Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (16. Band = Baden-Württemberg, 2): Herzogtum Württemberg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2004

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30655#0104
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Württemberg

mittere. Welcher ein weyb auß denen, so nach gwon-
lichen sitten zu nemen verbotten seind, zur Ehe
nimpt, der begeet ein incestum, etc.ζ
Zum dritten sagt das kayserlich Recht weytter:
Semper in coniunctionibus non solum quid liceat
considerandum est, sed et quod honestum est9.
Zum vierdten, das die umbligenden nachbaur, so
des evangeliums nicht bericht, auch die obergericht
im Romischen Reich den brauch, sich wider die bis
anher gewonlich gradus nicht zuverhayratten, noch
behalten.
Zum funften, das der gmein bebel zu diser Zeit so
verrucht unnd unverschaumpt ist, wo man im frey in
secundo gradu wider alte gebrauchte gwonhait zu
contrahieren zulast und haim setzt, so wurdt er auch
wollen in primo gradu zu contrahiern frey sein. Unnd
ist auß etlichen anzeigungen woll zu vermutten, das
die alten von der ursach wegen quartum gradum ver-
botten haben, darmit der tertius und secundus gra-
dus dester statlicher verbotten blibe.
Nun ist es eerlich, billich, auch gemeinem nutz und
friden dienstlich, so kain gefarlicheit der gwissen
furhanden, ein alten hergebrachten und lang ge-
ubten brauch zu behalten, kunftigen schaden unnd
unru, so den personen, die wider die gebreuchlichen
gradus eelich contrahiern, an den Obern gerichten
auch in ander weg widerfaren mochten, zu ver-
hüetten unnd dem ungezognen volck zu kainem un-
verschaumpten mutwillen statt und raum zu geben.
Darbey aber ist auch zubedencken, das dan-
nocht der eelich Contract im dritten oder vierdten
glied, so nicht auß-| 260r | trucklich in kayserlichen
Rechten verbotten ist, sich zu zeitten mit solchen
wichtigen, ansehenlichen umbstenden zutregt, das
die personen, so diser gstalt contrahirt haben, ein
ander mit guttem gwissen nicht verlassen konden
oder on andere farlicheit nicht gescheiden werden
mogen. Zu dem, das der Bapst selbs in disen und der
gleichen fellen zum oftern mall dispensirt und sein
aigin recht auffgehaben hatt, auch das kayserlich
ζ ff de ritu Nup[tiarum] L[ex] sororis § si quis
[Dig. 23,2,39, ClCiv I, S. 332],
η ff de ritu Nup[tiarum] L[ex] divus Marcus [Dig. 23,2,57,
ClCiv I, S. 334],

recht auß bedacht der nottigen umstend mit einem
weyb, das ire mutter bruder zu eim eegmahel geno-
men hett, gnedigklich dispensirtη. Hieruff wurdt für
guth angesehen, in das Mandat von heimlichen
eeglubdnussen auch disen Zusatz von den gradibus
prohibitis zu thon, nemlich: Das es in den eelichen
Contracten bey den gwonlichen glidern der sib-
schafft und magschaft10, so von alters her verbotten
gwesen sein, bleyben und niemands darwider freven-
lich sich mit dem gefreundten oder geschwegerten
elich verheyratten soll. So aber solchs unwissendt
geschehe, sollen die parthey sich selbs nit schaiden,
sonder fur die ordenlichen eerichter gewisen werden,
alda ein bschaid zu erholen. Wan dan den Eerich-
tern ein par volck, das im dritten oder vierdten glid
contrahiert hatt, furgestelt wurdt, so seyen am fur-
nemlichsten alle umbstend des selben contracts zu
bedencken unnd, so sichs erfindt, das solcher con-
tract yrgent auß mutwill geschehen, ist auch den
eltern oder den partheyen selbs nicht seer gefellig, so
sollen sie von einander ledig gezelt werden. | 260v | So
aber zu der verbundtnus auch das beyschlaffen ge-
scheen oder andere der gleichen umbstend vorhan-
den seyen, soll mit inen dispensirt und eelich zusa-
men gesprochen werden.
Der drit Artickel: In welchen fällen die Ehe zu
schaiden und der ander hayradt zu erlauben sey.
Antwort: In disem artickel wurdt erstlich disputirt
von dem Eebruch, ob von desselben wegen ein ehe
der gestalt geschaiden werden mög, das dem un-
schuldigen, sich widerumb zuverhayratten, bey le-
ben des andern frey sey.
Nun ist es offenbar und unlaugkbar, das durchs
kayserlich recht die ehe von wegen des bekanten
oder uber zeugten und bewerten Ehebruchs geschai-
den und nach der schidung dem unschuldigen man
alsbald, der unschuldigen frauwen aber in jars
frischt, hernach der ander hayradt erlaubt
wurdtθ.
9 Vgl. Dig 23,2,42, ClCiv I, S. 332.
10 Verwandtschaft.

86
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften