Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]; Goeters, J. F. Gerhard [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (19. Band = Rheinland-Pfalz, 2, 1. Teilband): Die Reichsstädte Landau, Speyer und Worms - die Grafschaften Leiningen, Sayn und Wied - die Wild- und Rheingrafschaft - das Fürstentum Pfalz-Simmern - die Grafschaft Pfalz-Veldenz (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.30659#0309
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8. Visitationsordnung 1597

VII. Von allerleie leichtfertigkeitt.
Ob uff sonn- unndt feyertage offentliche spielplätze
ann unnderschiedenen örtternn geduldet unnd unn-
der denn predigttenn für unnd nach mittage heim-
lich oder offenntlich gehalttenn werdenn, ob lannge
inn denn heußern, uff denn gassen, vor denn fleck-
henn unndt dörffernn oder im felde uff gemelt hei-
lige tage im brauch. Ob noch gehaltten werdenn die
spinnstuebenn im wintter, leichtferttig nächtlich zu-
samenlauffen unnd stehenn junger leuthe inn denn
gassenn unnd verdechtigenn örttern, item kirchmes-
senn unnöttig unnd uberflüßigkh schwelgenn unnd
sauffenn, glückhaffenn,23 lotterbubische, ergerliche
affenn spiel unnd geuck[e]leie, königreich,24 faß-
nacht spiel, freßenn unndt sauffenn, abergläubische
uff denn christabenndt unnd faßnacht dienstags
morgenn badt,20 todt außtragenn,26 lehenn außruf-
fenn,27 bubenn unnd bubinen spielungh,28 lotterbu-
benn, zannckhsüchtige trunckhenböltz oder zehr-
güttlein,29 die weib unnd kindt anheims darben [las-
sen] unnd sie stedts vollen darm und kropff haben
wollen.
VIII. Von armen leuthenn. |116v|
Ob gestiffte kirchenalmusen an geltt, brott, tuch
haus armen leuthen uff gewisse monatten oder wo-
chen und tage außgespenndet werden. Ob für selbige
leuthe ligende gütter oder andere einkhomen, darzu
gehörig, verordnet und fürhanden, wer die selbige
gestifftet, von wann und in welcher gegenwartt sie
außgetheilet und wie treulich daß geschehe; ob viel

23 Hafen = Topf; also Töpfe, aus denen Lose gezogen wer-
den.
24 Aus den Visitationsartikeln der Grafschaft Sponheim
von 1608: Das nemlich die junge gesellen einen könig jär-
lich unter ihnen erwehlen und derselbig einem jeden er-
wachsenen knaben ein mägdlein zue lehe gibt und ernennet,
die [er] sontäglich zum tantz und ins wirtshauß führen muß
und derselben ein kirb, so etwa eines gulden oder mehr
werth ist, kauffen; vgl. Sehling, EKO XVIII, S. 683.
25 Nach Ansicht mancher (altkirchlicher und mittelalterli-
cher) Schriftsteller war Baden während der Fastenzeit
nicht gestattet, weswegen sich an den entsprechenden

hauß arme leuthe an dem ort, wie sie gezeichnet
unnd zu erkhennen, ob man für den thoren ihnen
treulich und gern auß christlicher liebe almusen
gebe und mitheile, ob andere stifftungen für arme
leuthe in der bürgerschafft und gemeindt gefunden
und wie damit umbgangen, auch von wem, wenn
und wie dieselbigen verechnet werden, ob mann das
klingelsackhlein uff die sonn- und feiertage, wie
auch in denn hochzeitten unnd leichpredigen in der
kirchen brauche für gemeltte haus arme leuthe.
Ob mann habe gemeine hospitalien vor reiche unnd
arme, wie es in denn selbigen mit denn personen,
dero unnderhalttungkhen und pfleg zu allen theilen
gehaltten wirdt, ob deß wolgebornen, unsers gena-
digen herrn underthanen anderswo in frembden hos-
pitalien sich einkauffen und leben. |117r|
Wo die aussetzigen oder sonndersüchen des nachts
sich verhaltten, wo lannd arme und kranckhe leuth
hiengewiesen, wer ihr handtlangung suche und wo-
von und wohien sie wiederumb verwießen und ge-
suchet werden, wer die selbige hinnweg führe, auch
warumb unnd auff waß weiß, Nb. bettelvogt.
IX. Von schuelen.
Ob schuelen deutsch und lateinisch gehalthen wer-
denn; und dann in gegenwartt des schuelmeisters:
Wer der schuelmeister, wie sein tauff- und zuenha-
me, wo her er seie, wo er studieret, ob er in oder
außer der ehe lebe, wie er sich gegen denn schuelern
in der schuel und sonsten in der kirchen wie auch

ersten und letzten Tagen des erlaubten Badens (z.B. am
Tag vor Aschermittwoch oder am Ende des Advents)
bestimmte abergläubische Praktiken und Vorstellungen
mit dem Baden verbanden, vgl. HWDA 1, Sp.798, 808.
26 Frühlingsbrauch, bei dem eine Strohpuppe, die den Tod
(resp. den Winter) darstellt, umhergetragen und an-
schließend vergraben, verbrannt oder ins Wasser gewor-
fen wird; vgl. HWDA 8, Sp. 991f.
27 Zum Lehen ausrufen vgl. S. 227 Fußnote 11.
28 Entweder das Spielen (vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 2422)
oder der Spieler (vgl. Grimm, DWb 16, Sp. 2390).
29 Sic! Die Zehrgesellschaft ist für Trinkgelage belegt.

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