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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0594
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Herrschaft Wolfstein

sich trostes von wegen solcher seiner begangener
sünde zue erholen, so soll der pfarherr ihn trösten
und die absolution darüber sprechen und solche be-
kannte sünde niemand offenbaren, ob er auch von
weltlicher oberkait solcher sünden halben ange-
sprochen würde.
Zum zwelften sollen die pfarhern die verhörte
und absolvierte beichtkinder fleißig und ernstlich
zur forcht Gottes und ernstlicher besserung ihres
lebens vermanen, als auch Christus tut, Joan. 5 [14]
und 8 [11].
Vom heiligen abentmal des Herren.
Dieweil das abentmal des Herren ein tröstlichs
und gnadenreichs sacrament ist und von Christo un-
serm Herren selbst geordnet und eingesetzt, so sollen
erstlich die pfarhern die leut oftmals von disem
hochwürdigen sacrament unterrichten, was es sei
und was es für ein kraft und würkung hab, damit
sie nicht allain dises sacrament hochhalten, sondern
auch fleißig besuchen und gebrauchen, wie der be-
felh Christi solchs erfordert, da er sagt: Nembt hin
und esset! Nembt hin und trinket! Solchs tut zue
meinem gedechtnus! [1.Kor. 11, 24f.]45
Zum andern sollen sie die christlichen gebete,
lobgeseng und lection, aus der heiligen, göttlichen
schrift genommen, nicht abton oder fallen lassen, wie
unser kirchenordnung meldet (pag. 136).46 Die müß-
breuch aber solle man abtun und fallen lassen, nem-
lich bede canones impios47, invocationes sanctorum
und allerlai geseng und gebete, so der heiligen schrift
nicht gemeß seind, als unser kirchenordnung meldet
(pag. 137).
Zum dritten sollen sie die unchristliche, abgötti-
sche und lesterliche opfermeß ganz und gar unter-
lassen; dann solche opfermeß in Gottes wort kainen

45 Die heute als Offertorium und Kanon bezeichneten
Stücke der mittelalterlichen Messe (Braun 151 ff. --
Jungmann 1, 222).
46 Sehling 11, 182.
47 Sehling 11, 182.
48 Sehling 11, 183.
49 = Messe für den Verstorbenen am 7. oder 30. Tag
nach dem Tode oder am (ersten oder jeden) Jahrtag
(Braun 349).

gründ hat. Ja, es streitet stracks wider Gottes wort
und das heilige opfer Jesu Christi, wie solches in un-
ser kirchenordnung erwisen wird (pag. 137).
Zum vierten: Was aber andere menschliche zue-
setz und ordnung seind, die so frei und wider Gottes
wort nicht streiten, sollen gehalten werden, als da
sind: meßgewand, altardeck, silbere und guldene
gefes, lichter etc. Dise stuck nehmen und geben dem
glauben nichts. Wir wissen auch wol, daß Christus
selbst und die heilige apostel solche klaider und an-
dern pracht nicht gebraucht haben. Darumb wir dise
ding auch nicht halten als nötig, sondern frei umb
der liebe willen, dieweil sie nicht verbot[en] seind
und dem befel Christi nichts abbrechen. Sonderlich
soll man klaider behalten aus ursachen, so in unser
kürchenordnung (pag: 140)48 vermeldet wird.
Zum fünften soll hinfüro kain seelmeß49, still-
meß50 oder begrebnus51 der toden gehalten werden.
Es sol in summa kain privatmeß mehr gehalten wer-
den, auch des Herren abentmal, es seien dan commu-
nicanten fürhanden, die sich anzaigen und des heili-
gen abentmals begeren, wie unser kirchenordnung
meldet (pag: 140).52
Zum sechsten sollen die pfarhern ganz und gar
unterlassen wasser, feuer, kreuter, obst, fladen, aier,
speck, fleisch und anders zu weihen53; dann solche
creaturen sind von Gott gut erschaffen, ein jedlichs
zue seinem brauch etc. Gen. 1 [29f.] Ecclci: 31 [19]
und sind von Gott geweihet und geheiliget, 1.Ti-
moth. 4. [4f.] So wird auch greuliche abgötterei da-
mit getriben, als das man glaubt, wie das geweihet
wasser wegneme und abwasche die täglichen sünden,
erquicke die seelen auf dem kirchenhof, vertreibe die
Teufel aus den heusern, item das geweihete creuter
und lichter dienen sollen wider das ungewitter.
Zum sibenten sollen die pfarhern das sacra-
ment fürohin nicht mehr aufbehalten, einschließen
noch umbtragen und dasselbige die leut anbeten
50 = jede Messe ohne Kommunikanten, bes. die sog.
Votivmessen für ein bestimmtes Anliegen (Eisen-
hofer 163f. — Braun 366).
51 = Vigilie (= Totenofficium [Braun 350. - Hart-
mann 116-121]) und Requiem ( = Totenmesse) beim
Begräbnis selbst.
52 Sehling 11, 199.
53 dazu siehe oben S. 95 f. Anm. 8-17!

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