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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0464
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450

Das Erzbisthum Magdeburg.

leute seined ader sunst andre kranke und noth-
dorftige menschen, diselbigen in ein register vor-
zeichnen, und alle 14 tage ader umb die 4 wochen
wollen si all dijenigen zusammen fordern, di zu
den kästen di schlüssel haben, unde alldo den
armen und dürftigen hantreichen und mitteilen,
einen iden zu seiner nothdorft, eintweder am gelde,
ader was itzlichen vor das gelt zu kaufen noth-
dorftig ader nutzlichen erkennet wirdet. So aber
jemandes nothdorftig were diser almüsen , den di
herrn nicht besuchet hetten ader nicht finden
kunden, der keme selbst ader gebe sich an, höret man
das er benötiget, so sal ihm hülfe gethan werden.
Item so hat auch ein erbar rath under sich
und seinen ratvorwanten sünderliche 10 personen
auf dise meinung erwelet, das 2 von den herrn
in S. Joannes kirchen ein halbe ader ganze
stunde vor der predig in der kirchen mit dem
peutel ader hemlen1) umb sollen gehen, und den
nothdorftigen leuten von dem volke do selbest das
almüs zu pitten gevlissen sein. Desgeleichen zu
S. Ulrich auch 2 person und zu S. Katherinen
2 personen und zu S. Jacob 2 personen und zu
S. Peter sollen dor zu in den 2 klöstern S, Augu-

1) Ein sackförmiges Fangnetz. Lexer, Mittel-
hochdeutsches Wörterbuch unter ham.

stini und S. Marie Magdalenen, so do selbest ein
sermon ader predig gethan würde, auch umbgahn
und der geleichen almüs zu piten, und alles was
di selbigen 10 personen also versamlet haben,
sollen si von stund an ungezelet in den zu
S. Joannes ader zu S. Augustini, wü das itzlichen
am negsten ist, einstecken, und dor pei also
handelen als recht frömen und redlichen leuten
zu gepürt, do vor man auch diselbigen angesehen,
erkennet und gehalten hat und noch diselbigen
zu sein vor ungetadelt erkennet und haldet.
Item was man hinförder mehr hülfe und vor-
derunge zu disen kasten gethuen kan mit testa-
menten und dergeleichen was grosses hir zu
zubringen, will man sich nach allem vermögen
bevleissen, uf das man auch armen elenden jung-
frauen zum eelichen stande zu berathen, und der
geleichen witwen und weisen hulflich und tröst-
lichen zu sein mit der zeit durch gotliche genade
kunden vormöglichen werden.
[Es folgen einige Bestimmungen gegen fremde
Bettler.]
Dises ist von eim erbarn rath der ganzen stat
zu einem anheben gemeiner christlichen wolfart
vorgenomen, was wu gott forder will vorleihen,
das selbige von tag zu tag verhoffen si mit got-
licher hülfe zu pessern.

93. Etliche artikel zu notwendiger kirchenordnung zugehörig, welcher sich die pfarherr und diacon der
kirchen zu Magdeburg, wie sie den meisten teil bereits bisher breuchlich gewesen, einmütiglich vereiniget
und entschlossen haben, darüber mit gottes hülf hinförder auch fleissiglich zu halten. Vom 3. April 1554.
Johan. 16. 1. Tim. 5.
[Nach dem Originaldrucke. Die (hier fortgelassene) Einleitung motivirt die Vereinbarung der Geistlichen mit
dem Zunehmen der Laster und der Nachlässigkeit der weltlichen Obrigkeit.]

Der erste artikel.
Von etlichen fellen, in welchen die schuldige
personen aufs wenigste einmal auf der kanzel
sollen namhaftig gemacht werden, ehe man sie zu
dem gebrauch der sacrament zulesset.
Diejenigen, so in affentlichem ehebruch be-
griffen, mans oder weibs personen, jungfrau oder
megde geschwechet oder die geschwechet werden,
im fal so es gleich personen weren, die aneinander
heimlich verlobet und doch noch nicht zur kirchen
gegangen, einen todschlag gethan und wider ein-
geteidingt werden etc., sovil als uns davon bewust
wird sein, wollen wir hinforder nicht lassen zum
sacrament des altars gehen, noch bei der taufe
gevatter stehen, noch ehelich zusamen geben, es
sei denn das sie von ersten aufs wenigst einmal
mit ausgedruckten namen sich auf dem predigstuel
vom pfarherr lassen nennen und anzeigen, das sie
unrecht gethan, lassen gott für sich anrufen und
weil da kirchspiel durch sie geergert, auch umb
verzeihung gebeten werde und solchs aus folgenden
ursachen.

Erstlich weil die sünde offentlich, damit jeder-
man erkenne, das gotteswort solche sünde strafe und
die gefallenen personen zu ernster bekerung ver-
ursacht werden, den sonst gehen ir viel dahin,
denken nicht einmal, das sie wider gott oder den
nechsten gesündiget, wie wir oft erfaren haben.
Zum andern haben solche personen das ganze
kirchspiel mit einer greulichen sünde geergert, da
sind sie schuldig sich wider damit zu versühnen.
Zum dritten bedürfen ja solche gefallene per-
sonen des gebets. Hat man sich nu der sünden
nicht gescheuet noch geschemet, solte man billich
sich auch nicht scheuen noch scheinen desjenigen,
das zu zeitlicher und ewiger wolfart gereichet.
Zum vierten andern zu einem abscheu, denen
man auch dienen sol. Denn wie solche leute
andern exempel zusündigen gegeben, also sollen
sie nu widerumb auch andern exempel und an-
reizung sich zu bekeren und von sünden abzu-
halten, geben. Davids ehebruch hat müssen in
die heilige schrift gebracht werden, damit in jeder-
man wuste und lernte sich nicht schemen, die
sünde zu erkennen.
 
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