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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (13. Band = Bayern, 3. Teil): Altbayern: Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg, Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrrschaft Wolfstein — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.30630#0602
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Herrschaft Wolfstein

harren noch verziehen sollen bis auf den letzten seuf-
zer und uberlaufen alsdann ungeschicklich bei der
nacht ihren pfarhern, welches nicht geschehen soll
dann allein, wenn etliche leut unversehens und geh-
ling krank wurden oder in plötzliche anfechtung
sunken und fielen.
Zum dritten sollen sie auch die leut fleißig ver-
manen, daß sich selbst niemand verkürzen welle und
sein buß aufschieben bis an das letzte trumb2, da
auch mancher darüber verkürzt wird, sondern es
soll ein jedlicher, sonderlich in der krankhait, weil er
noch vernünftig ist, da man ihn kann unterrichten,
trösten, absolviren und mit dem heiligen abentmal
versehen, und er auch solches versten und gewisse
zaichen seines glaubens von sich geben kan, den
kirchendiener zu sich fordern lassen und von ihme
trost, die absolution und abentmal begeren und
bitten.
Zum vierten: Was böse, gottlose leut belangt,
die ihr lebenlang das wort Gottes veracht und bös-
lich gelebt haben, können die pfarhern dieselben
auch an ihrem todspet also unterrichten, daß sie
zu rechter erkantnus göttlicher barmherzigkait und
der woltaten Christi kommen, so ist es gut. Wo aber
solches nicht geschicht, so soll man ihnen das heilig
sacrament nit geben; dann es were ihnen doch ver-
dammlich, auch dem pfarrhern. Die aber beginnen,
Christum zu erkennen und, daß sie ubel gelebt, be-
kennen, denen gebe man das sacrament ohn alle
gefahr.
Zum fünften: Wo aber die pfarhern zu den
kranken nicht gefordert werden, seind sie wol ent-
schuldiget. Wo sie aber einmal gefordert werden, den
kranken beicht zu hören und mit dem abentmal zu
versehen, so sollen sie ohne widerung zue solchen
kranken nicht allain kommen und ihnen dienen,
sondern, wo es auch von nöten sein wurde, sollen sie
dieselben oftmals visitirn und besuchen, es were dan,

2 = Trumm, Endstück, Ende (Schmeller 1, 604).
3 Entsprechend etwa den Seelfrauen in Nürnberg
(Sehling 11, 320 Anm. 8).
4 Vgl. oben S. 573 Anm. 42! — In der dort genannten
Agenda heißt die Formel bei der Ölung der fünf
Sinnesorgane: Per istam sanctam unctionem et suam

daß die kranken sonst verstendige leut bei sich het-
ten und solcher visitation nicht bedürften. Solches
sollen sie den armen sowol erzaigen als den rei-
chen.
Zum sechsten sollen die pfarhern die leutfleißig
vermahnen, daß sie ihre kranke leut in ihren letzten
zeiten oder nöten nicht allain lassen; denn daraus
große gefahr entstehn kan, wo der kranke von nie-
mand in seiner letzten not erinnert und getröst
wurde.
Zum sibenden sollen die pfarhern die alte, arme
frauen, sonderlich arme wittfrauen in flecken und
dörfern fleißig ermahnen, den kranken zu dienen
und handreichung zu tun. Da were es auch billig,
daß solche weiber auch in der gemain einen vortail
oder nutzung hetten, damit sie desto williger weren,
den kranken zu dienen.3
Zum achten sollen die pfarhern die kranken mit
kainem papistischen, beschwornem öl salben oder
schmieren; dann solchem öel hat man die kraft zue-
geschrieben, das dadurch vergebung der sünden, er-
rettung aus leiblichen krankhaiten und sieg wider
den Teufel erlangt werde, wie dan die wort, so in actu
sacerdotali sten, sonderlich auf die vergebung der
sünden gehn, also lauten: Ich salbe dich mit dem
geweichtem öele, das du durch dise salbung empfa-
hest volkomliche vergebung der sünden.4 Obwol
Marcus [6. 13] und Jacobus [5. 14] eines öels geden-
ken, damit die apostel die kranken gesalbet haben,
so haben sie doch solchen ihrem öl (wie Jacobus
sagt: Fides, oratio salvum faciet aegrotantem, Ja-
cobus [5. 15]) diese kraft nicht zuegeschrieben, mit
welchem das papistisch geschworne öel kain ver-
gleichung hat. Desgleichen solle man auch die
prennente lichter5 bei den kranken und sterbenden
abschaffen; dann solchs nichts nutz ist, weil aller
trost allain im wort steht, dessen auch die kranken
stetigs sollen erinnert werden.

piissimam misericordiam indulgeat tibi Dominus,
quicquid deliquisti per visum (sc. odorem ...) (f. b
10 f.).
5 Besonders die auch für diesen Zweck aufbewahrte
Taufkerze wurde dazu benützt.

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