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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Franz, Gunther [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (15. Band = Württemberg, 1. Teil): Grafschaft Hohenlohe — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1977

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https://doi.org/10.11588/diglit.30654#0606
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43. Polizei- und Rügordnung 1588

unzucht und bösen begyrden gegeben 38a, so wöllen
wir doch m cler jugend zue einer ehrlichen freud, und
sonderlich uf denn hochzeiten, nsolches nicht gar ab-
schaffen, dergestalt, das uf clenn hochtzeiten 11 allwe-
gen von der freundschaft zwen betagter, erbarer
männer zue clem danz verordnet werden. welche ne-
ben dem biittel oder gemain knecht darob sein sollen,
damit alle unordnung, unzimlich, ungeschickt und
unzüchtig springen. verdrehen, herumbwerfen,
schreyen, angreifen und andere unzucht abgeschaft
und keinem, wer der sey, ohn einen rock oder kittel
in hosen und wammes zue clanzen gestattet werden.
Und soll man also uf denn hochtzeiten deß tags nit
über drey stund und nach dem nachteßen 39ein
stund dantzen, und an orten und pläzen, da sich
alle leichtfertigkait und zuschlag nit zu befharen 40,
doch daßelbe jedesmals mit vorwißen unsers arnpts-
dieners beschehe 39.

Zu glaicher gestalt, wann ehrlichen gesellschaften
oder sunst der jugencl zue gebührender zeit ein ehr-
danz 41 erlaubt würd, welches doch ohne unser oder
eines amptsdieners 42 auß unserm bevelch vorwißen
nit beschehen soll, so soll allwegen ein bescheidener
erbarer, betagter mann neben ainem büttel oder
gemayn knecht von dem amptsdiener 42 uf cler
däntzer kosten zu dem dantz verordnet werden, ihr
aufsehens, wie oben von der hochtzeit gemelt, zue
haben. Uncl sollen solche däntz, so nit uf hochtzei-
ten, tags nur drey stuncl und nachts nicht gehalten
werclen. Dennjänigen, so also zue denn dänzen ver-
ordnet, soll mit ernst eingebunden werden, wo sie
ein oder rnehr, mans- ocler frauenperson, alt oder

m E: doch, das. Fehlt C.
n~ n Fehlt B.

gang einen Befehl an den Keller zu Weikersheim
wegen des Tanzens (Konzept, PA 127, 6). Bürger,
Untertanen und junge Gesellen hätten geheten, daß
Sonntags von 3-7 Uhr Tanz und ,,Kleinode“ zu-
gelassen seien. Es heißt darin, „soferr sie zuvorderts
Gottes wort vleißig horen und die früe- und nach-
mittagspredigten oder kinderlehr ohne underlaß
besuchen, daß [wir ihnen] dan ain ehrlich freud und
kurtzweyl fern gönnen mögen“. Sofern der Kate-
chismusgottesdienst nicht beeinträchtigt wird, sol-
len Tänze (bis 6 Uhr) bewilligt und nach Ausweisung
der Rügordnung (der PolizeiO. 1588) durchgeführt
werden. Wenn neben den Tänzen „Kleinode“ ge-
halten werden, soll der Tanz his [47 Uhr erlaubt sein.

jung, unordenlich und untzuchtig ersehen und
befinden würden, solches alßbald abzueschaffen,
und welche sich darwider setzen und ungehorsam
ertzaigen wölten, 43von demselbigen ein halben
gülden zue straff erfordern, auch alßbald ohne eini-
gen verzug und nachlaß empfahen. Im fall er aber
ihnen nit geben wölte uncl könte 43, dieselbigen dem
schulthaisen antzaigen oder uf dem fußstapfen ge-
fängklich annemmen. Wöllen wir sie nach gelegen-
hait der verwürkung mit dem turn oder sunst
straffen.

Deßglaichen sollen sie uber bemelte stund nit
dantzen laßen, soncler alßbald die stunden voll-
endet und geschlagen, eß were uf hochtzeiten oder
sunsten, denn danz abschaffen. Würde aber einer
darieber dantzen und ihme nit wöllen wehren laßen,
soll er uns ein halben gülden 44 und nachts ain gulden
zu straff verfallen sein.

13. Vom voll- und zudrinken 1

Wir sehen layder täglich, das zu- und voUdrinken
fur kein sünd oder schand mehr, sonder ein ehrliche
tat will gehalten werden, so doch die füllerey ein ur-
sprung ist viler leichtfertigkait uncl laster, darauß 2
andere siind und schand entspringen, und vermög
cler hayligen schrift kein drunkener das reich Gottes
sehen würd 3, und also dem menschen an seiner seel
seligkeit, ehren, gunst, vernunft und gesundhait
nachteilig ist. Und wiewoll solch laster täglich in
denn kirchen genugsam gestrafft 4, so ist doch die

38a Mt 14, 1-12 (Mk 5, 14-29).

39-39 Castell: zwo stund dantzen.

40 Orte wie Scheuern, an denen die Gefahr unzüchtiger
Tänze und des Eindringens nicht geladener Gäste
besteht, sind verboten.

41 Hier „ehrbarer Tanz“, nicht speziell der Tanz mit
der Braut (Schmeller, Bayer. Wörterb. 1, 126).

42 Castell: schultheißen (2mal).

43-43 Fehlt Castell.

44 Statt „ein halben gülden“ Castell: eine kleine buß.

1 Das Kapitel stammt aus Castell. - Zui Sit.te des
Zutrinkens siehe PO 1556, Nr. 6, § 2.

2 Castell: + alle.

3 1 Kor 6, 10.

4 PO 1583, Nr. 33, § 12 waren die Pfarrer zu Predigten
gegen das Vollsaufen angehalten worden.

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