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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0509
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Einleitung

sten). Darüber hinaus enthält die Ordnung Anweisungen für die Organisation des kirchlichen Unterrichts
(„Kinderbericht“), für die Einsegnung der Ehe, die Beerdigung und die Bettage. Die Feier des Abendmahls
wird besonders behandelt145.
Ambrosius Socinus (Socin), dem wir die Aufzeichnungen verdanken, stammte aus Basel und hatte an
den Universitäten Basel und Heidelberg studiert. Mehr als zwei Jahrzehnte lang war er als Pfarrer in
Gemeinden der Markgrafschaft Baden-Durlach tätig; dann wurde er aus dem Dienst entlassen, weil er sich
weigerte, die Konkordienformel zu unterzeichnen. In Colmar trat er die Nachfolge des im August 1600
verstorbenen Andreas Irsamer an. Nach dem Tod von Christian Serinus am 6. Oktober 1603 rückte Socinus
auf die Stelle des ersten Pfarrers vor146. Da Serinus in der Gottesdienstordnung noch an zwei Stellen Erwäh-
nung findet, muß die Ordnung vor dem 6. Oktober 1603 abgefaßt worden sein.
Socinus’Wirken ist die reformierte Ausrichtung der Colmarer Kirche im ersten Viertel des 17. Jh. zu
verdanken. Damit einher ging eine politische Neuorientierung der Stadt hin zu Basel, zur Kurpfalz und zum
Herzogtum Pfalz-Zweibrücken. Erst das Verbot der evangelischen Lehre in Colmar im Jahr 1628 beendete
diese calvinistische Phase147. Nach der Eroberung der Stadt durch die schwedischen Truppen unter General
Horn und der Wiedereinführung des Protestantismus 1632 gelangte die evangelische Kirche Colmars dann
unter den Einfluß des lutherischen Straßburg und seines Kirchenpräsidenten Johannes Schmidt148.
In der von Socinus überlieferten Gottesdienstordnung ist an zwei Stellen (beim Gebet für alle Stände
und bei den Gebeten der Litanei) auf die Bestimmungen einer kirchenordnung verwiesen. Nach den For-
schungen von Kaspar von Greyerz besaß Colmar in der Zeit von der Einführung der Reformation 1575 bis
zum Verbot des Protestantismus 1628 aber weder eine eigene Kirchenordnung noch einen eigenen Kate-
chismus. Er kommt daher zu der Vermutung, daß man in Colmar den Katechismus von Brenz und die
Große württembergische Kirchenordnung von 1559 benutzte, die der Superintendent von Horburg-Rei-
chenweier, Nikolaus Cancerinus, 1575 in zwei Exemplaren nach Colmar gesandt hatte149. Der Katechismus
und die Kirchenordnung fielen anscheinend selbst der Kontroverse um den Württemberger Johann Georg
Magnus im Jahr 1589 nicht zum Opfer150. Jedenfalls berichtete Serinus in einem Brief vom Dezember 1589
an Magnus, daß auch forthin die Würtembergische agend und derselbe Catechismus, auch die äusserliche Kir-
chengebräuch noch, wie biß anhero beschehen, gehalten werden151. Vor 1608 wurde der Brenzsche Katechismus
dann aber doch durch einen reformierten Katechismus ersetzt. Und auch die Kirchenordnung erlebte einige
deutliche Modifikationen (s. das Verbot der Nottaufen durch Hebammen)152.
14. Hochzeitsmandat, 3. Dezember 1608 (Text S. 532)
Siehe hierzu die Erläuterungen unter Nr. 12.
15. Eid der Prediger, [25. April 1615] (Text S. 535)
Siehe hierzu die Erläuterungen unter Nr. 2.

145 Zwischen den einzelnen Einträgen der Gottesdienstord-
nung sowie am Rand finden sich verschiedene Notizen
chronikalischer Art. Diese Notizen wurden nicht in die
Edition aufgenommen.
146 Zu Ambrosius Socinus vgl. Bopp, Geistliche, Nr. 4935;
Greyerz, City reformation, S. 149f.

147 Vgl. Greyerz, City reformation, S. 153.
148 Vgl. Adam, Kirchengeschichte Elsaß, S. 484-489.
149 Vgl. oben S. 483.
150 Vgl. Greyerz, City reformation, S. 155f.
151 Zitiert nach Schmidt, Widerlegung, S. 42.
152 Vgl. Greyerz, City reformation, S. 156.

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