Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0465
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
5. Zuchtordnung 1571

unnd des Burgkbanns oder sonsten nach eines Er-
samen Rhats erkantnuß unablässig gestrafft wer-
den.
Von üppigem unnd unzüchtigem Dantzen
Es ist auch offenbar, das auß den unzüchtigen,
uppigen und winckeldäntzen21 zweiffels ohn aller
unrath unnd ubels entstehet, Sonderlich aber, das
dieselbigen zur unzucht unnd allerley bösen bewe-
gungen und anreitzungen dienen, Und aber doch sol-
che von tag zu tag, je lenger je mehr, einreissen,
Solchem zu fürkommen, Haben unsere Herren,
Meister und Rhat, erkant, auch zuhalten gebotten,
Das fürohien kein offentlicher oder heimlicher
Dantz, Es sey gleich in Heüsern, auff den Gassen
oder auch auff den Zunfftstuben, in Würtzs- |A 6r|
heüsern oder an andern orten, nit solle gehalten wer-
den ohne erlaubnus Meister und Marschalcks22, so
je zu zeiten seind, Außgenommen zu Ehrlichen
Brautleuffen23 und Hochzeiten Oder wa ein gemeine
Zunfft oder Schützengesellschafft ire frawen in ehr-
licher gesellschafft bei einander hetten, Doch das
dannocht dieselben Däntz mit Ehren und Züchten
von geladnen24 beschehen und alle Unerbarkeit, alß
daß ungebürlich angreiffen25, unzimlich herumb
werffen, auch andere ungeberden, vermitten und der
Ordnung nach züchtiglichen gedantzt werde, auch
keiner neben auß26 oder den andern fürlauffe. Es soll
auch fürohien, es seien Mägd oder Knecht, so nit
zur Hochzeiten geladen, darzu lauffen oder Dant-
zen, Es were dann das sie ire Herrschafften zuholen
begerten und einem oder einer ein Ehrdantz ge-
bracht würde, für sich selbst aber auffzuziehen27 und
ungeladen zu dantzen verbotten sein. Dann, wer
darwider thett, der oder dieselben sollen allemal in
Almussen Kasten bessern und abtragen sechs schil-
ling pfennig.
21 An verborgenen Orten (ohne Genehmigung) veranstal-
tete Tänze, s. Grimm, DWb 30, Sp. 381.
22 Zu den vier Marschalken vgl. die Einleitung S. 404.
23 Feier bei der Heimführung der Braut, s. FWb 4,
Sp.1003-1005.
24 Eingeladenen Gästen.
20 Mit den Händen anfassen, umfassen, s. FWb 1, Sp. 1181.
26 Seitwärts, s. Grimm, DWb 13, Sp. 494.

Von Fressen und Sauffen, auch Voll- unnd
Zutrincken, deßgleichen den Kindsschencken28
und Hochzeiten etc.
Es ist kundt unnd offenbar auß Gottes Wort unnd
teglicher erfahrunge, das Fressen und Sauffen ein
grausame erschröckliche Sünd ist und nach vermög
der Heiligen Schrifft kein Trunckener das Reich
Gottes besitzen würt29, das auch darauß allerley
grewliche Laster als Unzucht, Balgen, Hadern, Tod-
schlege, Mordt, Gottslestern, Fluchen, Schweren,
auch Kranckheiten des Leibs, Zerrüttung des Ver-
standts und Vernunfft unnd deßgleichen ubel er-
wachsen, unnd |A 6v| aber doch solch laster so sehr
uberhand genommen, das es bey menniglichen für
kein Sünd mehr, sonder als ein ehrlich unnd löbliche
That gehalten würt, dardurch dann der Almechtig
(zweiffels ohn) auffs höchste erzürnt und mit gegen-
wertiger Thewrung solche Sünd gewißlich bei uns
heimsucht und, wa dero nit bei zeit gewehrt, zube-
sorgen, es werde Gott, der Allmechtig, uns allen den
garauß machen, So seind derhalben unsere Herren,
Meister unnd Rhat, inn ansehung ires von Gott be-
fohlnen und tragenden ampts abermals verursacht
worden, hiemit dises laster gentzlichen uverbiet-
ten, Ordnen, setzen und gebieten demnach hiemit
ernstlich, das nun forthien alle ire Burger und hin-
dersassen sich des schandtlichen lasters des voll-
unnd zutrinckens gentzlich enthalden unnd müssi-
gen, Auch forthien nit allein keiner für sich selbst
sich mit Trincken uberladen und ungeschickt ma-
chen solle, sonder es solle auch keiner dem andern
nicht gar außbringen30, warten31 oder in andere weg,
wie das geschehen kan oder mag, darzu nit reitzen,
bewegen, viel weniger nöttigen. Dann, welcher das
gefahrlicher weiß uberfahren32 oder inn disem laster
der Trunckenheit erfunden würde, der soll, so offt

27 Auf das Fest zu kommen.
28 Taufschmaus, s. FWb 8, Sp. 905.
29 Vgl. 1Kor 6,9-10.
30 Jemandem (ein bestimmtes Quantum) vortrinken, s.
FWb 2, Sp. 927f.
31 Jemanden mit Trank versorgen, s. Wb. d. elsäss. Mund-
arten 2, S. 857; Grimm, DWb 27, Sp. 2138.
32 Übertreten, s. Grimm, DWb 12, Sp. 198f.

445
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften