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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (16. Band = Baden-Württemberg, 2): Herzogtum Württemberg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2004

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https://doi.org/10.11588/diglit.30655#0045
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Einleitung

Die württembergische Kirchenordnung von 1536 hatte Einfluss auf die Ordnungen anderer Territorien und
Städte, so etwa auf die der Reichsstadt Giengen an der Brenz95.

9. Vorrede und Artikel für die Kirchenordnung 1536 (Text S. 129)
Johannes Brenz, dem die Kirchenordnung im Sommer 1535 auf seiner Durchreise in Stuttgart zur Begut-
achtung vorgelegt worden war, schlug einige Ergänzungen vor, die er in einem als Vorrede konzipierten
Text 1536 niederlegte. Brenz betonte darin die Notwendigkeit einer festen Ordnung für Predigt und Sakra-
mentenspendung und äußerte sich zu Fragen von Lehre, Sprache, Kleidung der Kirchendiener sowie von
Feiertagen. Die Lehre sollte ausschließlich an der Bibel orientiert sein, die Predigt nach dem Verständnis
der Confessio Augustana erfolgen. Bei der Frage nach deutscher oder lateinischer Sprache im Gottesdienst
entschied sich Brenz für eine unbeschränkte Beibehaltung des Lateinischen für die Latein lernende Jugend.
Die Kirchendiener sollten weiterhin den Chorrock tragen, um sich äußerlich von den Gemeindemitgliedern
abzuheben. Brenz hielt ferner an einer Ordnung des Kirchenjahrs mit zahlreichen Feiertagen fest96. Die
Anregungen, die Brenz in seiner Vorrede entwarf, wurden in der Kirchenordnung vermutlich wegen Herzog
Ulrichs persönlicher oberdeutscher Glaubenshaltung, die von Ambrosius Blarer unterstützt wurde, nicht
aufgegriffen97.

10. Visitationsordnung [Sommer 1535] (Text S. 136)
Sowohl die Kastenordnung, als auch die Kirchenordnung von 1536 sollten bei Gelegenheit einer Visitation
im ganzen Herzogtum eingeführt werden. Eine hierfür erforderliche Visitationsordnung hatte Herzog Ulrich
bereits 1535 in Auftrag gegeben, und 1536 legte Johannes Brenz den nahezu fertigen Entwurf dieser Ord-
nung vor98. Brenz kannte die Praxis der Visitation vermutlich aus Kursachsen, wo sie bereits seit 1527
bestand99. Er forderte die jährliche Visitation der Pfarreien durch eine Kommission, die den Pfarrern die
neue Kirchenordnung übergeben und darauf achten sollte, dass die Geistlichen deren Bestimmungen überall
in gleicher Weise nachkämen. Brenz hatte hierfür einen Fragenkatalog ausgearbeitet, nach dem die Kir-
chendiener und Amtleute hinsichtlich des Zustands der Pfarrei, des Kirchengebäudes, des Pfarrhauses und
der Schule befragt werden sollten.
Die Visitationen begannen Ende Januar 1536 in Stuttgart100. Als Visitatoren fungierten weltliche
Beamte, die von Fall zu Fall beauftragt wurden. In Stuttgart hatte Hans Konrad Thumb von Neu-
burg101 die erste Visitation vorgenommen, später trat Georg von Ow102 an seine Stelle und neben ihn der
Rentkammerrat Martin Nüttel103. In der Regel nahmen auch Schnepf und Blarer an den Visitationen teil.

S. 128-134. Druck der Kirchenordnung Markgraf
Georgs bei Sehling, EKO XI/1, S. 135-139. Druck der
Brandenburg-Nürnbergischen Kirchenordnung bei Osi-
ander, GA V, S. 40-49; vgl. Richter, EKO I,
Nr. XLII S. 266.
95 Waldenmaier, Gottesdienstordnungen, S. 106.
96 Vgl. Hartmann, Brenz, S. 154ff.; Rauscher, Refor-
mationsgeschichte, S. 135.
97 Melanchthon, Briefwechsel II, Nr. 1796; CR III,
Nr. 1474 S. 169-171; vgl. Hartmann, Brenz, S. 154f.;
Rauscher, Reformationsgeschichte, S. 136.
98 Vgl. Brecht, Ordnung, S. 21ff.; Hartmann, Schnepff,
S. 44; ders., Brenz, S. 156ff.; Reformation in Württem-
berg, S. 247.

99 Sehling, EKO I, S. 142-149.
100 Vgl. Hartmann, Brenz, S. 158. Einige Visitationspro-
tokolle zur Visitation der Jahre 1536 bis 1540 sind
gedruckt bei Rauscher, Visitationsakten.
101 Zu Hans Konrad Thumb von Neuburg siehe Bern-
hardt, Zentralbehörden, S. 675f.; Pfeilsticker, Die-
nerbuch I, § 1126.
102 Zu Georg von Ow zu Zimmern siehe Bernhardt, Zen-
tralbehörden, S. 532; Pfeilsticker, Dienerbuch I,
§§ 1130, 2484.
103 Zu Martin Nüttel siehe Bernhardt, Zentralbehörden,
S. 524f.; Pfeilsticker, Dienerbuch I, § 1684.

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