochwürdigen sacrament raichen
sollen, wie Lutherus im catechismo sagt, daß man
trunkene, volle pfaffen nicht soll taufen lassen
(Brandenb[urgische] K[irchenordnung] pag. 120).29
Zum sibeten sollen die pfarhern das volk ernst-
lich dahin halten, daß sie sich gerne finden lassen
bei der administrirung der heiligen, hochwürdigen
sacrament, sonderlich bei der communion, dabei sie
verharren sollen und Gott anrüfen, daß er ihme alle-
zeit unter uns wöll ein kirch versamlen, auch sein
heiligs wort und rechten gebrauch der hochwürdi-
gen sacrament bei uns erhalten wöll, auch allen fein-
den und ketzern wehren und uns mit seinem Heili-
gen Geist regieren und sterken.
Zum achten sollen sie das volk auch fleißig ver-
mahnen, daß sie bei der administration der heiligen,
hochwürdigen sacrament kaine leichtfertigkait trei-
ben, sondern vil mehr Gott herzlich anrüfen und für
seine güte danken (Brand[enburgische] K[irchen-
ordnung] 120).30
Zum neunten sollen die pfarhern fleißig achtung
haben, daß mit den dingen, so man zur administra-
tion der hochwürdigen sacrament gebraucht, kaine
zauberei getriben werde, als etwa mit dem taufe-

29 Sehling 11, 175.
30 Sehling 11, 175.
31 Siehe oben S. 317 Anm. 20!
32 Münzen, Ringe und allerlei andere Gegenstände
legte man in katholischen Gegenden unter das Altar-
tuch, damit über ihnen Messe gelesen wurde. Sie
wurden dann getragen oder verschluckt. Davon er-
wartete man allerlei Erfolg (Heilung, Gegenliebe,
Gewinn, Unverwundbarkeit u. ä.) (Bächtold-
Stäubli 6, 188). Die Verwendung von Kräutern zu
diesem Zweck scheint anderwärts nicht beobachtet

wasser31 geschehen ist und noch geschicht oder, daß
etliche kreuter oder anders unter das altartuch
legen und lassen darüber meß halten und gebrau-
chen solche ding zur zauberei32.
Zum zehenden sollen die pfarhern zuesehen,
daß sie nicht leichtfertiglich und ohne redliche ur-
sachen frembden pfarkindern die heiligen sacrament
und andern gottesdienst erzaigen. So aber bekante
und christliche leut kemen, so von ihren bäbstischen
pfarhern rechten gebrauch der heiligen sacrament
nicht haben können, sollen wir ihnen solchen dienst
in kainen weg abschlagen, wie in unser kirchen-
ordnung gemeldet wird (pag: 171).33
Zum eilften sollen alle pfarhern die personen, so
die heiligen sacrament empfahen, fleißig in ein buech
einschreiben, auf welchen tag oder zeit sie solche
sacrament empfangen haben, welches in vil fürfallen-
den nöten, sonderlich die tauf belanget, seinen nutz,
trost und bericht geben kan, davon auch hernach
meldung geschehen wird.
Von der heiligen und tröstlichen abso-
lution.
Was die heilige absolution belangt, sollen
erstlich die pfarhern bede publicam und priva-
tam absolutionem in der kirchen Gottes erhalten und
davon oftmals ihren pfarkindern und zuhörern flei-
ßigen bericht tun.
Zum andern sollen sie am sambstag, wan die
leut nachfolgends tags communicirn wöllen, vesper
halten und die leut gewehnen, daß sie zu solcher zeit
die heilige absolution begehren und sich anzaigen,
ehe sie zum abentmal des Herren gehen (Brand[en-
burgische] K[irchenordnung] 144. 146. 148).34 Da-
worden zu sein. Sollte sie hier aufgekommen sein,
als die Kräuterweihe (siehe oben S. 96 Anm. 16!)
unterblieb, um sich so die von dort geweihten Kräu-
tern erwarteten Wirkungen zu erschleichen? Der
Wegfall des Transsubstantiationsdogmas, das ja der
Wurzelboden dieses Aberglaubens war, kam im
lutherischen Raum der Landbevölkerung nicht so
rasch aus Fleisch und Blut. Das zeigt sich auch sonst
(z.B. Sehling 11, 391 Anm. 31!).
33 Sehling 11, 198f.
34 Sehling 11, 185ff.

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