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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (22. Band = Nordrhein-Westfalen, 2): Das Erzstift Köln - die Grafschaften Wittgenstein, Moers, Bentheim-Tecklenburg und Rietberg - die Städte Münster, Soest und Neuenrade - die Grafschaft Lippe (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.33493#0398
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Die Stadt Soest

9. Eheordnung 24. Juli 1583 (Text S. 479)
Im Zuge der reformatorischen Neuerungen griffen die Obrigkeiten auch in die eherechtlichen Verhältnisse
ein, ohne jedoch ein evangelisches Eherecht zu schaffen. Zahlreiche Eheordnungen und Einzelbestimmun-
gen fußen daher auf den Grundlagen des Römischen Rechts. Zu den oft strittigen Fragen gehörte die, ab
welchem Verwandtschaftsgrad die Ehe zulässig sei. Auch in Soest war dieses Problem 1583 in einem kon-
kreten Fall aufgekommen, in dem zwei im dritten Grad miteinander verwandte Personen die Ehe eingehen
wollten. Der Soester Rat hatte sich in dieser Sache an die Juristen der Universität Marburg gewandt und
entschied nach deren Ratschlag, dass der Eheschluss - wie seit je her bräuchlich - erst ab dem vierten
Verwandtschaftsgrad erlaubt sein sollte. Den Pfarrern und Predigern wurde eingeschärft, sich bei der Ehe-
einsegnung an diese Anordnung zu halten.
10. Artikel der Prediger 1. September 1590 (Text S. 480)
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts kam es in Soest unter den evangelischen Geistlichen zu Ausein-
andersetzungen um ihre Lehrauffassung. 1581 hatten der Rat und die Zwölfherren den Predigern sieben
Artikel114 zur Unterschrift vorgelegt, in denen sie diese unter anderem ermahnten, ihre Unstimmigkeiten
nicht auf die Kanzel zu bringen.
Die theologischen Differenzen unter den Predigern blieben jedoch bestehen und 1590 entwarf der Soe-
ster Superintendent Henning Brandes115 (ca. 1544-1607) im Namen aller Prediger seinerseits Artikel, ohne
deren Unterzeichnung niemand in das Predigerministerium aufgenommen werden sollte.116 Darin legte er
zunächst das Corpus doctrinae fest, das in der Bibel, den altkirchlichen Glaubensbekenntnissen, der Con-
fessio Augustana von 1530 und ihrer Apologie von 1531, den Schmalkaldischen Artikeln, Luthers kleinem
und großem Katechismus sowie der Konkordienformel bestand. Auf diese Bekenntnis- und Lehrschriften
musste sich jeder Geistliche verpflichten, bevor er ein Pfarramt in Soest antrat. Ferner hielten die Theo-
logen in ihren Artikeln einige Punkte zur Amtsausübung der Geistlichen fest. So sollten Katholiken und
Reformierte nicht als Taufpaten zugelassen sein, wer in „offenbaren sunden“ lebte, war vom Empfang des
Abendmahls ausgeschlossen, kein Pfarrer sollte die Beichte eines fremden Beichtkinds hören, Ehen durften
nur nach dreimaligem Aufgebot eingesegnet werden und verstorbenen Kindern, die noch nicht zum Abend-
mahl gegangen waren, wurde keine Leichenpredigt gehalten. Für den Fall, dass ein Prediger starb, sollte
einer seiner Kollegen ein Jahr lang dessen Dienst übernehmen und die hieraus erzielten Einkünfte der
Witwe und deren Kindern überlassen.
Die Artikel, die von acht Pfarrern unterzeichnet sind, sollten jedem zur Unterschrift vorgelegt werden,
der künftig in das Soester Predigerministerium aufgenommen würde. Die Artikel stehen in Zusammenhang
mit dem Soester Corpus doctrinae, auf das die lutherischen Prediger drängten, da die Stadt die Konkor-
dienformel nicht unterzeichnet hatte.117 Während sie 1590 die maßgeblichen lutherischen Credenda lediglich
benannt hatten, legten sie drei Jahre später - vom Rat der Stadt beauftragt - eine mit „Articuli oder
Corpus doctrinae“ titulierte Schrift vor, in der sie ihre Glaubens- und Lehrgrundlagen ausführlich darleg-
ten.118 Vor Einführung dieses Corpus doctrinae wollte der Rat zunächst ein Universitätsgutachten einholen.

114 „Articuli, so auß eines erbaren rhats und der zwolve
bedencken dem ministerio inn einer nottell furgeschlagen
und von innen allen sollen underschreben werdenn“,
StadtA Soest Abt. A 6344, fol. 3. Abdruck bei Deus,
Soester Recht 5, S. 734f.; Jacobson, Urkunden-Samm-
lung, S. 32f. Nr. XVII.
115 Henning Brandes (ca. 1544-1607) stammte aus Hanno-
ver. Er studierte 1564 in Leipzig und war seit 1580

Inspektor in Soest und Pfarrer an St. Petri, Bauks, Pfar-
rer, Nr. 710; Peters, Corpus Doctrinae, S. 105 Anm. 77.
116 Peters, Corpus Doctrinae, S. 107.
117 Ebd., S. 104-114.
118 Corpus Doctrinae vom 15. Januar 1593, StadtA Soest,
Abt. A 6345. Abdruck bei Peters, Corpus Doctrinae,
S. 121-135; Deus, Soester Recht 5, S. 747-759 und Aus-
zug bei Jacobson, Urkunden-Sammlung, S. 33f. Der Ver-

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