5. Kirchenordnung 1553
ber, das dem meßleser, meßhorer oder fur welchen
man daßelbig appliciret und meß hset, auch in ab-
wesen, solle und konne nutzlich und erschießlich
sem, dardurch zu erwerben und zu erlangen ver-
gebung der sunden, gnade und das ewige leben, ja
auch alles zeithch gluck und dardurch auch alles
unglucks loß zu werden an leyb, seel, ehr und gut
wider das leyden Christi, Gall. 3 [13] 77.
Zum di'itten ist die meß ein satißfaction, gnug-
tuung und bezalung worden fur die uberigen, un-
gebusten sunde der seelen im feegfeur, daher dan
das fegfeur ist erfunden und uf solchen sandigten
grund uferbawet worden die closter, stifte, seelmeß,
vigihen, begengnußen, jartage, bruderschaften etc. 78,
alles wider denn verdienst Christi, Gal. 3 [13]. Daher
dan die meß schier allein fur die toten gepraucht
worden ist, so doch Cliristus das sacrament allein
fur die lebendigen gestift hat.
Zum vierten ist der erbermhch und cleghch miß-
brauch aufkommen, die beraubung der einen gestalt
des kelchs, den man denn layen entzogen hat 79
wider denn offenthchen text 1. Cor. 11 [25].
Zum funften, so ist enthch aus der meß ein un-
eydenlicher jarmarkt, kremerey 80 und kaufman-
77 Erlösung, Yergebung der Sünden und Gnade ist
durch das Leiden Christi am Kreuz erworben (Gal
3, 13); die Gerechtigkeit kommt nur aus dem Glau-
ben (Gal 3, 8f.).
78 Klöster und Stifte erhielten Stiftungen und Pfrün-
den für Seelmessen. - ,,Vigil ist in diesem Zusam-
menhang das Totenoffizium — ein Gebetsgottes-
dienst des Breviers -, das von der Seelenmesse (missa
de requiem) unterschieden ist und wie diese zur
Wiederholung (meist am Jahrestag des Todes) ge-
stiftet wurde.“ (Sehling 11, 94 Amn. 35 mit Lit.) -
Begängnis = Seelmesse (Grimm 1, 1278). — Bruder-
schaft waren unter anderem Vereinigungen von
Geistlichen und Laien, die in Gebet und Messen Tod
und Jahresgedächtnis der Mitglieder begingen. Die
Brüder wurden im Liber vitae aufgezeichnet (Liste
der beim Opfer zu nennenden Lebenden undToten).
(RGG 1, 1428f., Sehling 11, 94, Anm. 36.)
79 Die Kommunion unter einer Gestalt setzte sich seit
dem 12. Jahrh. allmählich durch. ,,Nicht die Prie-
ster haben den Laien den Kelch entzogen, sondern
die Laienfrömmigkeit gab ihn weithin preis, die
Kirche nahm ihn dann vollends hinweg.“ (RGG 1,
27.)
80 Apologie, Von den Messen für die Toten: „Jahr-
markt und sonderlich unsägliche Kretzmerei“
(BSLK 373). Brand. KO 1533: „kremerei“ (Sehling
11, 182).
schaft worden, da der meßhelter die privatmeß nur
umb der prebenden willen helt und andern verkauft
umbs gelt.
Solche simoney 81 und andere dergleychen pro-
phanationes und mißbreuch mehr, so offentlich
wider die heyhgen geschrift, Gottes wort und die
alten cathoüschen kirchen, seind kainswegs zu ley-
den, uf das nicht umb solcher mißpreuch, abgotterey,
aberglaubens und gottslesterung willen Gott der
Almechtig schwerlich uber uns werde erzurnet und
mit grewhcher straff vonwegen solcher prophana-
tion seines heyhgen testaments uns heymsuche, wie
er dann teghch durch den Turken tut 82 und ye und
alwegen die welt umb solcher sunden wihen ge-
strafft hat.
[9.] Agenda oder ampt der
evangelischen meß
Zum ersten soll der pfarrherr in seinem ornat und
kirchengewand 83 vor deim altar kommen, nider-
knyen und das reine Confiteor lateinisch betten 84.
Indes soll der schulmaynster sampt den schulern
denn introitum latehhsch singen de tempore, aber
ahem die, so der heyhgen geschrift gemeß sind 85.
81 Praebende wird im Dekretalenrecht mit Benefizium
gleichgesetzt und bezeichnet jede Pfründe. Die Ein-
richtung der Altaristen oder Benefiziaten geht auf
die Seelgerätstiftungen vor allem bürgerlicher Pa-
rniüen, von Zünften und Gesellschaften zurück, die
Altäre und Kapellen errichtet und mit Kapitalien
zur regelmäßigen Abhaltung von Messen dotiert
hatten. (H.E. Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte,
5. Aufl. 421 f.) Simonie (nach dem Magier Simon
Apg. 8, 18 ff.) ist unter anderem die Erteilung von
Sakramenten für Geld. Bei den Meßstipendien liegt
nach römischem Recht keine Simonie vor. (RGG
4, 907 und 6, 40. - K. Mörsdorf, Erwägungen zum
Begriff und zur Rechtfertigung des Meßstipendiums.
In: Theologie in Geschichte und Gegenwart, Fest-
schr. f. M. Schmaus, 1957, 103-122.)
82 Die Türken machten Angriffe von östlich von Drau
und Plattensee. 1551 hatten sie Tripolis erobert.
83 Siehe oben Anm. 16.
84 Confiteor ist das Sündenbekenntnis als Teil des Stu-
fengebetes (Jungmann 1, 386-402). Hier ist das
Stück aus der Messe gemeint, während in der Brand.
KO 1533 (Sehling 11, 188) nur ein entsprechendes
Stück gefordert war.
85 In Brand. KO 1533 ist bei Fehlen lateinischer
Schulen deutscher Gesang erlaubt. In Hohenlohe
dachte man an Öhringen.
68
ber, das dem meßleser, meßhorer oder fur welchen
man daßelbig appliciret und meß hset, auch in ab-
wesen, solle und konne nutzlich und erschießlich
sem, dardurch zu erwerben und zu erlangen ver-
gebung der sunden, gnade und das ewige leben, ja
auch alles zeithch gluck und dardurch auch alles
unglucks loß zu werden an leyb, seel, ehr und gut
wider das leyden Christi, Gall. 3 [13] 77.
Zum di'itten ist die meß ein satißfaction, gnug-
tuung und bezalung worden fur die uberigen, un-
gebusten sunde der seelen im feegfeur, daher dan
das fegfeur ist erfunden und uf solchen sandigten
grund uferbawet worden die closter, stifte, seelmeß,
vigihen, begengnußen, jartage, bruderschaften etc. 78,
alles wider denn verdienst Christi, Gal. 3 [13]. Daher
dan die meß schier allein fur die toten gepraucht
worden ist, so doch Cliristus das sacrament allein
fur die lebendigen gestift hat.
Zum vierten ist der erbermhch und cleghch miß-
brauch aufkommen, die beraubung der einen gestalt
des kelchs, den man denn layen entzogen hat 79
wider denn offenthchen text 1. Cor. 11 [25].
Zum funften, so ist enthch aus der meß ein un-
eydenlicher jarmarkt, kremerey 80 und kaufman-
77 Erlösung, Yergebung der Sünden und Gnade ist
durch das Leiden Christi am Kreuz erworben (Gal
3, 13); die Gerechtigkeit kommt nur aus dem Glau-
ben (Gal 3, 8f.).
78 Klöster und Stifte erhielten Stiftungen und Pfrün-
den für Seelmessen. - ,,Vigil ist in diesem Zusam-
menhang das Totenoffizium — ein Gebetsgottes-
dienst des Breviers -, das von der Seelenmesse (missa
de requiem) unterschieden ist und wie diese zur
Wiederholung (meist am Jahrestag des Todes) ge-
stiftet wurde.“ (Sehling 11, 94 Amn. 35 mit Lit.) -
Begängnis = Seelmesse (Grimm 1, 1278). — Bruder-
schaft waren unter anderem Vereinigungen von
Geistlichen und Laien, die in Gebet und Messen Tod
und Jahresgedächtnis der Mitglieder begingen. Die
Brüder wurden im Liber vitae aufgezeichnet (Liste
der beim Opfer zu nennenden Lebenden undToten).
(RGG 1, 1428f., Sehling 11, 94, Anm. 36.)
79 Die Kommunion unter einer Gestalt setzte sich seit
dem 12. Jahrh. allmählich durch. ,,Nicht die Prie-
ster haben den Laien den Kelch entzogen, sondern
die Laienfrömmigkeit gab ihn weithin preis, die
Kirche nahm ihn dann vollends hinweg.“ (RGG 1,
27.)
80 Apologie, Von den Messen für die Toten: „Jahr-
markt und sonderlich unsägliche Kretzmerei“
(BSLK 373). Brand. KO 1533: „kremerei“ (Sehling
11, 182).
schaft worden, da der meßhelter die privatmeß nur
umb der prebenden willen helt und andern verkauft
umbs gelt.
Solche simoney 81 und andere dergleychen pro-
phanationes und mißbreuch mehr, so offentlich
wider die heyhgen geschrift, Gottes wort und die
alten cathoüschen kirchen, seind kainswegs zu ley-
den, uf das nicht umb solcher mißpreuch, abgotterey,
aberglaubens und gottslesterung willen Gott der
Almechtig schwerlich uber uns werde erzurnet und
mit grewhcher straff vonwegen solcher prophana-
tion seines heyhgen testaments uns heymsuche, wie
er dann teghch durch den Turken tut 82 und ye und
alwegen die welt umb solcher sunden wihen ge-
strafft hat.
[9.] Agenda oder ampt der
evangelischen meß
Zum ersten soll der pfarrherr in seinem ornat und
kirchengewand 83 vor deim altar kommen, nider-
knyen und das reine Confiteor lateinisch betten 84.
Indes soll der schulmaynster sampt den schulern
denn introitum latehhsch singen de tempore, aber
ahem die, so der heyhgen geschrift gemeß sind 85.
81 Praebende wird im Dekretalenrecht mit Benefizium
gleichgesetzt und bezeichnet jede Pfründe. Die Ein-
richtung der Altaristen oder Benefiziaten geht auf
die Seelgerätstiftungen vor allem bürgerlicher Pa-
rniüen, von Zünften und Gesellschaften zurück, die
Altäre und Kapellen errichtet und mit Kapitalien
zur regelmäßigen Abhaltung von Messen dotiert
hatten. (H.E. Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte,
5. Aufl. 421 f.) Simonie (nach dem Magier Simon
Apg. 8, 18 ff.) ist unter anderem die Erteilung von
Sakramenten für Geld. Bei den Meßstipendien liegt
nach römischem Recht keine Simonie vor. (RGG
4, 907 und 6, 40. - K. Mörsdorf, Erwägungen zum
Begriff und zur Rechtfertigung des Meßstipendiums.
In: Theologie in Geschichte und Gegenwart, Fest-
schr. f. M. Schmaus, 1957, 103-122.)
82 Die Türken machten Angriffe von östlich von Drau
und Plattensee. 1551 hatten sie Tripolis erobert.
83 Siehe oben Anm. 16.
84 Confiteor ist das Sündenbekenntnis als Teil des Stu-
fengebetes (Jungmann 1, 386-402). Hier ist das
Stück aus der Messe gemeint, während in der Brand.
KO 1533 (Sehling 11, 188) nur ein entsprechendes
Stück gefordert war.
85 In Brand. KO 1533 ist bei Fehlen lateinischer
Schulen deutscher Gesang erlaubt. In Hohenlohe
dachte man an Öhringen.
68