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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Franz, Gunther [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (15. Band = Württemberg, 1. Teil): Grafschaft Hohenlohe — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.30654#0420
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27. Konsistorialordnung 1579

sollen haben ein ieder iärlich fünfzig güldin * * 5. Aher
doch, da einer denn gradmn magistri annemmen 6 oder
sonsten wol studieren würde und von seinen eltern
kein hielff hette, solle ime entweders semel pro semper
oder zur gewißen addition, so lang er uf der universitet
ist, noch zehen güldin gereicht werden. Doch möchte
sich einer also anlassen oder seine elter hey unß also
verdient sein, wir möchten inne umb ein noch mehrehrs
hegnadigen.

Auf das dann die schuel zu Oringen in irem loblichen
wesen bleibe und nit algemach zergehe, wie leider da-
her geschicht a, wan diejhennigen, so der stipendien
genießen, ire kinder an andere örter in die particular-
schuelen tuen oder denn kindern die stipendia auß-
bitten, wann sie karnn das abc gelernt und noch in den
understen clasibus sitzen, so sollen die kleine stipendia
niemand dann allein dennen, so die schuel zu Oringen
visitirn, gereicht oder, da sie sich dessen weigern, alß-
bald der stipendien entsetzt werden und denen knaben,
die die zwo obersten classes 7, eoder wie wir sonsten
jedesmals bescheiden und ordnen e, erraicht haben,
gegeben werden, damit nicht ein fein ingenium, das
woll proficirt und die obersten classes erlangt hat,
dmch einen geringen knaben deß stipendii beraubt
und vielleicht gar von den stüdiis abgetriben werden
müeße, wann er auß armuet ime nicht cost, kleidung
und büecher schaffen kann 8.

d A: geschickht.

e_e Zuerst von Hyso in D eingefügt.

5 20 und 50 fl. sind auch KO 1582 § G 1 vorgesehen.
Im Entwurf 1589/90, Titel 4 und 8 sind 40 fl. für die
kleinen und 60 (nach Magister 70) fl. für die großen
Stipendiaten vorgesehen. 1579 war also eine Summe
von jährlich etwa 750 fl. für alle Stipendiaten ge-
plant, 1589/90 waren es knapp 700 fl.

6 Den Magistergrad. erlangte man nach 2, spätestens
2 y2 Jahren studium philosophiae (Artes liberales,
Griechisch). Danach begann erst das Theologie-
studium mit Hebräischlernen. (Genaueres im Ent-
wmf 1589/90, Tit. 9.)

7 Die 1. und 2. Klasse der Lateinschule setzten ein
Alter von 10 oder 11 Jahren und die Fähigkeit,
,,seine grammaticam latinam etgraecam, ein latei-
nisch argument zu machen, auch fürters principia
dialectiae et rethorices zu hören“, voraus. Man blieb
2-3 Jahre dort, sollte aber nicht vor einem Alter von
15 Jahren zm Universität geschickt werden (Ent-
wurf 1589/90, Titel 2 u.a.).

8 In KO 1582 § G 1 ist auch erwähnt, daß Stipendien

für kleine Kinder, die nicht das ABC gelernt hätten,
ausgebeten worden seien; einige hätten gar nicht

studiert, ,,also das der uncosten und geld bey vilen
vergebens ufgewandt, andere knaben, bey denen es

besser angelegt gewesen, an irer underhaltung ver-
hindert worden.“ In der Vorrede des Entwmfs
1589/90 führte Micyllus aus, daß ,,noch vielen von

Weil auch in disen gefharlichen zeiten kirchen und
schuelen viel nutzlicher und besser ist, das predigampt
und die schueldienste mit landkindern und einheimi-
schen leuten, alß die von juugend auf der leher und
ceremonien unserer kirchen gewohnt und derowegen
zu frembder lehr und ungleichen ceremonien desto
wenniger geneigt sein, dann mit frembden und auß-
lendischen zu besezen 9, so sollen die obgenannte acht
stipendiaten auf der hohen schuel allein auf theolo-
giam gewidmet sein und mit derselben personnen der
herrschaft schuel- und kirchendienst bestelt und dero-
wegen, das man sie jedesmals zu suchen wisse, alle-
sampt nm uf eine hohe schuel geschickt 10 und daselb-
sten einem gewißen inspectori auß den professoribus
oder dem eltesten stipendiaten, sonderlich, da der-
selbe denn gradum magistri erlangt hette, bevolhen
werden. Welcher jarlich von iren studüs und leben an
uns einmal schrieftlichen bericht tun solle, ob auch das
gelt bey einem ieden woll angelegt seie und wan man
in zu kirchen- und schueldiensten gebrauchen könne;
der inen auch etwan in einem monat einmal scripta
emendire 11, sie umb ubelhaltens willen straffe und
ketzerischer büecher zu lesen und frembde studia, dann
latinas, graecas et hebraicas hnguas und theologiam,
zu studieren abhalte. Und mögen solche stipendiaten
auf der academia aufs lengste vier oder fünf jhar ge-
lassen werden.

unsern styft Öringenn stipendia gereicht werde,
welche entweder in andern politischen diensten sich
verhalten, eines teils gantz dienstlos sein, eines teils
auch keine kinder haben, so darinnen zm schulen
gehalten würden.“ Zum Teil waren die Gelder nicht
als Stipendien, sondern als Begnadigung ,,oder in
andere weg“ gegeben worden. In Zukunft sollte auch
in jeder Familie nur ein Sohn ein Stipendium erhal-
ten (Bl. 3b). Etliche Stipendiaten wurden von ihren
Eltern in die deutsche Schule oder in gar keine
Schule geschickt (Bl. 8 a).

9 Dieser Gedankengang findet sich auch KO 1582 § G 1
und (dramatisiert) irn Entwurf .1589/90, Einleitung:
Schädliche Veränderung mit unwiederbringlichem
Schaden sei dadmch entstanden, daß die Grafen
fremde Kirchen- und Schuldiener einstellen mußten,
mal diesen, dann einen andern ,,landfährer, wohero
dieselben auch kommen, ohne underschied, auch
ohne habende redliche aufgelegte abschied ihrer lehr
und wandels halb zu kirchen- und schuldiensten auf-
und angenommen.“ Die „zarte und blühende Ju-
gend“ und die ganze Gemeinde sei von falschen
Lehren und schädlichen Irrtümern ergriffen worden.

10 In dem Entwurf 1589/90 Titel 8 heißt es: ,,wie wir
dan biß anhero mehrerteils unsere stipendiaten gehnt
Wietenberg verschickt haben, der ends die zerung
am ringsten zu bekommen, auch das studium theolo-
gicum noch rein und unverfelscht dociert und gelehrt
ist worden“.

11 emendare = berichtigen, verbessern.

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