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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (16. Band = Baden-Württemberg, 2): Herzogtum Württemberg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2004

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https://doi.org/10.11588/diglit.30655#0102
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Württemberg

son oder sein dochter inwendig4 funff und zwentzig
Jaren nicht verhayradt und sie volgends selbs sich
mit personen, irem herkomen gemeß, verhayratten,
so mag der vatter nicht umb schidung solcher Ehe
klagenβ. Item, wan ein vatter auß unbillikait seinen
kindern zu verheyratten verbeut unnd inen kein Zu-
gelt geben will. Es achten aber die recht, das solchs
auch fur verbietten werd angesehen, wan der vatter
nicht gelegenhait zur hayradt suchetγ.
Item, so ein kind sich mit einer person on verwilli-
gung der eltern eelich verbunden und sich des eeli-
chen willens gegen derselben keins wegs, weder
durch gutlich underhaltung noch durch treuwort,
entschlagen will, so ist es schwerr, das man sie nicht
auff der eltern rechtlich anfechtung ledig zelen soll.
Noch vill schwerer ist es, sie mit gwalt voneinander
zuschaiden. Dan es ist kundtbar und offenbar, das
die Ehe ein beschaffen ding von gott ist, der mit
inwendiger, verborgner wirckung das gemüet zwey-
er personen zu sammen gattet, wie Gen. im andern
capittel5 steet. So nun die Jungen weder mit treu-
worten noch in andere weg | 257v | sich des entpfan-
gen eelichen willens gegen einander nicht entschla-
gen konnen, so ist es ein gutte vermuttung, solcher
will sey von gott beschaffen, dem billich die aigen-
sinnigkeit des vatters weychen soll. Unnd thut der
vatter recht daran, das er sein kind in solchem fall,
darmit nicht ergers vom kind gegangen, seins wil-
lens schalten und walten laße, wie Sant Paulus lee-
ret6: Ir vetter solt die kinder nicht zu Zorn raytzen
(das ist), ir solt mit euwerm aigensinigen gwalt den
kindern nicht ursach geben, etwas ubels auss Zorn
zuthon, etc. Darzu wurdt freylich kain vatter sich
besser duncken, dan der haylig patriarch Isaac ge-
wesen ist. So hatt on zweyfell auch kein vatter sein
kind weniger unachtsam versaumpt dan der selb.
Nichts dester weniger, als sein sun Esau zwey
α L[ex] si nepos § fi[nalis], et C. sequenti ff. de ritu
Nup[tiarum] [Dig. 23,2,9,1, ClCiv I, S. 331].
β Arg[umentum] Auten[tici] sed si post C. de inoffici[oso]
testa[mento] [Inst. II, 18; III, 28, ClCiv I, S. 22,
132-136; Dig. 5,2, ClCiv I, S. 108-111], In Auten[tici] et
cum de ap[pellatione] cog[noscitur] § causas in fine
[Nov. 115,11].

Eeweyber auß dem geschlecht der Hethitter name,
so ime, dem vater, nicht gefellig, liess er das selb
geschehenδ. Auch hatt Samson wider den willen sei-
ner eltern eins philisters dochter zum eeweyb geno-
men, unnd sagt die geschrift, seine eltern wisten
nicht, das es von gott ware, etc. Darumb geburt es
den eltern, sich nicht halsstarrigklich wider den ge-
setzten eelichen willen irer kinder zu legenε.
Hieruff, nachdem gottes gebott, kayserlich recht
und die naturlich billigkeit erfordern, das die kinder
zu irem eelichen hayratt die verwilligung der eltern
haben sollen, unnd doch die umbstend der eelichen
pflichtung der Jungen, so zu zeitten hinder wissen
unnd willen der eltern geschicht, sich mancherley
underschidlicher und solcher weyß begeben, das die-
selb pflichtung on willen der eltern kreftig geacht
wurdt, so würdt nicht fur gut angesehen, das den
eltern die heimlich Eepflichtung irer kinder eigens
gewalts zu zerreyssen gestadt und erlaubt, sonder
das beyd partheien für die E-| 258r | richter, daselbst
irer sach außtrag zu holen, gewisen werden sollen.
Demnach unnd darmit weder dem ungehorsamen
mutwillen der kinder noch dem unordenlichen schei-
den der eltern stat unnd raum geben werde, ist fur
nutzlich bedacht, das ein cristliche oberkeit mit ei-
nem offenlichen Mandat in der gantzen landschaft
gebietten laß, nemlich also und ongeverlich dises
lnhalts, das hinfüro kein kindt under funff und
zwentzig Jar seins alters on vorwissen und verwilli-
gung der eltern oder dero, so an der eltern statt or-
denlich als pfleger oder formünder gesetzt seyen,
sich selbs muttwilligklich unnd leichtfertiglich ver-
hayratten soll, mit angehengter ernstlicher straff, so
die Oberkait den mutwilliglich und on redlich ur-
sach uberfarenden unnachleßlich zufugen wolle.

γ ff de Ritu Nup[tiarum] L[ex] Qui liberos [Dig. 23,2,19,
ClCiv I, S. 331],
δ Gen 26 [34f.].
ε Iudi 14 [Ri 14,4].

4 Innerhalb,
5 Gen 2,24.
6 Eph 6,4.

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