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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0599
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VI 1 Christliche Instructio des Thomas Stieber von 1574

welche sie nennen sacramentum dignius, darumb,
daß sie von einer höhern und würdigern person,
nemlich von einem bischof, und an einem würdigern
ort des leibs, nemlich an der stirn, geschicht, ut habe-
tur de cons. dist. 518, so doch offenbar ist, daß die
heiligen sacrament ihre kraft nicht vom diener,
1. Cor. 3 [5-10]; 4 [1-7], sondern vom stifter haben.
Ipse enim est, qui baptizat, Joan. I [33].
Zum zehendem soll man nicht mehr lateinisch,
sonder deutsch taufen, wie unser kirchenordnung
ausweiset, auf das die leut mögen wissen, was alda
gehandelt werde, und das die herzen derer, so dabei
sind, desto mehr zum glauben und ernstlicher an-
dacht, den allmechtigen Gott für das kindlein zue
bitten, bewegt werden, wen sie uber dem kindlein
den namen Gottes und unsers Herrn Jesu Christi
hören anrüfen, das tröstlich evangelium Mar. 10
[13-16], da Christus spricht, er wöll die kindlein, so
man zue ihme tregt, annehmen, item, wann sie hören
aus des priesters frag, was das für ein glaube sei, dar-
auf die christen getauft und sie alda für ein verbind-
nus mit Christo machen, darinnen sie bleiben und er-
funden sollen werden bis an den jungsten tag, item,
wann sie zum letzten hören, daß das kindlein ge-
tauft wird im namen Gottes des Vaters und des
Sohns und des Heiligen Geistes, daraus sie ver-
gwisset werden, daß das kindlein nicht allain mit
wasser, sondern auch durch die heilige Treifaltig-
kait selbst getauft werde, item, das die, so dabei
sind, ihrer eignen taufe erinnert werden, die sie
empfangen, und gedenken, was sie für ein bund mit
Christo gemacht haben.
Zum eilften sollen kaine unchristliche gefat-

18 Corpus juris canonici, Decretum Gratiani, pars III
(de consecratione), distinctio 5 caput 3.
19 Sehling 11, 175.
20 Die volkstümliche Begründung für die Aussegnung
der Wöchnerinnen (vgl. unten Anm. 21!) (Bäch-
told-Stäubli 1, 729f.; 1410f.; 9, 700ff. - Hart-
mann 588. — Franz 2, 208-240. — Thalhofer: in
Wetzer 1, 1709-1713). - Im Wochenbett verstor-
bene Frauen wurden daher auch an besonderen
Orten begraben (Luther, Vermahnung an die
Geistlichen 1530, in: WA 30 II, 252-262).
21 Aus der 3.Mos. 12 den Juden gegebenen Vorschrift
entsprang die Sitte, die Wöchnerinnen am 40. Tage
nach der Entbindung aus ihrer Unreinheit (oder:
aus dem Hause) herauszusegnen (Aussegnung, puri-
ficatio) oder sie wieder in die volle Gemeinschaft der

tern als, die nicht beten können und in öffentlichen
ergerlichen sünden ligen oder nicht zum heiligen
abentmal des Herren gehn, zur taufhebung zue-
gelassen werden, als unser kirchenordnung meldet19.
Vil weniger soll man trunkene und volle leut, solch
werk der gefatterschaft auszurichten, zuelassen,
ihnen auch mit nichten gestatten noch nachgeben.
Zum zwelften soll man auch die getauften kind-
lin fleißig in ein besonder buech verzaichnen und
einschreiben, auf welchen tag und in welchem jar sie
getauft seind. Solchs ist nicht allain ein gut zeugnus,
daß man, wo etwa die leut, so darbai gewesen, nicht
mehr fürhanden sein, gewiß wissen mög, daß sie ehe-
lig geboren, sondern auch wider die schendlichen
widertaufer, so die leut irr machen, als sollen sie
zweifeln, ob sie getauft seien oder nicht, weil solchs
in der jugent geschehen ist. Man solle auch die kind-
lein, so unehlich geboren werden, einschreiben, doch
das mans darbei vermelde, wie sie unehlich geboren
seind, damit man wissen möge, in fürfallenden sa-
chen, wer ehelich oder unehelich geborn sei.
Zum dreizehenden: Wo man solche kinder ein-
schreibt, solle man nicht allain den tag und das jar
darzue setzen, sondern auch die personen als vater,
mutter und gefattern, welches zur richtigen kund-
schaft beder, der ehelichen geburt und empfangenen
taufe, seer dienstlich ist.
Zum vierzehenden sollen die pfarhern die
kindbetterin fleißig unterrichten aus Gottes wort,
daß sie nicht unter dem gewalt des Teufels seien20,
wie mans im babstumb dafür gehalten hat. Dar-
umben auch das aussegnen21 solle unterlassen wer-
den, wie unser kirchenordnung davon meldet.22
Kirche einzuführen und einzusegnen (Introductio,
Einsegnung) (Hartmann 588. — Thalhofer in:
Wetzer 1, 1709-1713. - Braun 372. - Rietschel
617-620. — Vgl. auch Anm. 20!). - Ob diese Aus-
segnung dann tatsächlich im Bereich unserer Kir-
chenordnung außer Gebrauch kam oder ob sie viel-
leicht doch mit bisher noch unbekannten Formula-
ren heimlich weiterlebte, bedarf ebensosehr noch der
Klärung wie die Frage, auf welchem Wege es dazu
kam, daß sie in Bayern (erstmals im ,,Entwurf einer
Agende für die Evang.-Luth. Kirche in Bayern“.
München 1852. 238ff. mit dem Hinweis, daß sie ver-
wendet werden könne, wo sie noch Brauch sei) wie-
der in Übung kam. Selbstverständlich hatte sie jetzt
wie einen neuen Inhalt so auch einen völlig neuen
Gesamtcharakter. 22 Sehling 11, 177.

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