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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Franz, Gunther [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (15. Band = Württemberg, 1. Teil): Grafschaft Hohenlohe — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.30654#0338
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25. Kirchenordnung 1578

nicht, so halt ihn als ein heyden und zöllner. Warlich,
was ihr auf erden binden werdet, soll auch im himel
gebunden sein. Und was ihr auf erden lösen werdet,
das sol auch im himel loß sein.

In hermlichen sünden aber zeiget er uns mit der
tat, wie man sie brauchen sol, als da er dem gicht-
brüchigen, der da hilf begeret, also saget, Marc. 2
[5], Luc. 5 [20] c: Mein son, dem siind sind dir yer-
geben. Und da er zu den verstockten Juden sprach,
Johan. 9 [41]: Weret ir blind, so hettet ir kein siind.
Nun ihr aber sprecht: Wix sehen, so bleibet ewer
sünd, das ist, sie wird euch nicht vergeben. [193 b]

Zum dritten, so gibt er auch die schlüssel nach
seiner auferstehung, wie er vorhin zugesagt hat,
denn er bließ seine jünger an und sprach [Joh 20,
22 f.]: Nemet hin den Heiligen Geist. Welchen ir die
sünd vergebt, den sind sie vergeben.

Dieweil Christus die schlüssel zum himel so tröst-
lich zugesagt und iren brauch so fleissig gelert und
sie zuletzt so trewlich und ordenlich geben, befolhen
und eingesetzt hat, so sollen wirs m keinen weg ver-
achten, sonder mit aller dankbarkeit annemen und
ihr gebrauchen.

Denn das solt ir wissen, meine liebe kindlein, daß
es gar nichts taug, wenn jemand nach der tauf wider
in grosse und schwere sünde fellet, daß ers wolt ver-
achten und also dahin gehen und sich lassen be-
dünken, es wer im vergeben. Denn ein solcher loser
dunkel ist viel zu schwach darzu, daß er des Teufels
anfechtung in todtsnöten solt widerstand tun; son-
der man muß Gottes wort und werk haben, die da
anzeigen und bezeugen, daß uns die siinde vergeben
sey, das ist, man sol vergebung der sünd suchen und

e So richtig in Brand. KO 1533 am Rand (Sehling 11,

274). In A (KO 1578) statt dessen unten: Luc. 5 und

Johan. 9.

Wo hat Christus die schlüssel seinen aposteln ge-
geben und überantwortet?

Johan. 20 [22 f.], nach seiner auferstehung, da er sie
anbließ und sprach: Nemet hin den Heyligen Geist.
Welchen ihr die sünde vergebet etc.

Wieviel schlüssel hat Christus seinen dienern ge-
geben?

Zwene: ein lößschlüssel und ein bindschlüssel.

Für welche leute gehört der lößschlüssel?

Für diejenigen, die nach der taufe wider in grosse,
schwere sünde gefallen sind. Dann die sollen nicht da-
liin gehen und sich lassen gedunken, es were ihnen ver-
geben; dann ein solcher dünkel ist viel zu schwach

holen bey den dienern der kirchen, welchen Christus
die schlüssel geben und zugesagt hat. Wem sie die
sünd auf erden vergeben, dem sollen sie auch im
himel vergeben sein.

Deßgleichen taug es noch viel weniger, wenn
je[194]mand in öffentlichen sünden verharret, ge-
denkt sich nicht zu bessern und wolt dennoch ein
Christ sein und mit den andern zu gemeinen sacra-
menten, gebeten und gottesdiensten gehen, sonder
man sol ihn vermanen und, wenn ers rdcht höret,
soll man in außschliessen und in bann tun, so lang
biß er sich bessert, auf daß nicht das öffentlich böse
exempel ergernuß brmge und viel leut vergifft und
darnach die christlich kirch dardurch veracht, ver-
schmecht und verlestert werde, als seyen es schend-
liche, böse leut, die ein sündig, gottloß leben füren.
Dardurch denn auch Gottes wort und Gott selbs bey
den unglaubigen veracht und verlestert würde.

Wiewol nun solche feme, heilsame, göttliche ord-
nung, die öffentlichen, ergerlichen sünd zu straffen,
gantz und gar zerrüt, verwüst und untergedruckt
ist, so sollen wir doch darumb den gewalt und
brauch der schliissel nicht verachten und hinwerfen.
Denn die solche unordnung angericht haben und
noch heutigs tages hmdern, daß es nicht gebessert
wird, die werden ihren richter wol finden; das darf
keins zweifels. Wir aber wollen Gott bitten, daß er
uns dise und andere gute ordnung, die er selbs ge-
macht hat, wöl wider geben. Wie er uns auch sein
wort wider geben hat, so wird er uns gewißlich er-
hören und geweren.

Wenn nun jemand nach der tauf schwerlich ge-
[194b]sündiget hat, und es fichtet ihn in seinem ge-

darzu, daß er deß Teufels anfechtung in todesnöten
solte widerstand tun; sondern man muß G-ottes wort
und werk haben, die da anzeigen und hezeugen, daß
nns die sünde vergeben sey, das ist, man soll alsdann
vergebung der sünden suchen bey den dienern der kir-
chen, welchen Christus die schlüssel gegeben und zu-
gesaget hat; wem sie die sünde auf erden vergeben,
dem sollen sie auch im himmel vergeben seyn.

Für welche leute gehört der bindschlüssel ?

Für diejenigen, die in offentlichen sünden verharren,
gedenken sich nicht zu bessern und wollen dennoch
Christen sein und mit den andern zu gemeinen sacra-
menten, gebeten und gottesdiensren gehen. Diese soll
man vermanen und, wann sie es nicht hören, auß-
schliessen und in bann tun, solange, biß sie sich
bessern.

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