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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0032
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18

Die vier geistlichen Gebiete Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen. I. Merseburg.

Vom hochwirdigen sacrament des leibs und
bluts unsers lieben herren Jesu Christi sollen sie
[fehlt: das] volk nach gewisser schrift lehren und
einfeltig unterrichten, das das brot auch der wein
im2) kelch, so durch das wort unsers lieben herren
Jesu Christi auf sein befehel3) gesegnet, sein
wahrer leib, und sein wahres blut sei, so er für
uns gegeben und für unsere sünde vorgossen4),
und von Christo selbst gegenwertig uns zu essen,
und zu trinken, durch pristers hand dar gereicht
werde, das wir darbei seins todes sollen gedenken,
wie die worte Christi von dem evangelisten und
Paulo erzelt mit bringen, und die leut nicht auf
die wirdickeit des pristers sondern Christi almech-
tigkeit weisen; ipse enim dixit et facta sunt. Und
dar neben kein weiter5) disputation von disem
hochwirdigen sacrament für dem volk furbringen,
sondern vilmehr von dem rechten nutz und ge-
brauch desselben die leute unterweisen. Und
nicht die leute dohin führen, wie etliche unvor-
stendige, als erlangeten sie vorgebung der sünde
durch die entpfahung, als ihr6) eigen werk, welchs
ein grosser und gemeiner7) irthumb ist, sondern
das unser glaube, welcher die vorgebung der sunde
erlanget, durch solch hochwirdig sacrament ge-
sterket und befestiget wirt.
Sollen auch das hochwirdig sacrament ausser
der Institution Christi nicht in andere wege ge-
brauchen, umbdragen noch einsetzen8).
Wan auch etwas von particulen ader im kelch
ubrig bleibt, sol nicht bei gesetzt ader wege-
gossen9), sondern vom pristern oder communi-
canten, so des mahls des sacrament genossen,
vollent absumirt werden. Es sollen sich auch die
prister, so sie das hochwirdig sacrament reichen,
von genissung desselben sich selbst nicht ahne

wisse stunde haben und mit der glocken ein zeichen
geben, damit die leute darzu kommen und unter dem
gesange. In der messen oder vesper soll man nicht
teufen, sondern zuvor ader hernachen, nach gelegenheit,
damit man die gebet und wort bei der tauf horen und
vorstehen kann.
1) „Nach gewisser schrift lehren“, ist im Merse-
burger Exemplar hinzugeschrieben, ln A. steht es
im Text.
2) „Wein im“ im Merseburger Exemplar hinzu-
geschrieben; A. im Text.
3) „auf sein befehl“ wie Anm. 2.
4) Ursprünglich im Merseburger Exemplar „und
vergossen“. Verbessert in „und fur unsere sünde ver-
gossen“. A. im Text.
5) „weiter“ in Merseburg hinzugeschrieben. A.
im Text.
6) B. corrigirt: irs eigen werks.
7) „und gemeiner“ Zusatz im Merseburger Exem-
plar. A. im Text
8) Dieser Passus im Merseburger Exemplar hinzu-
geschrieben. A. im Text.
9) Statt „beigesetzt oder weggegossen“ hatte die
Merseburger Fassung ursprünglich „aufgehoben“.

sondere ursache, entziehen, wie etliche thun, nicht
ahne geringe ergernis der leute.
In1) beichthoren sollen sie auch nicht uber
hin gehen, sondern mit ernstem vleisse die leute
vor horen, und zu gottes furcht und glauben fuhren,
und ihre gewissen trosten nach gelegenheit ider
person. Auch die leute lehren, aus den zehen
geboten die sunde zuerkennen2) und zu beichten.
In der absolution sollen sie dr. Martini forma im
kleinen catechismo gebrauchen. Und dem beicht-
kinde die hand auflegen, welchs ein alter christ-
licher gebrauch ist, damit gezeugt wirt, das die
vorgebung der sunde derselben person in Sunder-
heit zugeeigent sei.
Sie3) wollen ihnen auch die kranken zu-
besuchen treulich lassen befolen sein, und auf der
canzel sich anbieten, damit man sie so viel lieber
fodere. Und in communion derselben sollen sie
sich nach der obangezeigt agenda halten, und alles
cum reverentia und reinlich vorbringen, auch nicht
mehr weins in den kelch nehmen, dan der kranke
genissen moge, ergernis zuvermeiden. Und so sie
gefodert, wollen sie es nicht genung sein lassen,
das sie zu ihnen, wen sie die communiciret,
kommen, sondern auch oft mals besuchen, und sie
unterrichten und trosten. Da sie auch gleich
nicht gefodert, sollen sie occasionem suchen, damit
sie fuglich zu ihnen kommen und geistlichen
trost mittheilen mogen, wie auch unser lieber herr
Christus umb des einigen schwachgleubenden Thome
willen, zu den aposteln wider gekommen.
Sollen auch auf die kranken gut achtung
geben, wie sie in ihrem gewissen geschickt sein,
damit, so sie zuvorn erschrocken, nicht weiter er-
schrecken, sondern vilmehr getrost werden, dan
die leute nicht einerlei weise sollen vormahnet
werden. Dan anders sol man vormahnen die ihre
sunde erkennen und bereuen, anders aber, die
ihre sunde nicht erkennen, ungedultig und rohe
seint. Also mussen sie sich in anderen vormanung
der personen auch halten, nach gelegenheit der per-
sonen, wie ein vorstendiger arzt. Als dan der
heilig Paulus anders die alten, anders die jungen,
anders die frauen, anders die menner, anders die
eltern, anders die kinder zuvermahnen lehret, wie
das dan S. Gregorius in suo pastorali feine formen
solcher manchfeltigen vormahnung beschreibet, die
nicht zuvorachten.
Und4) hirbei wollen wir auch zufellig er-
innert haben, das die pfarher (wiewol von etlichen

B. Überschrift: Von der beichte.
2) „Die sunde zu erkennen“ ist im Merseburger
Exemplar Zusatz.
3) B. Überschrift: Besuchung der kranken.
4) Von „und hierbei —ehrlich reden“ ist im Merse-
burger Exemplar unterstrichen und in A. durchstrichen
worden.
 
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