43. Polizei- und Rügordnung 1588
ohne wißen und willen der elter und vormunder be-
schehe, soll ein weg alß denn andern die straff fur-
genommen werden.
[8. Von denn verbottenen graden der blutfreund-
schaft und schwagerschaft. - 9. Von heyratsab-
reden und einkindschaften. - 10. Von hochzeiten
und schenkung, auch taufsuppen. Siehe EheO. 1572,
Nr. 19a, S. 180-93.]
11. Von fassnachtsküchlin
und kirchweyhen 31
Nachdem vor jarn und noch an villen orten dem
gemainen rnann ein großer uncost daruf gelaufen,
das faßnachtkiechlin und kirchweyhprey 32 zue ge-
ben, welches sie volgends mit ihren weib und kindern
ethche wochen an ihren mäulern ersparen müßen,
uncl clann die faßnacht und kirchweihen ein heyd-
nischer und jüdischer gebrauch 33, in welcher sich
allerhand unzucht, buberey, abgötterey uncl andere
31 Aus Casteller PO. Zu den Faßnachtsküchlein siehe
PO 1571, Nr. 17. — Am 21. 4. 1586 haben Stadtmei-
ster und Rat von Schwäbisch Hall den Grafen
Anna, Wolfgang und Georg Friedrich von Hohen-
lohe mitgeteilt, daß sie in der ganzen Landwehr bei
Haller Untertanen die Kirchweihen ganz und gar
verbieten ließen. In Untermünkheim hätten Hohen-
lohe und Hall gemeinsamen Kirchweihschutz und
möge Hohenlohe auch ein Verbot aussprechen (PA
98, 4, 6). Der Haller Befehl vom 8. 4. 1586 führte als
Yerbotsgründe an: übermäßiges Essen, Trinken,
Unkosten, Gottesschwören, Spielen, „Leibsbeschedi-
gung“, Unzucht, Treiben von Landstreichern und
Bettlern; schwere, teure und gefährliche Zeiten.
32 Kirchweihbrei, „welcher lieblich und süß, denotat
aeternam felicitatem“ (Ulm 1640; Fischer 4, 410f.),
ein Hirsebrei, durfte bei keinem ordentlichen Kirch-
weihmahl fehlen. (Schmeller 1, 353). Der Kirchweih-
brei diente auch als Abgabe, besonders an Priester
bzw. Pfarrer (vgl. Fischer 2, 975). Wenn ein solcher
Brei als besonders üppige Festmahlzeit galt, wird
deutlich, in welchem krassen Gegensatz die Hoch-
zeitsmähler zum kargen täglichen Leben standen.
33 „Erst dem Luthertum gelang auf weiten Strecken
des protestantischen Deutschlands die Ausschlach-
tung oder doch die Eindämmung fastnachtlichen
Brauchtums als einer heidnisch-römisch-papisti-
schen Entartung des Volkslebens und eines ,Gott
großen Gräuels 1.“ (Adolf Spamer, Deutsche Fast-
nachtsbräuche. Jena 1936, 52.)
34- 34 Castell: kirchweyhen zu halten.
35- 35 Castell: einer hohen buß. - „Wirklich wurden die
unordnung zuegetragen: so wöllen wir solche faß-
nacht und 34unordenliche vollerey, freßerey und
sauferey, auch andere ungebtihr, so sich auf denn
faßnachten, kirchweyen zuzutragen pflegen 34, aller-
dings verbotten haben, auch under demselbigen
namen weder kiechlin, denz, spill, mummereyen,
gastereyen, kremereyen oder derglaichen gedulden,
bey straff 35nemlich vier gülden 35.
Da auch unsere undertanen an andere ort uf faß-
nacht oder kirchweyen laufen werden, soll uns ein
jeder, so solches tuet, eß sey mann oder weib, und
uber ein tag der kirchweyh oder faßnachtküehlin
beywohnet, ein gülden straff verfallen sein. Welcher
auch jemands anzaigt, so darwider gehandelt, ihme
ein halb ort 36 von einem gulden gegeben werden 37.
12. Vom dantzen 38
AViewoll wir in der hailigen geschrift nit befinden,
das jemals daß dantzen sonderlich gerümbt und ge-
lobt, sonder vilmehr, das eß anraizung zue allerhand
Teilnehmer nachher gestraft, teils um Geld, teils mit
2 Tagen Narrenhäuslein.“ (Mayer, Zur Sitten-
geschichte des 16..Jh. WF 8 (1868-70), 49.)
36 1 Ort = 1 Viertel.
37 Satz fehlt in Castell. Zum Verbot der Kirchweihen
siehe folgende Anmerkung.
38 Siehe Nr. 35. Noch am 18. 4. 1588 richtete Graf
Wolfgang folgenden Befehl an die Amtsdiener (vgl.
Nr. 39): Wolfgang etc. Lieber getreuer. Demnach sich
leider ditz jar allerhand kriegsgeschrey wie auch an-
dere straffen Gottes tun eraigen, derwegen wir vil-
mehr ursach, seine almacht darvon zu bitten, weder
mit kirchweyhen, dentz und andern uppigkeiten
noch ferner zu erzürnen, so ist unser bevelch, du
wollest in allen deinen anbevohlenen ambtsflecken
die kirchweyhen und denze verbieten und genzlich
abschaffen. Daran etc. Datum W[eikersheim] 18.
Aprilis ao. [15]88. Konzept PA 127, 6. 1 Bl. Rück-
seite Vermerk: Bevelch an die amptsdiener... Bei
IJanß Hertwich nach Schrotzberg geschickt. - Im
Juli 1588 (präsentiert 31. 7. 1588) schrieb Graf
Friedrich in Langenburg an Graf Wolfgang (PA
127, 6), die Knechte und jungen Gesellen wollten an
Sonn- und Feiertagen nach den Morgen- und Mittags-
predigten (12-1 Uhr) einen Tanz halten und „Klein-
ode“ (Preise in Wettspielen) aufstecken. Von sich aus
wolle er keine Neuerung vornehmen. Graf Wolfgang
antwortete (Zettel vom 1. 8. 1588): „Ist gleichwol in
meinem embdern dergleichen ansuchen auch ge-
schehen. Ich habe aber biß dahero der zeit gelegen-
heit nach keine bewilliget.“ Unmittelbar darauf folg-
te die PolizeiO. - Am 26. 6. 1591 erließ Graf Wolf-
587
ohne wißen und willen der elter und vormunder be-
schehe, soll ein weg alß denn andern die straff fur-
genommen werden.
[8. Von denn verbottenen graden der blutfreund-
schaft und schwagerschaft. - 9. Von heyratsab-
reden und einkindschaften. - 10. Von hochzeiten
und schenkung, auch taufsuppen. Siehe EheO. 1572,
Nr. 19a, S. 180-93.]
11. Von fassnachtsküchlin
und kirchweyhen 31
Nachdem vor jarn und noch an villen orten dem
gemainen rnann ein großer uncost daruf gelaufen,
das faßnachtkiechlin und kirchweyhprey 32 zue ge-
ben, welches sie volgends mit ihren weib und kindern
ethche wochen an ihren mäulern ersparen müßen,
uncl clann die faßnacht und kirchweihen ein heyd-
nischer und jüdischer gebrauch 33, in welcher sich
allerhand unzucht, buberey, abgötterey uncl andere
31 Aus Casteller PO. Zu den Faßnachtsküchlein siehe
PO 1571, Nr. 17. — Am 21. 4. 1586 haben Stadtmei-
ster und Rat von Schwäbisch Hall den Grafen
Anna, Wolfgang und Georg Friedrich von Hohen-
lohe mitgeteilt, daß sie in der ganzen Landwehr bei
Haller Untertanen die Kirchweihen ganz und gar
verbieten ließen. In Untermünkheim hätten Hohen-
lohe und Hall gemeinsamen Kirchweihschutz und
möge Hohenlohe auch ein Verbot aussprechen (PA
98, 4, 6). Der Haller Befehl vom 8. 4. 1586 führte als
Yerbotsgründe an: übermäßiges Essen, Trinken,
Unkosten, Gottesschwören, Spielen, „Leibsbeschedi-
gung“, Unzucht, Treiben von Landstreichern und
Bettlern; schwere, teure und gefährliche Zeiten.
32 Kirchweihbrei, „welcher lieblich und süß, denotat
aeternam felicitatem“ (Ulm 1640; Fischer 4, 410f.),
ein Hirsebrei, durfte bei keinem ordentlichen Kirch-
weihmahl fehlen. (Schmeller 1, 353). Der Kirchweih-
brei diente auch als Abgabe, besonders an Priester
bzw. Pfarrer (vgl. Fischer 2, 975). Wenn ein solcher
Brei als besonders üppige Festmahlzeit galt, wird
deutlich, in welchem krassen Gegensatz die Hoch-
zeitsmähler zum kargen täglichen Leben standen.
33 „Erst dem Luthertum gelang auf weiten Strecken
des protestantischen Deutschlands die Ausschlach-
tung oder doch die Eindämmung fastnachtlichen
Brauchtums als einer heidnisch-römisch-papisti-
schen Entartung des Volkslebens und eines ,Gott
großen Gräuels 1.“ (Adolf Spamer, Deutsche Fast-
nachtsbräuche. Jena 1936, 52.)
34- 34 Castell: kirchweyhen zu halten.
35- 35 Castell: einer hohen buß. - „Wirklich wurden die
unordnung zuegetragen: so wöllen wir solche faß-
nacht und 34unordenliche vollerey, freßerey und
sauferey, auch andere ungebtihr, so sich auf denn
faßnachten, kirchweyen zuzutragen pflegen 34, aller-
dings verbotten haben, auch under demselbigen
namen weder kiechlin, denz, spill, mummereyen,
gastereyen, kremereyen oder derglaichen gedulden,
bey straff 35nemlich vier gülden 35.
Da auch unsere undertanen an andere ort uf faß-
nacht oder kirchweyen laufen werden, soll uns ein
jeder, so solches tuet, eß sey mann oder weib, und
uber ein tag der kirchweyh oder faßnachtküehlin
beywohnet, ein gülden straff verfallen sein. Welcher
auch jemands anzaigt, so darwider gehandelt, ihme
ein halb ort 36 von einem gulden gegeben werden 37.
12. Vom dantzen 38
AViewoll wir in der hailigen geschrift nit befinden,
das jemals daß dantzen sonderlich gerümbt und ge-
lobt, sonder vilmehr, das eß anraizung zue allerhand
Teilnehmer nachher gestraft, teils um Geld, teils mit
2 Tagen Narrenhäuslein.“ (Mayer, Zur Sitten-
geschichte des 16..Jh. WF 8 (1868-70), 49.)
36 1 Ort = 1 Viertel.
37 Satz fehlt in Castell. Zum Verbot der Kirchweihen
siehe folgende Anmerkung.
38 Siehe Nr. 35. Noch am 18. 4. 1588 richtete Graf
Wolfgang folgenden Befehl an die Amtsdiener (vgl.
Nr. 39): Wolfgang etc. Lieber getreuer. Demnach sich
leider ditz jar allerhand kriegsgeschrey wie auch an-
dere straffen Gottes tun eraigen, derwegen wir vil-
mehr ursach, seine almacht darvon zu bitten, weder
mit kirchweyhen, dentz und andern uppigkeiten
noch ferner zu erzürnen, so ist unser bevelch, du
wollest in allen deinen anbevohlenen ambtsflecken
die kirchweyhen und denze verbieten und genzlich
abschaffen. Daran etc. Datum W[eikersheim] 18.
Aprilis ao. [15]88. Konzept PA 127, 6. 1 Bl. Rück-
seite Vermerk: Bevelch an die amptsdiener... Bei
IJanß Hertwich nach Schrotzberg geschickt. - Im
Juli 1588 (präsentiert 31. 7. 1588) schrieb Graf
Friedrich in Langenburg an Graf Wolfgang (PA
127, 6), die Knechte und jungen Gesellen wollten an
Sonn- und Feiertagen nach den Morgen- und Mittags-
predigten (12-1 Uhr) einen Tanz halten und „Klein-
ode“ (Preise in Wettspielen) aufstecken. Von sich aus
wolle er keine Neuerung vornehmen. Graf Wolfgang
antwortete (Zettel vom 1. 8. 1588): „Ist gleichwol in
meinem embdern dergleichen ansuchen auch ge-
schehen. Ich habe aber biß dahero der zeit gelegen-
heit nach keine bewilliget.“ Unmittelbar darauf folg-
te die PolizeiO. - Am 26. 6. 1591 erließ Graf Wolf-
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