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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Franz, Gunther [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (15. Band = Württemberg, 1. Teil): Grafschaft Hohenlohe — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.30654#0459
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B. Generalartikel

[1.] Vom catechißmo

Dieweil die feyertag nicht allein zum halbteil,
sonder gantz gefeiret werden und die jugend nach
dem morgenmahl, wie auch die alten selbst, muesig
gehen und die zeit mit uppigkeit und allerley leicht-
fertigkeit zubringen, so ordnen und befehlen wir,
das ein jeder pfarrherr und kirchendiener uf allen
und ieden feyertagen nit wenigers als am sontag den
catechißmum mit der jugend halten a und die fragen
und die geseng vor und nach der predig, auch die
gebett halten, uben und sprechen sollen, außerthalb,
das er uf die feyerteg kein predig lesen darf b, dero-
halben auch die repetition und der gantze actus
nicht uber ein halbe stuncl weren solle 1.

Und nachdem in gehaltener visitation an allen
orten befunden, das clie catechißmuspredigt c von
alten und jungen personen unfieisig besucht und
etwan darvon durch schießen, zechen, kugien,
spilen, spaciren, nescherey, vor den turen sitzen,
fenster ausgucken, leichtfertige schwetzerein und
dergleichen abgehalten werden cl, so ist unser be-
velch, das zuvorderst ein jeglicher kirchendiener in
seiner pfarr ebensowol die ältern, hausvatter und
-mutter, als die knecht, magd und kinder ernsthch
ermahnen sollen, das sie dieselbige vleisig zu solcher
auslegung, lernung und ubung cles catechißmi
schicken, auch selbst darzukomen und solche nicht
verseumen sollen, auch die alten sich nicht schemen
oder beschweren, die fragen und andwort aus dem
catechißmo fein heimblich nachzusprechen, darmit
sie solchen allgemach auch lernen oder dannach
auch zum wenigsten etwas darvon wißen zu sagen,
wann sie der pfarrherr zur zeit, wann sie sich des
heiligen abendmahls gebrauchen und antzeigen
wöllen, befragen,

a Bis hierher fast wörtlich aus Prot. 1581.
b Entscheidung der Herrschaft gegen Prot. 1581, Art.
3: Uf die feyrtagnachmittag soll allein der catechis-
mus mit der jugent exercirt und uf solche tag zu-
maln kein predigt gelesen werden.
c Prot. 1581, Art. 17: der catechismus.
d Bis hier fast wörtlich aus Prot. 1581, Art. 17.
e Letzter Satzteil aus Prot. 1581, Art. 17.
ea Prot. 1581, Art. 17 kürzer: die obrigkeit auch das
schießen an sonn- und feyertagen also angestelt,
das hierdurch niemand vom catechismo abgezo-
gen, sonder erst nachdem derselb gehalten wurde

dartzu die ältern daheim die kinder uncl gesincl
fragen sollen, was sie aus dem catechißmo oder
deßelben fragen uncl andwort behalten, insonclerheit
aber die hausvätter und hausmutter auch ange-
mahnet werden, clas sie ihre kincler, knaben uncl
megdlein, zur schuelen, da sie verhanden (wie wir
dann in den meisten und grösten flecken in unserer
graffschaft solche angerichtet), vleisig schicken, uf
das sie under anderm auch den cateehißmum fur
sich auswenclig lernen uncl andern vorlesen und vor-
beten könden. Dann da clas nicht beschehe und die
kinder und ehehalten 2 daran versaumbt, werden sie
schwere rechenschaft am jungsten tag darumb
geben mußen e.

Und damit auch wir als clie obrigkeit hierinnen
an unserm vlais nichtzit erwinden laßen und durch
andere kurtzweil wecler junge ocler alte am cate-
chißmo nit abgehalten werden ocler ursach haben,
solchen sachen nachzuwandern, so wöllen Avir hiemit
einem ieden unserm amptsdiener ernstlich bevolilen
haben, von unsertAvegen in seinem anbefohlenen
ampt alles und jedes schießen, zechen, kngeln,
spilen, spaciren, vor den turen zu sitzen, leichtfertige
schwatzereien, auch anclere kurtzweil vor und in der
catechißmi predigt an sonn- und feyertag, solang
die weren, zu verbieten, auch nicht gestatten vorzu-
nehmen oder dergleichen etwas zu geschehen, bey
straff eines ort 3 eines guldens, den ein jeder geben
soll, so schiesend, zechend, kuglend und spilend
befunden ea, die aber spaciren oder vor den turen
sitzen oder sonsten uf den kirchhöffen, vor oder
under clem tor, ratheusern oder dergleichen orten
stehend bedretten 4, wie dann auch megdlein und
bueben, magd und junge gesellen, in solcher zeit uf
dem velcl spacirend gesehen oder befunden, jedes-
mals und ein iedes insonclerheit ein halben batzen 5

angefangen, entlich auch die herschaft ein gewißen
straff auf die uberdretter gesetzt und auch un-
nachleßlich exequirt.

1 Die Bestimmung über die Haltung des Katechismus
an Peiertagen ist eine Präzisierung zu KO 1578,
Kap. 4, die Zeitbegrenzung eine Näherbestimmung
der Ermahnung zu „müglicher kürtze“.

2 = Dienstboten.

3 = 1 Viertel.

4 betreten = einen (auf frischer Tat) antreffen.

6 y2 Batzen = 2 Kreuzer oder 8 Pfennige.

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