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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0134
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Wittgenstein

Wie es den sonabend zuhalten
Des sonabends zur vesper, wenn man den folgenden
tag das nachtmal zu halten bedacht ist, soll man
nach beschehenem geleute einen psalm oder zween
nach gelegenheit singen. Darnach soll der diener ein
text, vom nachtmal des herren lautendt, auß den
evangelisten oder heyligenn Paulo vor sich nemen,
darauß die leute zur vorbereytung zu underweisen
und von der einsatzung des abendmals, auch, wie
man dasselbig christlich und fruchtbarlich geniessen
soll, bericht thunn. Es sollen auch den sonabend,
wenn man die vermanung zu denen thut, die des
folgenden tags communiciren wöllen, allweg zween
der eltesten in der kirchen sein, und mit auff den
hauff sehen etc.
Wenn diß geschehen, soll er die communicanten,
ein jeden in sonderheit, vor dem altar sich anzeigen
lassen; würde alß dann jemand vorkommen, welcher
der christlichen lehr noch ohnwissendt und ohner-
faren (wie er dieselbigen, sofern sie seiner pfarkinder
und in die gemein gehörig erkennen), soll er sie
freundlich abweisen und, das sie zuvor die lehr und
geheimnuß Gottes erkennen lernen, vermanen. Deß-
gleichen soll er auch thun mit knechten und mäg-
den, welche in der gemein nicht aufferzogen, |64r|
von aussen dahinn kommen und gemietet sein. Da
aber jemands, welcher ein ergerlich leben geführet
und führet, mit underlauffen62 wolte, wie er solches
auß voriger von den seniorn erkundigung wissen
kan, soll er denselbigen heyssen stehen bleyben und
nach gestalt der sachen mit ihm handeln.

62 Darunter sein.
63 Zugerichtet, vorbereitet.
64 Damasus I., römischer Papst (366-384), soll in Rom ein
von Hieronymus verfasstes Lektionar eingeführt haben,
vgl. Hugo von St. Victor, De caeremoniis ecclesiasticis
II, 11 = PL 177, Sp. 416: Hieronymus presbyter Lectio-
narium ut hodie habet Ecclesia collegit, sed Damasus
papa ut nunc moris est legi instituit. Vgl. auch Seh-
ling, EKO VI/2, S. 1006 Anm. 8.
65 Kirchenordnung Herzog Heinrichs von Sachsen 1539,
Sehling, EKO I, S. 271f.

Wie den sontag
Es ist in voriger form verordnet, das, wenn das
nachtmal zuhalten, erstlich der altar zu gestelt63,
und darnach der lateinisch introitus, kyrie, graduale
und alleluia mit dem lectionario und evangeliario
(wie es Alexander und Damasus64, stiffter, nennen)
zur praeparation soll gesungen und gebraucht wer-
den, wird auch also in der sachsischen kirchen agen-
da65, welche wir in unsern kirchen haben, gesetzt.
Wiewol aber solches als ein menschlicher zusatz, wie
es sein die papisten mit den unsern bekennen müs-
sen, billich solt underlassen und nit zuhalten und
gebrauchen befolhen werdenn.
Dieweil doch, ohn das wir ein ohnwissendt,
schlecht66, grob und beurisch volck haben, bey wel-
chem frembde sprachen wenig bawen, auch ein blose
lection der episteln und sontäglichen evangelii, rew
und glauben zufürdern nit dienlich, soll man vor das
erste das Veni sancte deutsch singen67, darauff ver-
lesen die wort 1. Corinth 11 [28]: Es prüffe sich aber,
etc. | 64v | oder auß dem ersten und andern capitel
prioris epistolae Iohannis68: So wir sagen, wir haben
keine sünde, so verfüren wir uns selbs etc., die leute
zur buß und rechter probirer69 selbs zu [be]wegen,
unnd nach dem Auß tieffer nott schrey ich zu
dir70 etc. als ein confessionem singen unnd nach die-
sem das 6. capitel Johannis oder das 53. capitel Je-
saiae vorlesen und alßdann den glauben71 singen,
und folgend auff die cantzel tretten.
Nach der predigt, wenn der diener wieder vor
den altar gedretten, lese er paraphrasin des vatter
unsers und vermanung an die communicanten, wie
sie in der kirchen agenda72 beschrieben, darauff die

66 Schlichtes, einfältiges.
67 Luther: Komm, Heiliger Geist, Herre Gott, AWA 4,
Nr. 15.
68 1Joh 1,8.
69 Prüfung.
70 Luther: Aus tiefer Not schrei ich zu Dir, AWA 4, Nr. 11.
71 Siehe oben, S. 102, Anm. 60.
72 Kirchenordnung Herzog Heinrichs von Sachsen 1539,
Sehling, EKO I, S. 272f.

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