Einleitung
schen. Danach hob er die Seelmessen und Vigilien auf. Seit April 1525 durften die geistlichen Institute die
Horen nurmehr bei geschlossenen Türen und ohne Geläut begehen; die Messe zu feiern war einmal am Tag
bei offenen Türen gestattet172. Aus politischer Vorsicht scheute der Magistrat aber ein grundsätzliches
Verbot der Messe.
Seine Versuche, zu einem Kompromiß bei der Neugestaltung der Gottesdienste und der kanonischen
Stunden zu kommen, wie im Juli 1525 mit dem „Bedacht, welcher gestalt ein gottgevellig dinst im tag
gehalten möcht werden“, scheiterten am Widerstand der Stifte, vor allem an dem des Domstifts173. Auch
das von den Ratsherren angestrebte Gespräch über die Messe zwischen Vertretern der beiden Lager kam
nicht zustande, da der Bischof die beiden Termine im Dezember 1526 und im Mai 1527 verstreichen
ließ174. Im November 1527 beriet der Magistrat deshalb über die Abschaffung der Messe, gelangte aber zu
der Entscheidung, daß man mit gewalt oder der that die mess nicht abthun soll. Man beschloß, sich weiterhin
beim Kaiser, bei den Reichsständen und beim Bischof für eine Beseitigung der Mißbräuche und der der
Schrift widersprechenden Zeremonien einzusetzen und für die Einrichtung eines gottgefälligen Gottesdien-
stes zu werben175.
Die abwartende Haltung der städtischen Führung stieß auf heftige Kritik. Die Prediger machten trotz
des Verbots auf den Kanzeln ihrem Unmut Luft. Im Laufe des Jahres 1528 nahm der Druck auf den
Magistrat immer stärker zu: Neben den Prädikanten drängte nun auch die Bürgerschaft massiv auf eine
Beseitigung der Messe. Am 21. März 1528 reichten sechs Bürger eine „Supplication [...] umb abstellung der
meß und der bilder“ ein176. Am 3. August 1528 wurde dem Magistrat von jeder der 20 Zünfte ein gleich-
lautendes Gesuch im Namen der Bürgerschaft übergeben, in welchem die sofortige Abschaffung der Messe
verlangt wurde, die gewißlich gegen Got ist und gemeine Burgerschaft gegen einander in unwillen bringt177.
Nachdem ein letzter Versuch, die Stifte zum Einlenken in der Frage der Messe zu bewegen, fehlgeschlagen
war178, beschlossen die Ratsherren, die Angelegenheit vor die Schöffen zu bringen. An dieser Entscheidung
konnte nun auch eine auf Bitten des Bischofs entsandte Delegation des Reichsregiments nichts mehr
ändern, die an Weihnachten 1528 mit der Stadt über die Messe verhandelte.
Anfang Januar 1529 wurde vom Magistrat ein Schreiben an die Schöffen aufgesetzt, in welchem das Für
und Wider einer Abschaffung der Messe erörtert wurde (Nr. 9a). Eine Vorlage für das Schreiben bildete das
Gutachten einer Ratskommission, bestehend aus dem evangelisch gesinnten Klaus Kniebis, dem katholisch
gesinnten Martin Betschold und dem Stadtschreiber Peter Butz, das am 8. Dezember vor dem Magistrat
verlesen worden war179. Am 20. Februar 1529 kam es zur Abstimmung der Schöffen, bei der sich zwei Drittel
der Versammlung für die sofortige Suspendierung der Messe aussprachen. Noch am gleichen Tag informierte
man den Bischof und das Reichsregiment über die Entscheidung (Nr. 9b).
B. Der Aufbau der reformatorischen Kirche (1529-1549)
Innerhalb weniger Jahre nach der Aufhebung der Messe schuf der Magistrat neue kirchliche Strukturen.
Einer der ersten Schritte war 1529 die Gründung des Ehegerichts, dem ein Jahr später eine Eheordnung
172 Zu den einzelnen Beschlüssen s. Baum, Magistrat,
S. 149f. und Adam, Kirchengeschichte Straßburg,
S. 134f.
173 Der „Bedacht“ ist ediert in Bucer, Deutsche Schrif-
ten 2, S. 466f. Er dürfte auf einer nicht mehr erhaltenen
Eingabe der Prediger basieren.
174 Vgl. Adam, Kirchengeschichte Straßburg, S. 136f.
175 Zitate nach ebd., S. 137.
176 AMS 1 AST 80, Nr. 13. Vgl. auch die chronikalische
Notiz in Brant, Annalen, Nr. 4721.
177 Abdruck des Gesuchs der Zünfte in Bucer, Deutsche
Schriften 2, S. 426f. unter Anm. 17. Die Verfasser der
Supplik beriefen sich bei ihrer Forderung auf das Rats-
mandat zur Predigt des Evangeliums von 1523 (in die-
sem Band Nr. 2)
178 Vgl. Adam, Kirchengeschichte Straßburg, S. 140.
179 Das Gutachten ist ediert in Bucer, Deutsche Schrif-
ten 2, S. 427-429 unter Anm. 18.
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schen. Danach hob er die Seelmessen und Vigilien auf. Seit April 1525 durften die geistlichen Institute die
Horen nurmehr bei geschlossenen Türen und ohne Geläut begehen; die Messe zu feiern war einmal am Tag
bei offenen Türen gestattet172. Aus politischer Vorsicht scheute der Magistrat aber ein grundsätzliches
Verbot der Messe.
Seine Versuche, zu einem Kompromiß bei der Neugestaltung der Gottesdienste und der kanonischen
Stunden zu kommen, wie im Juli 1525 mit dem „Bedacht, welcher gestalt ein gottgevellig dinst im tag
gehalten möcht werden“, scheiterten am Widerstand der Stifte, vor allem an dem des Domstifts173. Auch
das von den Ratsherren angestrebte Gespräch über die Messe zwischen Vertretern der beiden Lager kam
nicht zustande, da der Bischof die beiden Termine im Dezember 1526 und im Mai 1527 verstreichen
ließ174. Im November 1527 beriet der Magistrat deshalb über die Abschaffung der Messe, gelangte aber zu
der Entscheidung, daß man mit gewalt oder der that die mess nicht abthun soll. Man beschloß, sich weiterhin
beim Kaiser, bei den Reichsständen und beim Bischof für eine Beseitigung der Mißbräuche und der der
Schrift widersprechenden Zeremonien einzusetzen und für die Einrichtung eines gottgefälligen Gottesdien-
stes zu werben175.
Die abwartende Haltung der städtischen Führung stieß auf heftige Kritik. Die Prediger machten trotz
des Verbots auf den Kanzeln ihrem Unmut Luft. Im Laufe des Jahres 1528 nahm der Druck auf den
Magistrat immer stärker zu: Neben den Prädikanten drängte nun auch die Bürgerschaft massiv auf eine
Beseitigung der Messe. Am 21. März 1528 reichten sechs Bürger eine „Supplication [...] umb abstellung der
meß und der bilder“ ein176. Am 3. August 1528 wurde dem Magistrat von jeder der 20 Zünfte ein gleich-
lautendes Gesuch im Namen der Bürgerschaft übergeben, in welchem die sofortige Abschaffung der Messe
verlangt wurde, die gewißlich gegen Got ist und gemeine Burgerschaft gegen einander in unwillen bringt177.
Nachdem ein letzter Versuch, die Stifte zum Einlenken in der Frage der Messe zu bewegen, fehlgeschlagen
war178, beschlossen die Ratsherren, die Angelegenheit vor die Schöffen zu bringen. An dieser Entscheidung
konnte nun auch eine auf Bitten des Bischofs entsandte Delegation des Reichsregiments nichts mehr
ändern, die an Weihnachten 1528 mit der Stadt über die Messe verhandelte.
Anfang Januar 1529 wurde vom Magistrat ein Schreiben an die Schöffen aufgesetzt, in welchem das Für
und Wider einer Abschaffung der Messe erörtert wurde (Nr. 9a). Eine Vorlage für das Schreiben bildete das
Gutachten einer Ratskommission, bestehend aus dem evangelisch gesinnten Klaus Kniebis, dem katholisch
gesinnten Martin Betschold und dem Stadtschreiber Peter Butz, das am 8. Dezember vor dem Magistrat
verlesen worden war179. Am 20. Februar 1529 kam es zur Abstimmung der Schöffen, bei der sich zwei Drittel
der Versammlung für die sofortige Suspendierung der Messe aussprachen. Noch am gleichen Tag informierte
man den Bischof und das Reichsregiment über die Entscheidung (Nr. 9b).
B. Der Aufbau der reformatorischen Kirche (1529-1549)
Innerhalb weniger Jahre nach der Aufhebung der Messe schuf der Magistrat neue kirchliche Strukturen.
Einer der ersten Schritte war 1529 die Gründung des Ehegerichts, dem ein Jahr später eine Eheordnung
172 Zu den einzelnen Beschlüssen s. Baum, Magistrat,
S. 149f. und Adam, Kirchengeschichte Straßburg,
S. 134f.
173 Der „Bedacht“ ist ediert in Bucer, Deutsche Schrif-
ten 2, S. 466f. Er dürfte auf einer nicht mehr erhaltenen
Eingabe der Prediger basieren.
174 Vgl. Adam, Kirchengeschichte Straßburg, S. 136f.
175 Zitate nach ebd., S. 137.
176 AMS 1 AST 80, Nr. 13. Vgl. auch die chronikalische
Notiz in Brant, Annalen, Nr. 4721.
177 Abdruck des Gesuchs der Zünfte in Bucer, Deutsche
Schriften 2, S. 426f. unter Anm. 17. Die Verfasser der
Supplik beriefen sich bei ihrer Forderung auf das Rats-
mandat zur Predigt des Evangeliums von 1523 (in die-
sem Band Nr. 2)
178 Vgl. Adam, Kirchengeschichte Straßburg, S. 140.
179 Das Gutachten ist ediert in Bucer, Deutsche Schrif-
ten 2, S. 427-429 unter Anm. 18.
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