Einleitung
4. Anweisungen für die altgläubigen Geistlichen 5. September 1546 (Text S. 474)
5. Anweisung zur Residenz der Pfründeninhaber 13. September 1546 (Text S. 475)
Im Laufe des Jahres 1546 wurden weitere Maßnahmen zur evangelischen Umgestaltung des Ravensburger
Kirchenwesens ergriffen: Bis zum Sommer wurde ein Teil der Bilder und Altäre aus der Liebfrauenkirche
entfernt, das Sakramentshäuschen geleert, das Taufbecken mit dem Weihwasser ausgeschüttet und statt-
dessen Brunnenwasser verwendet. Daneben verweigerten die evangelischen Bürger ihre Teilnahme an der
alljährlichen Kreuzmittwoch-Prozession nach Weingarten.61
Anfang September 1546 zitierte der Rat sämtliche noch in Ravensburg verbliebenen altgläubigen
Geistlichen aufs Rathaus und gebot ihnen unter Strafe der Stadtverweisung, ausschließlich die evangelische
Lehre zu predigen und nach dieser zu leben. Hierzu gehörte auch, dass die Geistlichen ihre Mägde und
Konkubinen entweder heirateten oder wegschickten.62 Im Anschluss an diese Vermahnung ließ der Rat
sämtliche elf altgläubigen Geistlichen in der Stadt einzeln nach ihrer Haltung bezüglich der evangelischen
Lehre befragen. Drei der Befragten wollten beim alten Glauben bleiben, die übrigen entschieden sich für die
evangelische Lehre oder zeigten sich unentschlossen.63
In ähnlicher Weise wandte sich der Rat an die nicht residierenden Kapläne, verpflichtete sie, den mit
ihrem Pfründenbesitz verbundenen Aufgaben und Pflichten nachzukommen, sowie in Predigt und Lebens-
führung der evangelischen Lehre zu folgen. Die Benefizien weiterhin nicht residierender Geistlicher zog der
Rat ebenso ein wie diejenigen, deren Besitzer beim alten Glauben bleiben wollten.
Ravensburger Katechismus 1546/1733 (Text nicht abgedruckt)
Seit Sommer 1546 bemühten sich Bürgermeister und Rat intensiv darum, den Prediger Thomas Lindner
nach Ravensburg zu holen, um gemeinsam mit den bereits hier tätigen Theologen Blasius Stöckel, Jakob
Schopper und Johann Lenglin das evangelische Kirchenwesen weiter zu festigen und auszubauen. Lindner,
der aus Niederschlesien stammte und einige Zeit als Pädagoge in Tübingen tätig gewesen war, hielt sich zu
dieser Zeit in der Reichsstadt Gengenbach auf. Nach einigem Drängen gab der dortige Rat schließlich am
20. August seine Einwilligung zu Lindners Entsendung nach Ravensburg.64 Mit einem Empfehlungsschrei-
61 Die einzelnen Maßnahmen gehen aus dem Brief des
Weingartener Amtmanns Hans Käm an Abt Gerwig Bla-
rer vom 14. Juni 1546 hervor: habend die von Ravenspurg
in e[uer] gn[aden] pfarr den touf, namlich der pfaff Contz
[= Konrad Konstanzer], ausgeschidt, und wann sey toufen
wöllend, nömend sey wasser aus dem brunnen. Sy hond
auch die altar abdeckt und etlich taflen hinweg thon und
sonderlich, wa unser liebenfrowen biltnus ingewesen ist [...]
Hat ain burgermaister ain antwurt geben, er [= der Pfar-
rer] söll das sacrament aus der kirchen nömen und es im
pfarrhof by im [= sich] behalten. Das hat der pfarrer thon,
haltz in siner kamer [...] Auf die creuz-mitwoch [= Bettag
nach Vocem jocunditatis, 5. Sonntag nach Ostern] sind von
allen orten die creuz komen gen Wingarten wie von alther,
on allain die von Ravenspurg. Sey habend auch um das
hailig bluot durch ir statt wie von alter her ze fieren nit gebet-
ten [...] Er [= der Organist] ist und wurt von den von
Ravenspurg zwungen und genödt, das er im closter und in
der pfarr schlachen [= schlagen, spielen soll] der psalmen
melodi, wie sey das volk in der kirchen singen, und wie es
die predicanten von aim tag zuo dem andern fur guot anse-
chen, Günter, Blarer I, Nr. 774 S. 552f. Vgl. Hof-
acker, Reformation, S. 104; Holzer, Streit, S. 30.
Zum Umgang mit den Bildwerken in Ravensburg siehe
detailliert Litz, Bilderfrage, S. 264-272.
62 Dem Pfarrer an der Liebfrauenkirche, Wolfgang Wiede-
mann, der beim alten Glauben bleiben wollte, räumte
der Rat eine neuntägige Frist ein, die Stadt zu verlassen,
Müller, Aktenstücke, S. 54. Vgl. Hofacker, Refor-
mation, S. 107; Holzer, Streit, S. 32.
63 Die Protokolle der Befragung sind abgedruckt bei Mül-
ler, Aktenstücke, S. 50-54. Vgl. Brecht/Ehmer,
Reformationsgeschichte, S. 185; Warmbrunn, Refor-
matoren, S. 187, 190; Köhler, Ehegericht II, S. 335f.,
344; Holzer, Streit, S. 32f.; Dreher, Geschichte I,
S. 387.
64 Das Schreiben des Gengenbacher Rates an Ravensburg
ist abgedruckt bei Kohls, Katechismen, S. 94, Beilage
2. Zu Thomas Lindner siehe ebd., S. 19 Anm. 15; ders.,
Bewegung, S. 19-21; Bender, Reformation, S. 18f.;
Warmbrunn, Reformatoren, S. 188-192.
463
4. Anweisungen für die altgläubigen Geistlichen 5. September 1546 (Text S. 474)
5. Anweisung zur Residenz der Pfründeninhaber 13. September 1546 (Text S. 475)
Im Laufe des Jahres 1546 wurden weitere Maßnahmen zur evangelischen Umgestaltung des Ravensburger
Kirchenwesens ergriffen: Bis zum Sommer wurde ein Teil der Bilder und Altäre aus der Liebfrauenkirche
entfernt, das Sakramentshäuschen geleert, das Taufbecken mit dem Weihwasser ausgeschüttet und statt-
dessen Brunnenwasser verwendet. Daneben verweigerten die evangelischen Bürger ihre Teilnahme an der
alljährlichen Kreuzmittwoch-Prozession nach Weingarten.61
Anfang September 1546 zitierte der Rat sämtliche noch in Ravensburg verbliebenen altgläubigen
Geistlichen aufs Rathaus und gebot ihnen unter Strafe der Stadtverweisung, ausschließlich die evangelische
Lehre zu predigen und nach dieser zu leben. Hierzu gehörte auch, dass die Geistlichen ihre Mägde und
Konkubinen entweder heirateten oder wegschickten.62 Im Anschluss an diese Vermahnung ließ der Rat
sämtliche elf altgläubigen Geistlichen in der Stadt einzeln nach ihrer Haltung bezüglich der evangelischen
Lehre befragen. Drei der Befragten wollten beim alten Glauben bleiben, die übrigen entschieden sich für die
evangelische Lehre oder zeigten sich unentschlossen.63
In ähnlicher Weise wandte sich der Rat an die nicht residierenden Kapläne, verpflichtete sie, den mit
ihrem Pfründenbesitz verbundenen Aufgaben und Pflichten nachzukommen, sowie in Predigt und Lebens-
führung der evangelischen Lehre zu folgen. Die Benefizien weiterhin nicht residierender Geistlicher zog der
Rat ebenso ein wie diejenigen, deren Besitzer beim alten Glauben bleiben wollten.
Ravensburger Katechismus 1546/1733 (Text nicht abgedruckt)
Seit Sommer 1546 bemühten sich Bürgermeister und Rat intensiv darum, den Prediger Thomas Lindner
nach Ravensburg zu holen, um gemeinsam mit den bereits hier tätigen Theologen Blasius Stöckel, Jakob
Schopper und Johann Lenglin das evangelische Kirchenwesen weiter zu festigen und auszubauen. Lindner,
der aus Niederschlesien stammte und einige Zeit als Pädagoge in Tübingen tätig gewesen war, hielt sich zu
dieser Zeit in der Reichsstadt Gengenbach auf. Nach einigem Drängen gab der dortige Rat schließlich am
20. August seine Einwilligung zu Lindners Entsendung nach Ravensburg.64 Mit einem Empfehlungsschrei-
61 Die einzelnen Maßnahmen gehen aus dem Brief des
Weingartener Amtmanns Hans Käm an Abt Gerwig Bla-
rer vom 14. Juni 1546 hervor: habend die von Ravenspurg
in e[uer] gn[aden] pfarr den touf, namlich der pfaff Contz
[= Konrad Konstanzer], ausgeschidt, und wann sey toufen
wöllend, nömend sey wasser aus dem brunnen. Sy hond
auch die altar abdeckt und etlich taflen hinweg thon und
sonderlich, wa unser liebenfrowen biltnus ingewesen ist [...]
Hat ain burgermaister ain antwurt geben, er [= der Pfar-
rer] söll das sacrament aus der kirchen nömen und es im
pfarrhof by im [= sich] behalten. Das hat der pfarrer thon,
haltz in siner kamer [...] Auf die creuz-mitwoch [= Bettag
nach Vocem jocunditatis, 5. Sonntag nach Ostern] sind von
allen orten die creuz komen gen Wingarten wie von alther,
on allain die von Ravenspurg. Sey habend auch um das
hailig bluot durch ir statt wie von alter her ze fieren nit gebet-
ten [...] Er [= der Organist] ist und wurt von den von
Ravenspurg zwungen und genödt, das er im closter und in
der pfarr schlachen [= schlagen, spielen soll] der psalmen
melodi, wie sey das volk in der kirchen singen, und wie es
die predicanten von aim tag zuo dem andern fur guot anse-
chen, Günter, Blarer I, Nr. 774 S. 552f. Vgl. Hof-
acker, Reformation, S. 104; Holzer, Streit, S. 30.
Zum Umgang mit den Bildwerken in Ravensburg siehe
detailliert Litz, Bilderfrage, S. 264-272.
62 Dem Pfarrer an der Liebfrauenkirche, Wolfgang Wiede-
mann, der beim alten Glauben bleiben wollte, räumte
der Rat eine neuntägige Frist ein, die Stadt zu verlassen,
Müller, Aktenstücke, S. 54. Vgl. Hofacker, Refor-
mation, S. 107; Holzer, Streit, S. 32.
63 Die Protokolle der Befragung sind abgedruckt bei Mül-
ler, Aktenstücke, S. 50-54. Vgl. Brecht/Ehmer,
Reformationsgeschichte, S. 185; Warmbrunn, Refor-
matoren, S. 187, 190; Köhler, Ehegericht II, S. 335f.,
344; Holzer, Streit, S. 32f.; Dreher, Geschichte I,
S. 387.
64 Das Schreiben des Gengenbacher Rates an Ravensburg
ist abgedruckt bei Kohls, Katechismen, S. 94, Beilage
2. Zu Thomas Lindner siehe ebd., S. 19 Anm. 15; ders.,
Bewegung, S. 19-21; Bender, Reformation, S. 18f.;
Warmbrunn, Reformatoren, S. 188-192.
463