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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (23. Band = Schleswig-Holstein): Die Herzogtümer Schleswig und Holstein — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.41731#0059
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Einleitung

1. Deutsche Messe, [nach 1526] (Text S. 55)
Im Unterschied zu anderen Gebieten fehlen für Schleswig-Holstein weitgehend frühe Überlieferungen zur
Gestaltung des evangelischen Gottesdienstes1. 1920 aber veröffentlichte der Professor für Kirchengeschichte
an der Universität Kiel, Gerhard Ficker2, eine Messe in niederdeutscher Sprache. Ficker hatte die Messe in
einem Band der UB Kiel entdeckt, der aus dem Nachlaß des Predigers der Kieler Nikolaikirche Rudolf von
Nimwegen3 stammte. Dem Band mit einem Druck der „Loci insigniores et concordantes ex utroque
testamento“ war ein acht Blätter umfassendes Papierheft beigebunden4 *. Das Heft enthielt eine mit Noten
versehene Messe sowie eine Sammlung von acht verschiedenen kurzen Texten0.
Bei der von Ficker entdeckten deutschen Messe handelt es sich wohl um das älteste Zeugnis für eine
Neugestaltung des Gottesdienstes im evangelischen Sinne auf dem Gebiet des heutigen Schleswig-Hol-
stein6. Den Terminus ante quem für ihre Entstehung bildet der Tod Rudolfs von Nimwegen im Jahr 1542.
Der Prediger vermachte seine Büchersammlung, einschließlich des genannten Bandes mit den „Loci insi-
gniores“, der Nikolaikirche in Kiel. Von dort gelangte die Büchersammlung dann später in die UB Kiel7.
Für eine Datierung der Messe „[nach 1526]“ sprechen ihre Bezüge zur Messe des Andreas Döber für das
Neue Spital in Nürnberg von 15258 und zu Luthers „Deutscher Messe“ von 15269.
Die Messe besitzt eine außergewöhnliche Gestalt: Auffallend sind zum einen die zahlreichen Auslassun-
gen: So fehlen etwa das Credo, die Epistel- und Evangeliumslesung, die Responsorien beim Dominus vo-
biscum und beim Sursum corda, das Vater unser und das Agnus Dei, und zum anderen die Doppelungen: die
Wiederholung des Kyrie und des „Komm heiliger Geist“.
Im Unterschied zu anderen zeitgenössischen Gottesdienstordnungen trägt die niederdeutsche Messe
keinen Titel. Sie beginnt vielmehr unmittelbar mit dem Confiteor, das sich an das Bekenntnis der Döber-
schen Messe anlehnt. Bei Döber findet sich auch das „Komm heiliger Geist“10. Für die Absolution gibt es
hingegen keine Verbindung zu der Messe für das Nürnberger Spital. Besonders sticht hervor, daß nicht der
Priester, sondern der Küster die Absolution spricht. Der Priester bekräftigt die Absolution lediglich durch
sein „Amen“. Ficker weist in diesem Zusammenhang auf die Hadelner Kirchenordnung von 1526 hin11, wo
die Verlesung der Absolution auch in die Zuständigkeit des Küsters fällt. Anscheinend bewährte sich diese
Aufgabenverteilung jedoch nicht, denn aus einer Anmerkung in der Handschrift, die der Edition der Ha-
delner Kirchenordnung zugrunde liegt, geht hervor, daß die Gewohnheit bald wieder aufgegeben wurde12.

1 Vgl. z.B. Sehling, EKO XI, S. 39-43, 46-57, 487-553;
EKO XII, S. 40-43, 239-246, 285-288, 317-329; EKO
XX,1, S. 120-164, 262-282.
2 Zu Gerhard Ficker vgl. BBKL 2, Sp. 29; Friedrich
Volbehr / Richard Weyl, Professoren und Dozenten
der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, 1665-1954,
Kiel 41956, S. 9.
3 Von Rudolf von Nimwegen ist nur wenig bekannt; die
spärlichen Informationen sind zusammengetragen in
Ficker, Büchersammlung eines evangelischen Predigers,
S. 11-13.
4 Zu diesem Band der „Loci insigniores et concordantes“
vgl. ebd., S. 45 mit Anm. 2.

5 Vgl. die Beschreibung in Ficker, Niederdeutsche evan-
gelische Messe, S. 257f.
6 Ebd., S. 274.
7 Vgl. das Verzeichnis in Ficker, Büchersammlung eines
evangelischen Predigers, S. 21-77.
8 Sehling, EKO XI, S. 51-55: „Von der evangelischen
meß, wie sie zu Nürnberg im Newen Spital durch An-
dream Döber gehalten würdt, caplan doselbst“.
9 Luther, WA 19, S. 72-113: „Deudsche Messe und Ord-
nung Göttis diensts“.
10 Sehling, EKO XI, S. 51.
11 Ficker, Niederdeutsche evangelische Messe, S. 263.
12 Sehling, EKO V, S. 467f.

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