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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0598
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Herrschaft Wolfstein

Pomerani3 von ungetauften kindlein, damit sie nicht
allain der widertaufer irtumb können widerlegen,
sondern auch wissen, fromme eltern uber ihren ver-
storbenen ungetauften kindern zu trösten.
Zum fünften solle man auch den unehlichen
kindlein die heiligen taufe nicht versagen, aber doch
zuvor fleißig erforschen, wer des kinds vater sei. Ob
aber etwa des vaters halben sich wurde ein irrung
zuetragen, solle doch nichts desto weniger das kind
getauft werden, damit der Satan nicht ein größer
unglück stifte.3*
Zum sechsten: Dieweil vil freuer ceremonien
seind, so zur heiligen taufe geordnet worden, soll
man aus denselben behalten das gebete, das evan-
gelium von den klainen kindlein und die gefattern.
Was aber darneben unnutze heiligkeit angericht ist,
als da ist: unter augen blasen, exorcisirt salz in den
mund geben, speichel oder kot in die ohren tun, die
schultern und brust mit öle salben, mit chrisam die
schaitel bestreichen, geweicht wasser brauchen,
prinnende kirzen anzünden.4 Dise stuck sollen un-
terlassen werden: dann sie das wesen oder taufe
mehr vertunkeln dan fürdern und dienen zu aber-
glauben, wie unser kirchenordnung meldet.5
Zum sibenden mag man auch das wester-
hembdlein6 gebrauchen; dann desselben nicht allain
in unser, sondern auch in der wittenbergischen7 und
andern kirchenordnungen8 gedacht wird. So kann
es auch nutzlich gedeutet werden auf die ware un-
schuld Christi, mit welcher wir in der heiligen taufe
angezogen, beklaidet und geschmucket werden.

3 Joh. Bugenhagen aus Wollin in Pommern (daher
Pomeranus) (1485-1558). Pfarrer und Professor in
Wittenberg, der Organisator der evangelischen
Kirche in Niedersachsen. (RE 3, 525-552. - RGG
13, 1504. - NDB 3, 9f.) - Gemeint ist die Schrift:
Von den ungebornen Kindern und von den Kindern,
die wir nicht taufen können. Wittenberg 1551.
3* Hier ist offenbar an die oben S. 187 Anm. 37 er-
wähnte Schauergeschichte gedacht.
4 Zu diesen Zeremonien siehe oben S. 52-56!
5 Sehling 11, 174.
6 Siehe oben S. 55!
7 Damit kann nicht die Ordnung von 1533 (Richter
1, 220-230. — Sehling 1, 700-710) gemeint sein. Sie
enthält keine Taufordnung, war auch nicht gedruckt.
Gemeint ist wohl einfach Luthers Taufbüchlein.
8 Sehling 11, 180. 9 Siehe oben S. 52 f.!
10 Sehling 11, 179. 11 Siehe Anm. 7!

Zum achten: Der exorcismus9 solle auch behal-
ten werden, wie derselbige auch in der taufordnung10
austrucklich steht. So ist er auch in der wittenbergi-
schen taufordnung11 und in dem klainen catechismo
Lutheri12 austrucklich gesetzt und stehen dise wort
in der wittenbergischen kürchenordnung (pag.
12113): Wenn man die gebete sambt den exorcismis
gesprochen und die kindlein dem Teufel entsagen
durch die paten und des glaubens bekantnus hat tun
lassen, alsdann taufe der pfarherr das kindlein. Doch
soll solcher exorcismus nicht auf eignen falschen
und bösen verstand gezogen werden, wie die zaube-
rer den Teufel beschweren, sonder soll als ein gebet
gebraucht werden, wie Vitus Theodorus in seinem
agendbüchlein meldet.14
Es werden auch hiemit gemaint die exorcismi sa-
lis, aquae, olei et chrismatis15; dann solche exorcis-
mi seind gottlos, weil solche unvernünftige creaturn,
als weren sie vom Teufel besessen, beschworen wer-
den. Uber das wird ihnen sonderliche kraft und wür-
kung zuegeeignet wider Gottes wort, als das sal
exorcisatum ad effugandum inimicum wie in actu
sacerdotali16 befunden wird.
Zum neunten sollen die pfarhern nicht allain
solche abgöttische mißpreuch abtun und meiden,
sondern sollen auch mit ernst strafen die mönchische
religion und anders mehr, so die mönch und bäbstler
der heiligen taufe gleich halten oder auch wol der
taufe fürziehen und höher halten und ihnen größere
würkung und kraft zueschreiben, wie sonderlich die
bäbstliche confirmatio17 dermaßen gerühmet wird,
12 in den dort angefügten Taufbüchlein (Bekennt-
nisschriften 535-541).
13 Siehe Anm. 7!
14 Sehling 11, 506.
15 Die Handlungen beginnen nach einem Eingangs-
spruch mit: Exorciso te, creatura salis (bzw. aquae)
..., ut efficiaris ... sal (bzw. aqua) exorcisatus (bzw.
- ta) (vgl. Anm. 16!). - Die Weihe des Öles steht nur
dem Bischof zu.
16 Vgl. S. 573 Anm. 42! — In der dort genannten
Agenda findet sich dieser Wortlaut (Benedic... hanc
creaturam salis ... ad effugandum inimicum!) in
einer eigentlich als veraltet betrachteten Ordnung
f. p. 4. Die übliche Formel lautet: Exorciso te ...,
ut ... effugiat ... ab eo loco, quo aspersus fueris, ...
omnis ... nequitia ... diabolicae fraudis omnisque
spiritus immundus (f. a. 2v).
17 die Firmung.

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