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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0092
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Die Grafschaft Wittgenstein

13. Kirchenzuchtordnung [1605, vor August 20] (Text S. 139)
Ludwig I. trat 1603 von der Regierung zurück, nach seinem Tod 1605 wurde die Grafschaft unter seine
Söhne geteilt: Ludwigs ältester Sohn, Georg101 (reg. 1605-1631), erhielt den Berleburger Teil mit der Herr-
schaft Homburg (Wittgenstein-Berleburg). Ludwigs zweitältester Sohn, Wilhelm (reg. 1605-1623), der mit
Anna Elisabeth, der Nichte des letzten Grafen von Sayn verheiratet war, erhielt die Grafschaft Sayn
(Wittgenstein-Sayn)102 und seinem jüngsten Sohn, Ludwig (reg. 1605-1634), fiel der Wittgensteiner Teil
sowie die Herrschaft Vallendar (Wittgenstein-Wittgenstein) zu.103
Im Gegensatz zum Wittgensteiner Kernland hielt man in Homburg bis Ende des 16. Jahrhunderts am
lutherischen Bekenntnis fest, vermutlich deshalb, weil die Grafen von Sayn-Sayn als Mitregenten der Wit-
tenberger Theologie anhingen. Erst nachdem die Kondominatsverhältnisse im Siegburger Vergleich vom 12.
Juni 1604 beseitigt worden waren und Graf Georg die Alleinherrschaft angetreten hatte, führte er auch in
Homburg die Zweite Reformation ein.104 Die treibende Kraft hierfür war Paul Crocius, der Laaspher Pfar-
rer und Wittgensteiner Inspektor.105 Die Neuerungen mussten jedoch gegen den Widerstand der Gemeinden
durchgesetzt werden.106 1605 erließ Graf Georg eine von Paul Crocius verfasste Kirchenzuchtordnung
(Nr. 13), in der die Sündhaftigkeit des Menschen und die erforderliche Buße besonders betont wurde. Der
erste Abschnitt befasst sich mit dem Ablauf der Gottesdienste unter besonderer Berücksichtigung der
Bußpredigten, für die eine Liste mit Kapiteln aus den Büchern des Pentateuch und der Propheten beige-
geben wurde. Im zweiten Abschnitt gibt die Ordnung Anweisungen, wie sich die Gläubigen während der
Gottesdienste und insbesondere bei der Abendmahls- und Tauffeier verhalten sollten. Schließlich ordnete
Graf Georg regelmäßigen Katechismusunterricht an und schärfte den Gläubigen den Besuch der Bettags-
und Wochenpredigten ein. Ferner legte er die Amtsbefugnisse der Kirchendiener fest und drang auf deren
vorbildlichen Lebenswandel. Besondere Bedeutung maß er den Schulen bei. Er plante, bei jeder Pfarrkirche
eine Lehranstalt einzurichten und für das Schulwesen eine gesonderte Ordnung zu erlassen.107
Die Ordnung stellte das sittliche Verhalten der Gläubigen in den Vordergrund. In dieser strengen Form
der Kirchendisziplin, die die Buße betonte, kommt der reformierte Charakter der Ordnung zum Ausdruck.
Einige überlieferte Rügezettel bezeugen, dass die Kirchenzucht bereits in der zweiten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts in der Herrschaft Homburg durchgesetzt wurde.108

101 Zu Georg von Sayn-Wittgenstein-Berleburg siehe Bur-
kardt/Lückel, Das Fürstliche Haus, S. 7f.
102 Wilhelm führte hier das reformierte Bekenntnis ein,
Dresbach, Kirchengeschichte, S. 522-527.
103 In der Herrschaft Vallendar konnte die Reformation auf-
grund des Einflusses der Erzbischöfe von Trier nicht ein-
geführt werden, Burkardt, Art. Sayn-Wittgenstein;
ders., Reformierte, S. 89-116; ders., Grafschaft Wittgen-
stein, S. 475; Schröer, Reformation 1, S. 455; Spies,
Wirtschaft, S. 15; Dresbach, Kirchengeschichte,
S. 521-527; Demandt, Geschichte des Landes Hessen,
S. 518; Winckel, Aus dem Leben Ludwigs, S. 3; Pam-
pus, Ludwig, S. 38f.; Düwell, Reformation 2012, S. 75;
Neweling, Geschichte, S. 208f.
104 Heckmann, Vergleich, S. 55-119, Abdruck des Vertrags-
texts ebd., S. 105-119; ders., Umfang, S. 159f.; ders.,
Geschichte, S. 64, 82f.; ders., Reformation, S. 24f.; Pam-
pus, Ludwig, S. 32, 38f.; Düwell, Reformation 2012,
S. 69; Hennes, Aus alten Tagen, S. 40-42.
105 Heckmann, Geschichte, S. 54; ders., Reformation, S. 26;
Pampus, Ludwig, S. 32.
106 Am 30. Dezember 1604 schrieb die Gemeinde des Kirch-

spiels Wiehl an Georg von Wittgenstein: „Was zum
andern Ew. Gn. im Namen unser auf der Huldigung in
punkto [!] religionis in Untertänigkeit vorbracht und wor-
auf sich auch Ew. Gn. gnädig resolviert, sind wir in unter-
tänigem Vertrauen, Ew. Gn. wollen als ein christliebender
Herr gnädig beherzigen, daß unser mehrerentheils fast
[=sehr] alte Leute und die Jungen bei vorg. Angezogenem
und Exercitium religionis anders nicht unterrichtet wor-
den, als im Heiligen Römischen Reich der Augsburgischen
Religion gemäß zugelassen wird. Wie auch die fürstlichen
und gräflichen Vorfahren uns bis dahero dabei behandigt
haben, also daß wir in unserem hohen Alter gegen unser
Gewissen nicht bedrängt würden“, zitiert nach Heck-
mann, Reformation, S. 47f.
107 Zum Inhalt siehe Heckmann, Reformation, S. 26f.;
ders., Geschichte, S. 56; Kaufmann, Kirchenzucht im
Homburger Land, S. 136f.
108 Vgl. Kaufmann, Kirchenzucht in den ehemaligen freien
Reichsherrschaften, S. 91-135; ders., Kirchenzucht im
Homburger Land, S. 135-147; Heckmann, Reformation,
S. 27 Anm. 59.

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