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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0427
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Einleitung

bzw. Torgeldern dokumentiert43. Innerhalb der Hagenauer Geistlichkeit fand die neue Lehre aber kaum
Rückhalt44. Und auch in der Bürgerschaft und vor allem in der städtischen Führung scheint es nur wenige
Anhänger der Reformation gegeben zu haben45.
Als der Straßburger Bischof Wilhelm von Honstein den Territorialherren und Magistraten seines
Bistums die Aufforderung Kaiser Karls V. übermittelte, gemeinsam gegen die verdampt ketzerisch lere des
Martin Luter zusammenzustehen und ihre weitere Verbreitung zu verhindern, betonten die Ratsherren in
ihrem Antwortschreiben vom 4. Juni 1526, daß sie mit hilff und beystand gottlicher gnaden am alten Glauben
festhalten würden46.
Zu der ablehnenden Haltung der Ratsherren mögen nicht zuletzt auch die Vorkommnisse des Bauern-
kriegs beigetragen haben47. Hinzu kam der Einfluß des habsburgischen Oberlandvogts und seines in Hage-
nau residierenden Stellvertreters auf die städtische Politik48. Mit dem Humanisten Hieronymus Gebwiler,
der 1525 vom Rat als Nachfolger des entlassenen Hilspach zum Rektor der Lateinschule ernannt worden
war, beherbergte Hagenau einen entschiedenen Gegner der Reformation in seinen Mauern. Gebwiler hatte
bereits in Straßburg, wo er die Schule des Domkapitels leitete, offen gegen die reformatorische Bewegung
polemisiert und die evangelische Lehre als Häresie gebrandmarkt. Als ihm der Straßburger Magistrat
zusammen mit Thomas Murner das Schreiben verbot, verließ Gebwiler die Stadt. In Hagenau unterstützte
er die altgläubige Ausrichtung des Rates49. Im Widmungsbrief seines 1528 veröffentlichten Werks „Gravis-
simae sacrilegii ac contemptae theosebiae ultionis [...] syngramma“ lobte er den Hagenauer Rat ausdrück-
lich wegen seiner standhaften Haltung, die dem Herkommen der Stadt gemäß sei50. Eine besondere Rolle
bei der Bewahrung des alten Glaubens maß Gebwiler dem Haus Habsburg zu, das er in zahlreichen seiner
Werke hymnisch feiert51. Nach zwanzigjähriger Wirksamkeit starb Gebwiler 1545 in Hagenau.
Als im April und Mai 1535 die beiden Pfarreien St. Georg und St. Nikolaus von den Johannitern bzw.
den Prämonstratensern in den Besitz der Stadt übergingen und der Rat damit die Kontrolle über den
Pfarrklerus erhielt, scheint er keinerlei Anstrengungen zur Änderung der kirchlichen Verfassung unternom-
men zu haben52. Ohne weitere Auswirkungen auf die konfessionelle Lage der Stadt blieb auch das Religi-
onsgespräch, das im Sommer 1540 in Hagenau stattfand. Zwar wurde während der Zeit der Versammlung in
den Quartieren der evangelischen Reichsstände trotz des Verbots von König Ferdinand I. Gottesdienst
gefeiert; zu diesem hatten die Bewohner der Stadt aber vermutlich keinen Zugang53.
Nach 1540 schlossen sich in der Umgebung Hagenaus jedoch mehrere Herren der Reformation an. Zu
ihnen zählte Ludwig von Eschenau, der 1542 in der südöstlich der Stadt gelegenen Herrschaft Bischweiler
(Bischwiller) die neue Lehre einführte. Zur Absicherung dieses Schritts trug er seine Herrschaft dem Her-
zogtum Pfalz-Zweibrücken als Lehen auf. Erster evangelischer Prediger in Bischweiler war Gervasius Schu-
ler54. Nur kurze Zeit später wandte sich Graf Philipp IV. von Hanau-Lichtenberg, dessen Gebiete Hagenau
in weitem Bogen umschlossen, der Reformation zu55. Zu den in der Nähe gelegenen evangelischen Gebieten

43 Vgl. Hanauer, Protestantisme, S. 55f.
44 Ebd., S. 52f. Im Februar 1525 weigerten sich die
Kapläne des Spitals, die Messe zu lesen. Aus den über-
lieferten Dokumenten läßt jedoch nicht klar erkennen,
was die Ursache für diese Maßnahme war.
40 Vgl. Mull, Aspects du protestantisme, S. 168.
46 Das Schreiben aus AM Haguenau GG 50 wird auszugs-
weise in Adam, Kirchengeschichte Elsaß, S. 438 zitiert.
47Vgl. Hanauer, Protestantisme, S. 57f.; Mull, Aspects
du protestantisme, S. 168. Alle im Hagenauer Forst gele-
genen Klöster waren durch die Bauern besetzt und
geplündert worden.
48 Vgl. Becker, Geschichte, S. 80-85.
49 Vgl. den Artikel zu Hieronymus Gebwiler in Deutscher
Humanismus 1, Sp. 871f.

50 Zu diesem in Hagenau bei Wilhelm Seltz gedruckten
Werk (VD 16, G 597) vgl. ebd., Sp. 879f.
51 Vgl. die ebd., Sp. 876 (A 2.2.d.), Sp. 879f. (B 1.b.),
Sp. 883 (C 1.c. - 1.f.) und Sp. 886f. (C 2.c.) aufgeführten
Schriften Gebwilers.
52 Vgl. Burg, Saint-Nicolas, S. 53f. 1543 genehmigte Kai-
ser Karl V. die Übernahme unter der Bedingung, daß die
Stadt am alten Glauben festhalte; vier Jahre später, im
Dezember 1547, erteilte dann auch der Papst seine
Zustimmung.
53 Vgl. Grasser / Traband, Histoire de Haguenau, S. 87.
54 Vgl. Clauss, Historisch-topographisches Wörterbuch,
S. 137-140; Sehling, EKO XX,1, S. 99f. und 535f.
55 Zur Einführung der Reformation in der Grafschaft
Hanau-Lichtenberg vgl. in diesem Band S. 28f.

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