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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (21. Band = Nordrhein-Westfalen, 1): Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg - das Hochstift und die Stadt Minden - das Reichsstift und die Stadt Herford - die Reichsstadt Dortmund - die Reichsabtei Corvey - die Grafschaft Lippe - das Reichsstift und die Stadt Essen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.30663#0511
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Einleitung

gescheitert waren,32 kam Barenbroich schließlich Ende April 1563 in die Stadt.33 Am 28. April predigte er
die neue Lehre in der Kapelle des Heilig-Geist-Spitals, eine Woche später - am 2. Mai - teilte er dort das
Abendmahl unter beiderlei Gestalt aus.
Bei seinem rund dreiwöchigen Aufenthalt im Frühjahr 1563 führte Barenbroich die 1557 von Herzog
Wolfgang erlassene Zweibrücker Kirchenordnung in Essen ein.34 Diese Ordnung blieb bis weit ins 17. Jahr-
hundert hinein in Kraft und wurde erst 1664 von einer Essener Kirchenordnung35 abgelöst, die jedoch auf
der Zweibrücker aufbaute.
Heinrich Barenbroich hielt sich in den 1560er Jahren noch mehrfach jeweils für kurze Zeit in Essen
auf.36 Ende 1572 gelang es schließlich gegen den fortwährenden Widerstand Herzog Wilhelms V. von Kleve,
Barenbroich endgültig nach Essen zu holen, wo er bis zu seinem Tod noch fünf Jahre an St. Gertrud tätig
war.
2. Ratsmandat, Personen geistlichen Standes nicht zu beschimpfen [1563, ca. Dezember] (Text S. 498)
Am 1. Oktober 1563 erklärte der Essener Magistrat gegenüber der Fürstäbtissin, dass die Stadt die Con-
fessio Augustana angenommen habe.37 Mit diesem Schritt gab der Essener Rat nicht nur offiziell den
Übertritt zur Reformation bekannt, sondern machte der Äbtissin auch die Stadt- bzw. Landeshoheit offen
streitig. In seinem souveränen Handeln setzte sich der Rat schließlich durch, denn Heinrich Saldenberg, der
Pfarrer an St. Gertrud, wurde im gleichen Jahr aus seinem Amt verdrängt, die Pfarrstelle fortan vom Rat
besetzt.38
Während die Stadt sich 1563 offiziell zum evangelischen Glauben bekannte, blieb das Stift katholisch.
Dieser Dualismus zeichnete sich auch in der Nutzung der Essener Kirchen ab: Während im Münster und in
der Kanonikerkirche St. Johann katholische Messen gefeiert wurden, fanden in der Marktkirche St. Ger-
trud evangelische Gottesdienste statt.

32 Schreiben des Essener Rats an Barenbroich vom 8. und
21. Dezember 1561, StadtA Essen 100/2231/1, fol. 2, vgl.
Küppers-Braun, Katholisch, S. 26; Müller, Refor-
mation, S. 79, 85, 99-123; Back, Heinrich von Kempen,
S. 324f. Schreiben des Essener Rats an Barenbroich vom
25. März 1563 (StadtA Essen 100/2231,1, fol. 9).
33 Rotscheidt, Essener Chronik, S. 269-273; Wächtler,
Geschichte, S. 9-12; Rosenkranz, Barenbroch,
S. 34-38.
34 Abdruck der Pfalz-Zweibrücker Kirchenordnung von
1557 in Sehling, EKO XVIII, S. 71-259. Vgl. Müller,
Reformation, S. 124f.; Wächtler, Geschichte, S. 13;
Ascherfeld, Entstehung, S. 106-108. In einem Brief an
Bürgermeister und Rat in Essen vom 30. April 1566
erwähnte Barenbroich, er habe „ein christliche kirchen-
ordnung“ aufgerichtet (StadtA Essen 100/2231,1, S. 95).
Dass es sich hierbei um die Pfalz-Zweibrücker Ordnung
handelte, geht aus dem Schreiben zwar nicht hervor, wird
aber durch die Predigerartikel von 1571 (Nr. 3) bestätigt.
35 Kirchenordnung vom 23. Januar 1664 (StadtA Essen
100/2250), Abdruck in Wächtler, Geschichte, S. 171-
174.
36 Grevel, Anfang, S. 102-110; Wächtler, Geschichte,
S. 15-21, 28; Jahn, Geschichte, S. 223; Rosenkranz,
Barenbroch, S. 44, 49-55; Back, Heinrich von Kempen,
S. 326-332; Schröter, Reformation, S. 76f.; Rot-

scheidt, Essener Chronik, S. 276. Vgl. den Briefwechsel
in StadtA Essen 100/2231,1.
37 StadtA Essen 100/2246, fol. 10r: „daß ein raith und statt
Essenn als ohn myttell dem reich underworffen in krafft
des religion friddens und abscheidts, im jar etc. 55 zu
Augspurgh ufgericht, frei stehe, die heilsame Augspurg-
sche confession (dero wir uns hiemyt ußtrucklich unnd im
nhamen Gottes erkleren) antzunhemen und disfals under
sulchen religion- und landtfriddens schutz und schirm
unser thun widder e[uer] g[naden] und menniglichen
zuverthedingenn“. Vgl. Müller, Reformation, S. 83f.
38 Wächtler, Geschichte, S. 11; Helbich, Pax et Con-
cordia, S. 198, 202, 212; Rosenkranz, Barenbroch,
S. 34-36; Schröter, Reformation, S. 74; Jahn, Ge-
schichte, S. 221. Im Frühjahr 1562 und im August 1563
erwirkte die Essener Äbtissin vom Offizial des Kölner
Erzbischofs zwar Pönalmandate, in denen jede Verände-
rung der kirchlichen Zeremonien an St. Gertrud untersagt
wurde, konnte diese jedoch nicht durchsetzen, Müller,
Reformation, S. 165, 169; Wächtler, Geschichte, S. 7.
Bei dem 1564 beim Reichkammergericht begonnenen Pro-
zess der Äbtissin gegen die Stadt ging es um den Erhalt
ihrer Landeshoheit, Küppers-Braun, Katholisch, S. 20,
46; dies., Reichsstadt, S. 103-105; Müller, Reforma-
tion, S. 81, 84-91; Helbich, Rezeption, S. 39; ders., Pax
et Concordia, S. 210-212; Hegel, Vergangenheit, S. 167.

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