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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (17. Band, 2. Teilband = Baden-Württemberg, 4): Reutlingen, Ulm, Esslingen, Giengen, Biberach, Ravensburg, Wimpfen, Leutkirch, Bopfingen, Aalen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.30657#0447
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1. Eheordnung 1583

todt abgangen oder nicht, auch hernach solcher hin-
gezogner ehegemahl anheimbs19 kompt, darauß
dann allerley unrath, unrhue und weiterung erwach-
sen thuet. Solchem und anderem mehr dergleichen
leichtfertigen, ärgerlichen leben zufürkommen, so
ist eines ehrs[amen] raths will, mainung und befelch,
daß in künfftiger zeit kein mann- oder weibspersohn
in |21| abweesen oder sonnst noch im leben seines
ehegemahls ohne erlaubnus sich anderwerths wider

verheurathen soll bey straff leibs und guths nach
gestalt der sachen. Es sollen auch solche persohnen
ohne erlaubnus auf der cantzel nicht verkündiget
oder auch vor der gemeind ein solche ehe nit bestet-
tiget werden. Aber damit der unschuldigen persoh-
nen an ihrem gewißen geholffen werde, solle in sol-
chen fällen nach erkanntnus eines ehrlöbl. consisto-
rii alhie gehandelt werden.

Zum fünfften: Von eheschaidung

Demnach sich auch vilmahls begibt, daß |22| et-
wann die eheleuth ehebruchs halben, deßgleichen
andere persohnen versprochener Ehen und anderer
solcher sachen halben, für das ehegericht erwachsen
und sich aintweder vor demselben schaiden oder zu-
sammen erkennen zulaßen ansuechen, alß sollen alle
solche fürfallende sachen nach dem heyligen worth
Gottes und den gemeinen geschribenen rechten vor
ehegericht alhie erlediget werden. Doch wann eine
eheschaidung in ehebruchs sachen auff deß unschul-
digen ehegemächts begehren mit recht erlangt, so
soll die ehebrüchig persohn dieser statt und obrig-
keit verwisen und, solang das unschuldig ehege-
mächt im leben, nicht mehr hierein gelaßen werden,

sie hetten sich dann |23| mittlerweil beederseiths
mit einander versöhnt, daß sie einander hinführt
eheliche beywohnung erzaigen wolten, das ihnen zu-
gelaßen sein soll. Alß dann soll es bey einem ehrsam-
men rath stehen, ihr vergunst und erlaubnus zu dem
einlaßen zu geben.
Wo auch die unschuldige persohn, in schweben-
den rechten20 und ehe die endurthel ergehet, auch
ehebrüchig und solches bewisen würde, alßdann sol-
len sie, beede eheleuth, nicht geschaiden, sondern
die instantia der rechtfertigung gefallen, auch sie
beede einander widerumb eheliche beywohnung zu-
thun schuldig sein und nichts desto weniger sie bey-
de der gebür nach mit ernst gestrafft werden. | 24|

Zum sechsten: Von den wittibern und wittfrawen

Es soll auch forthin ein mann, deme sein ehelich
weib mit todt abgangen ist, sich vor verschei-
nung21 eines viertel jahrs nicht widerumb ehelich
versprechen oder verheuraten, auch vor außgang
solcher zeit weder die verkündigung von der cantzel
noch der kirchgang22 gestattet werden bey straff ei-
nes guldens für yede wochen, die er sich allzufrühe
hette versprochen.
Welcher frawen aber ihr mann stirbt und sie
wißendtlich schwangers leibs oder auch eine ver-
muetung oder wahn23 were, daß sie schwanger sein
möchte, die soll zuvor und ehe sie ihrer geburth er-

19 Nach Hause, heim.
20 Während des laufenden Prozesses.
21 Ablauf einer Frist.

lediget, alhie in dieser |25 | statt und obrigkeit sich
nit widerumb verheuraten, verkündigen laßen noch
hochzeit halten. Es soll auch sonnsten in gemein kei-
ne wittfraw, ob die gleich weder scheinbarlich24 noch
vermuetlich schwanger, sondern deßhalben ohn al-
len zweifel were, umb christlicher zucht und erbar-
keit willen in einem halben jahr den nechsten nach
absterben ihres vorehemanns sich wider in ehe-
standt nicht begeben, auffbieten laßen noch hoch-
zeit halten, baides abermahl bey obvermelter straff
eines guldens für yede wochen der allzufrühe be-
schehenen verlobung.

22 Einsegnung der Ehe in der Kirche.
23 Hoffnung.
24 Augenscheinlich.

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