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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (2. Band = 1. Abtheilung, 2. Hälfte): Die vier geistlichen Gebiete (Merseburg, Meissen, Naumburg-Zeitz, Wurzen), Amt Stolpen mit Stadt Bischofswerda, Herrschaft und Stadt Plauen, die Herrschaft Ronneburg, die Schwarzburgischen Herrschaften, die Reussischen Herrschaften, die Schönburgischen Herrschaften, die vier Harzgrafschaften: Mansfeld, Stolberg, Hohenstein, Regenstein, und Stift und Stadt Quedlinburg, die Grafschaft Henneberg, die Mainzischen Besitzungen (Eichsfeld, Erfurt), die Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen, das Erzbisthum Magdeburg und das Bisthum Halberstadt, das Fürstentum Anhalt — Leipzig: O.R. Reisland, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.26561#0546
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532

Das Fürstenthum Anhalt.

Änderungen beabsichtige, von denen die Abschaffung des Exorcismus nur der Anfang sei. In
der That sollte diese Besorgniss wegen bedeutender Reformen im Cultus bald in Erfüllung
gehen: das sogenannte Reformationswerk liess nicht mehr lange auf sich warten.
Die naben Beziehungen, in welche Johann Georg im Jahre 1595 zu dem kurpfälzischen
Hause durch Heirath getreten war, mögen die Reformgedanken des Fürsten in schnellere Be-
wegung gesetzt haben. Änderungen, die einzelne Pfarrer, vielleicht in übergrosser Gefälligkeit
gegen die am Hofe herrschende Strömung, Vornahmen, wie z. B. die Abschaffung der Crucifixe,
wurden von Seiten des Fürsten nicht beanstandet. Durch derartige Vorgänge fühlten sich die
Stände ernstlich beunruhigt und brachten ihre Befürchtungen in einer Eingabe vom 3. März
1596 zum Ausdruck. Diese sowie die Antwort des Fürsten liegen in einer vom Fürsten ver-
anlassten Druckschrift aus dem Jahre 1596 vor, welche den Titel führt „Erinnerungsschrift
etlicher von adel und städten an den durchlauchtigen hochgebornen fürsten und herrn, herrn
Johann Georgen, fürsten zu Anhalt etc. sammt darauf erfolgter gnädiger verantwortung und
erklärung“.
Die Erregung der Zeitgenossen lässt sich am besten nach einem Flugblatt beurtheilen,
welches damals in Anhalt in zwei verschiedenen Gestaltungen in 17 oder 18 Artikeln verbreitet
wurde und in übertriebener Form die beabsichtigten Maassregeln des Fürsten darstellte, offen-
bar zu dem Zwecke, die Massen aufzureizen. Man nahm bisher an, dass dieses Machwerk nur
handschriftlich verbreitet gewesen sei. So auch Duncker, Bekenntnissstand, S. 80 ff. Ich
habe aber einen Druck gefunden: „Articuli der neuen kirchenordnung, wie dieselbe im fürsten-
thum Anhalt soll gehalten werden. Gedruckt zu Zerbst, anno extremi temporis 1596.“ Die
Rekonstruktion von Duncker, a. a. O. S. 80 hat im Wesentlichen das Richtige getroffen.
Duncker hat dabei das Exemplar mit 18 Artikeln vor Augen gehabt, während mein Druck
nur 17 Artikel zählt. Ich werde das Flugblatt an anderer Stelle veröffentlichen.
Zur Widerlegung dieses Flugblattes wurde eine „Nothwendige Verantwortung der 18
nicht allein in Deutschland, sondern auch bei fremden Nationen böslich ausgesprengten Artikeln
von einer neuen Kirchen-Ordnung im Fürstenthum Anhalt zur Rettung der Wahrheit und
Widerlegung der Lügen“ ausgearbeitet, Verfasser dieser wie der oben erwähnten „Erinnerungs-
schrift“ war wohl Amling.
Eine ähnliche Publication wie diejenige der 18 bezw. 17 Artikel sind die sogenannten 28 Artikel
vom 2. März 1597. Man hat in diesen eine fürstliche Verordnung erblickt, durch welche officiell
der reformirte Bekenntnissstand eingeführt worden sei. So Hering, Geschichte der kirchlichen
Unionsversuche seit der Reformation bis auf unsere Zeit (Leipzig 1836) 1, 226; Schubring,
Einführung der reformirten Confession in Anhalt, S. 133; Schubert, Christenlehre nach
Luther und Melanchthon, S. 14; Zahn, Das gute Recht des reformirten Bekenntnisses und der
Heidelberger Katechismus in Anhalt, Elberfeld 1860. S. 20, 21; Allihn, Die reformirte
Kirche in Anhalt, S. 23 ff.; Ebrard, Salmar’s Harmonia confessionum fidei; Das einfältige Be-
kenntniss der reformirten Kirche aller Länder. Barmen 1887. S. 20. Nach den Ausführungen
Duncker’s kann es aber keinem Zweifel unterliegen, dass die 28 Artikel keinen officiellen
Charakter besitzen. Auch meine Archivforschungen haben dafür nicht den geringsten Anhalt
gebracht. Ich betrachte die 28 Artikel als die Formulirung der Wünsche eines streng Refor-
mirten, als eine Streitschrift aus jener aufgeregten Zeit, wodurch sich auch die derbe Aus-
drucksweise und die stellenweise gehässige Form erklären.
Ich habe ein handschriftliches Exemplar der 28 Artikel im Superintendentur-Archiv zu
Zerbst, XXVIII, Bl. 96 gesehen. Dieses ist ein Sammelband, in welchem ein Superintendent
aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts alle möglichen Urkunden, namentlich solche, die
sich auf die Confessionsstreitigkeiten bezogen, zusammengetragen hat. Der Titel lautete:
 
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