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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Franz, Gunther [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (15. Band = Württemberg, 1. Teil): Grafschaft Hohenlohe — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.30654#0330
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25. Kirchenordnung 1578

meine liebe kindlein, warumb wir getauft sind. Nun
habt ir aber vor gehört, daß wir in der taufe new
geborn werden. Das geschicht darumb, daß wir m
der ersten geburt, da wir von vatter und mutter ge-
boren sind, alle miteinander in sünden geboren sind
und haben die siind mit uns auß mutterleibe ge-
bracht, wie ir vor in den zehen gebotten, sönderlich
im letzten gebot, fein gelernet habt. Denn wie der
Adam gesündiget hat und durch die sünd verderbt
worden ist, daß er von ihm selbs nicht mehr fromb
und gerecht werden kont, also sind auch seine kin-
der alle sünder geborn und können von ihn selbs
nicht fromb werden, sonder sind zum bösen geneiget
zu aller zeit, Genesis am 6. [5]. Darumb spricht der
heilig Paulus, Ephes. 2 [3]: Wir waren alle kinder des
zorns von natur, das ist, Gott zürnet mit uns von
unser siinden wegen, die uns von natur angeboren
ist. Dieweil wir aber getauft [183 b] sind und durch
die tauf new geborn, so ist uns die sünde vergeben
und der Heilig Geist eingegossen, der uns wider
fromb machet und zum guten hilft und treibt.

Darumb, meine liebe kindlein, ist es nichts anders,
wenn sich ein mensch taufen lest, denn daß er be-
kennet, er sey ein siinder geborn und die siind sey
sein herr, also daß er von im selbs nicht fromm wer-
den könne, sonder Gott müß im darzu helfen. Darum
kompt er zu der taufe und sucht hilf und rat, bittet
zum ersten, daß im Gott die sünde wöll vergeben,
darnach, claß er im der sünd auch wöll abhelfen,
wie ein artzt einem kranken seiner krankheit ab-
hilft. Dargegen muß er denn bewilligen und zusagen,
daß er dei sünde mit all seinen kreften widerstand
tun und gern leyden wöll alles das, das ihm Gott zu
leiden aufieget, ja das er zuletzt auch gar sterben
wöll, auf das ihm nur geholfen werde, daß er der
sünde abkomme. Denn Gott vergibt uns die sünde
durch clen glauben, aber durch leyden und sterben
nimpt er sie hhiweg und tilget sie auß, wie Petrus zeu-
get und spricht, 1. Petri 4 [1]: Wer am fleisch leydet,
der höret auf von sünden. Und Paulus Roma. 6 [7]:
Wer gestorben ist, der ist gerechtfertiget von sünden.

1 In Stuttgarter Ex. hs. Zufügung (nach KO 1578
Kap. 4): in die ganze welt. Matth. 28 [19] omittun-
tur haec verba.

Solche gedanken und ein solchen sinn, meine liebe
kindlein, müssen alle die haben, denen die empfan-
[184]gene tauf zu nutz kommen soll. Darumb, weil ir
alle getauft seyd, so gedenkt auch, daß ihr in solchem
bekantnuß und fürsatz bleibt, und bekennet Gott,
daß ir arme sünder seyd, last euch dasselbig leid
sein und bitt in, daß er euch der sünde wöll abhelfen,
und werdet nicht wider böß, daß ir euch die sünd
wolgefallen liest 8 und mutwilliglich sündiget, sonder
seyd fromb und leidet gern, was euch Gott zu leiden
zuschicket. Denn wenn ir das tut, so wird euch
die tauf nütz sein und wird Gott alles an euch
volenden, was er in der tauf mit euch angefangen
hat.

Dargegen merkt nun auch mit fleiß, meine liebe
kindlein, was Gott mit uns durcli die tauf handelt.
Denn die tauf ist nit allein ein schlechts wasser,
sonder sie ist ein wasser, in Gottes gebot gefast und
mit Gottes wort verbunden. Darumb wirkt sie auch
an uns alles das, dazu sie Gott hat eingesetzt. Denn
unser herr Christus spricht [Mt 28, 19]: Gehet hin 1
und leret alle völker und taufet sie im namen des
Vatters und des Sons und des Heiligen Geists, wie ir
vor gehört habt, und umb dises befelchs willen
wirket die tauf kreftiglich an uns als ein werk Gottes.
Denn wir werden in Gottes namen getauft; das ist
denn eben als vil, als taufet uns Gott selbs. Darumb
sollen wir nit aufs wasser sehen, sondern auf Gott,
der die wassertauf eingesetzet und in seinem namen
zu tun be[184b]folhen hat. Denn er ist allmechtig
und kan wol durch die tauf außrichten und in uns
wirken alles das, darzu ers hat eingesetzt, obs gleich
unser vernunft nicht begreifet. Darumb merket mit
fleiß, was uns Gott der Herr widerumb in der
tauf für grosse güter und woltat zusagt und mit-
teilt.

Denn zum ersten wird uns in der tauf die sünd
vergeben, wie der heilig Petrus leret in Geschichten 9
am 2. capitel [38] und spricht: Laß sich ein jeder
taufen auf vergebung der sünde.

Zunl andern wird uns der Heilige Geist geben, der

8 Brand. KO 1533 (Sehling 11, 268): lest.

9 = Apostelgeschichte (Acta).

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