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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]; Goeters, J. F. Gerhard [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (19. Band = Rheinland-Pfalz, 2, 1. Teilband): Die Reichsstädte Landau, Speyer und Worms - die Grafschaften Leiningen, Sayn und Wied - die Wild- und Rheingrafschaft - das Fürstentum Pfalz-Simmern - die Grafschaft Pfalz-Veldenz (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.30659#0266
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Leiningen-Westerburg

Von der Privat Beicht und Absolution.

Der Heilige Königliche Prophet David schreibt also
im neundtzehenden Psalm: Wer kan mercken, wie
offt er fehlet? Verzeihe mir, Herr, die verborgene
fehle.69 Mit wölchen worten klar unnd außtrucklich
allen menschen kinden angezeigt wurdt, daß ire sün-
de wider iren lieben Gott so groß, viel und manig-
faltig seind, daß sie selbst nicht alles erkennen
mögen, was unrecht und wider Gott gethan sey.
Dieweil dann nun dem also, daß der mensch sei-
ne eigene fehle nicht alle erkennet, so folgt unwider-
rufflich darauß, daß die Enumeratio omnium delic-
torum, die erzelung und gnawgesuchte abrechnung
aller sünden unmüglich, daß auch die alte Bäpsti-
sche ohrenbeicht, wölches nichts anderß dann ein
grausame folther gewesen, daran die armen gewissen
jemmerlich henckerischer weiß gequelet und
schröcklich biß uff die verzweifflung gemartert sein
worden, billich sey uffgehaben und abgeschafft wor-
den und an ire statt die heilsame und nützliche pri-
vat Absolution in rechten Evangelischen kirchen ge-
ordnet, Soll auch solche inn unser kirchen inn keinen
weg verachtet oder underlassen, sondern umb nach-
folgender ursachen willen gehalten werden. |33r|
Zum Ersten, weil der Son Gottes seinen lieben Jün-
gern, die er inn die Welt (das heilig Evangelion zu-
verkündigen) außgesandt, Joan. 20. Cap., diesen be-
felch gibt und spricht: Wölchen ir die sünde erlasset,
denen sind sie erlassen,70 nicht so enge gespannet ist,
daß die Jünger nur allein uff der Cantzlen vor einer
grossen versamlung sollen das Evangelion von dem
reich Gottes predigen, sonder auch, daß sie einer je-
den einzelen Personen (so von sünden angefochten
ist unnd trost begeret) das Evangelion von verzei-
hung der sünden umb Christi willen predigen unnd
den, so daran glaubet, von sünden absolviren sollen,
wie dann solches auß vielen schönen exempeln
Christi und seiner heiligen Aposteln herrlich erwie-
sen kan werden, als Matthei 9 vom Gichtbrüchtigen

69 Ps 19,13.
70 Joh 20,23.
71 Mt 9,1-8.18-22.
72 Mk 6,45-52; Lk 7,36-50.

und dem Weiblein mit dem blutgang,71 Marci 6 und
Luce 7 mit Petro und mit der sünderin,72 Joan. 8 mit
der Ehebrecherin,73 Actor. 8 und 9 mit dem Kem-
merer auß Morenland.74 Ist auch diese Absolution
ein jeder mensch als Gottes wort anzunemmen
schuldig unnd zuglauben, gleich wie der heilige Da-
vid darvon im andern Buch Samuelis am 12. cap.
der Absolution, die ime der Prophet Nathan sprach:
Der Herr hat deine sünde hinweg genommen, zu
glauben schuldig war.75 Dann was solte sonst der
befelch der Absolution, so niemand die Absolution
begern oder mit glauben annemen wolte? Ist der-
halben den Christen hiemit nicht weniger gebotten,
die Absolution zusuchen unnd zu begeren, als den
Kirchendienern, daß sie den begerenden dieselbig
sollen mittheilen.
Zum Andern, uff das die Lehr von der Application
und der hohe, grosse trost wider die schröckliche an-
fechtung von der particularitet und eigener unwür-
digkeit, damit die armen sünder fürnemlich ange-
foch|33v| ten werden (daß sie wol in gemein glauben,
daß Gott etlichen die sünde vergeben wölle, als den
grösten, hochbegnadten und erleuchten Heiligen,
aber sie seyen zu gering zu solcher gnaden) erhalten
werde und fest bleibe, welche, so mans fallen lest,
auch zu gleich allen bestendigen und gewissen trost
mit hinweg nimbt unnd die geengstigten und ange-
fochtenen gewissen in ewigem zagen und endtlicher
verzweiffelung stecken lest. Wiewol aber nun etliche
stoltze Geister und sichere gemüter solchen trost
nicht hoch achten, dann sie fülen ire sünde noch nit
recht, so gibt doch die erfahrung in vilen armen be-
trübten menschen hertzen und gewissen gnugsam
zuverstehen, daß dieser trost alle der gantzen Welt
güter und kleinot weit ubertrifft und gewißlich der
gröst und höchst schatz ist, den ein armer sünder in
seiner grossen angst und bekümmernuß haben mag,
so man im auß Gottes befelch solche gnade anzeigt

73 Joh 8,3-11.
74 Apg 8,26-40.
75 2Sam 12,13.

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