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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (23. Band = Schleswig-Holstein): Die Herzogtümer Schleswig und Holstein — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.41731#0188
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Die gemeinschaftlich erlassenen Ordnungen

im Februar des Jahres gab es Gerüchte über Kampfhandlungen25. Auf Bitten Rudolfs II. trat am 7. April
1593 der Kreistag des Niedersächsischen Reichskreises zusammen. Er bewilligte dem Kaiser eine Türken-
hilfe von 100.000 fl. in zwei Raten. Als Gegenleistung baten die Kreistagsgesandten um eine baldige Be-
handlung der von den evangelischen Reichsständen in den letzten Jahren vorgetragenen Gravamina26. Im
Januar 1595 mußte der Kreistag erneut über ein Hilfegesuch des Kaisers beraten. Von den beantragten
1.200 Reitern für den Kampf gegen die Osmanen genehmigte er nur die Hälfte, nämlich 600 Reiter. Selbst
die reduzierte Unterstützung war aber unter den Kreisständen umstritten27.
Zur Finanzierung des Krieges gegen die Osmanen sah sich der Kaiser schließlich 1594 sogar gezwungen,
nach zwölf Jahren wieder einen Reichstag einzuberufen. Am 10. Januar 1594 erfolgte dessen Ausschreibung.
Aus Sorge um die Verknüpfung der Türkenhilfe mit Forderungen nach einem Entgegenkommen in kirch-
lichen Fragen durch die evangelische Seite hatte Rudolf II. immer wieder gezögert, einen Reichstag ein-
zuberufen28. Der Reichstag fand vom 2. Juni bis zum 19. August 1594 in Regensburg statt. Der Reichstags-
abschied datiert vom 19. August. Als Gesandte König Christians IV. finden darin der Amtmann zu
Steinburg Benedikt von Ahlefeldt und der Doktor der Rechte Veit Winsheimer Erwähnung. Herzog Johann
Adolf von Gottorf ließ sich vom Propst des Oldeklosters Hermann von der Becke auf dem Reichstag
vertreten29.
In Art. 21 des Abschieds wurden sämtliche Obrigkeiten aufgefordert, den Pfarrherren und Predigern in
ihren Gebieten zu befehlen, die Untertanen zu Buße, Besserung ihres sündhaften Lebens und Gebet zu
ermahnen, da Gott wegen der vielfältigen sundlichen Ubertrettung den grausamen und mächtigen Feind für-
brechen läßt. Jeden Mittag sollte um 12 Uhr in allen Städten, Flecken, Märckten und Dorffern des Landes eine
Glocke geläutet werden, damit das Volk Gott um die Abwendung seines Zorns und um den Sieg über die
Osmanen bitten kann30. Das Läuten der „Türkenglocke“ war Mitte des 15. Jh. von Papst Calixt III. ein-
geführt worden31. In die Reichsabschiede und die evangelischen Kirchenordnungen hielt das Läuten der
Glocke nach den Eroberungen Ofens (1541) und Szigets (1566) Einzug32.
Für die beiden Herzogtümer Schleswig und Holstein sind entsprechende Anweisungen für die Pfarrer
und Prediger nicht erhalten. In der Sammlung von „Ein und Dreißig Türcken Predigten“ des Velburger
Superintendenten Johannes Lauch ist jedoch ein solches Mandat überliefert. Es stammt von Philipp Lud-
wig von Pfalz-Neuburg. Darin wird ein rechtefs] Gott wolgefälligefs] Fasten angeordnet. Die Amtsleute wer-
den aufgefordert, die Geistlichen beim Kampf gegen das Schwelgen, Pancketieren, Fressen, Sauffen, Gotts-
lästern und dergleichen Sünden und Lastern zu unterstützen. Beim Läuten der „Türkenglocke“ um 12 Uhr
am Mittag werden die Schüler in die Kirche geführt, wo sie den gewöhnlich Gesang wider den Erbfeind
singen, das gebräuchliche Gebet wider den Türcken zusammen mit einem Vater unser sprechen und einen
Psalm anstimmen33.
Im Unterschied zum Art. 21, der auf den Reichstagsabschied aus dem Jahr 1566 zurückgeht34, gibt es
für die Bestimmungen des Art. 18 des Regensburger Abschieds von 1594 keine Vorlagen. Art. 18 legte fest,
daß bei allen Pfarrkirchen, ob nun in der Stadt oder auf dem Land, Stock, Kasten oder Truhen aufgestellt
und die Gläubigen bei den Gottesdiensten durch die Pfarrer und Prediger zur Einlage ihrer Hülff und
Allmosen aufgefordert werden sollten. Mit den Geldern sollten die Verwundeten und Kranken aus dem

25 Vgl. Roberg, Türkenkrieg und Kirchenpolitik, S. 207f.
26 Vgl. Gittel, Aktivitäten, S. 99f.
27 Ebd., S. lOOf.
28 Vgl. Schulze, Türkengefahr, S. 202-204 und 219f.
29 Senckenberg, Reichs-Abschiede 3, S. 447.
30 Ebd., S. 423. Vgl. dazu Grimmsmann, Krieg mit dem
Wort, S. 27.
31 Vgl. Grimmsmann, Krieg mit dem Wort, S. 28-32.
32 Ebd., S. 32-34. Grimmsmann verweist auf Sehling,

EKO III, S. 366f.; EKO XV, S. 536 und 538 und EKO
XVIII, S. 312.
33 Lauch, Ein und Dreißig Türcken Predigten, Bl. A 2v-3v:
Des Durchleuchtigen Hochgebornen Fürsten unnd Herren,
Herrn Philipps Ludwigen, Pfaltzgraffen bey Rhein etc.,
Fürstlich Mandat, dz Gebett wider den Türcken anzustellen.
Anno 95. publiciret.
34 RTA Reichsversammlungen Augsburg 1566, 2, S. 1534,
§ 67 und 68.

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