Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0305
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
3. Bentheim-Tecklenburger Kirchenordnung 1588/1619

der Apostel Paulus, Rom. 6, v. 23, ist der Todt. Die
ursach der kranckheit sol der Kirchendiener dem
Krancken, welche ihre Sunde nicht recht fühlen, wol
für die Augen halten, wie auch dagegen, im fal der
Krancke mit schmertzen seines Gewissens geüng-
stiget ist, der Kirchendiener der verwundten Gewis-
sen nit hlrter ängstigen, sondern vil mehr die heil-
same Gnade Gottes ihm fleissig einbilden sol.
Fürnemblich aber sol der Kirchendiener zu mehrerm
trost dem krancken die Articul deß Christlichen
glaubens207 fürhalten, dieselbige erklären unnd ihme
anzeigen, wie er sich eins jeden Ar- 11721 ticuls für
sein eigne Person in der kranckheit zu trösten hab.
Zum andern: Damit der krancke in seinen Sünden,
kranckheiten und allerley anfechtungen, auch deß
Todts angst unnd noth nicht verzage oder kleinmü-
tig werde, So sol der Kirchendiener das heilige
Evangelium ihme fürhalten, in welchem erstlich ge-
lehret wirt, daß Christus, der Sohn Gottes, uns von
der Sünden loß, ledig unnd selig gemacht, so wir sei-
ner verheissung glauben, Act. 13, v. 38, 39: So sey
euch nun kundt gethan, lieben Brüder, daß euch
verkündigt wirdt vergebung der Sünde durch diesen
Jesum Christum Und von dem allen, darvon ihr
nicht kondt im Gesetze Moysi gerecht werden; wer
an diesen glaubt, der ist gerecht, Actor. 15, ver. 9:
Er hat ihre Hertzen gereiniget durch den Glauben.
Zum andern, Daß er auch die Sünde durch seinen
heiligen Geist in diesem leben auß unser Natur auß-
fegen unnd 11731 vertilgen unnd endtlich nach diesem
leben von allen Sünden uns reinigen wolle, auff daß
wir hir anfahen, in warer gerechtigkeit unnd heilig-
keit für Gott zu wandelen und nach dem absterben
dieses lebens in aller volkommenheit ewig mit Gott
leben mögen.
Zum dritten: Damit nun solches geschehen unnd in
uns volnbracht werde, So schicket uns unser lieber
Herr Gott kranckheit, ja auch den Todt zu auß gros-
ser gnad, daß er uns in diesem leben zu warer busse
und glauben treibe und endtlich auß der Sünden,

darin wir noch stecken, und auß allem unglück bei-
de, leiblich und geistlich, frey mache, wie solchs
1. Cor. 11, ver. 32 gelehret wirdt: Wenn wir vom
Herren gerichtet werden, so werden wir gezüchtiget,
auff daß wir nicht mit der Welt verdampt werden.
11741
Zum viertenp: Wann nun der Diener den krancken
solche und dergleichen puncten nach gestalt seines
Gewissens zum trost hat fürgetragen, so sol er zum
beschluß dahin arbeiten, daß auß dem Hertzen deß
krancken das schrecken und forcht deß Todts unnd
göttlichen Gerichts (so er damit beladen) genom-
men werde, welches der Diener desto leichter wirdt
thun können, wann er den Krancken auß Gottes
Worte wirt uberzeugen, unnd der Krancke dem
glaubt, daß ihn Gott, der himlischer Vatter, zum
Kindt und Erben208 deß ewigen Lebens in Christo
auffgenommen unnd ihme alle seine Sünden durch
den Todt Jesu Christi, der allein die vollkommene
bezahlunge vor alle glaubige Sünder ist, vergeben
habe. Weil dann dem also, so 11751 darff sich der
krancke seiner Sünde halben, die ihme nun verzie-
hen, nit bekümmeren, Als solt ihn Gott darumb ver-
werffen unnd verdammen, Sondern zu Gott als zu
seinem himlischen Vatter sol er sich alles guts ver-
sehen, daß, wie er in diesem leben angefangen hab,
ihme seine barmhertzigkeit zubeweisen und er da-
von zeugnuß in seinem Hertzen empfindet, so werde
er auch dieselbe in der zeit der noth als in schwerer
kranckheit und Todts nöten nicht von ihme nem-
men, sonder ime endtlich nach seiner verheissung
und unwandelbaren willen selig machen, wie Chri-
stus lehret, Johan. 6, ver. 40: Das ist der will deß,
der mich gesandt hat, daß, wer den Sohn sihet und
glaubt an ihn, hab das ewige Leben, und ich werde
ihn aufferwecken am jüngsten Tage.
Es sollen auch die Kirchendiener die krancken
nit einmal, sonder zum offter-11761 mal, auch uner-
fordertK, ersuchen und bey den Krancken mit den
beywesenden, so offt es sein mag, das Christliche
Gebett thun auff folgende oder dergleichen weise0.

K NB.
207 Siehe oben, Anm. 38.
p Im Druck: Zum dritten. 208 Röm 8,17; Gal 4,7.

287
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften