Dithmarschen
4. Landesabschied zu Ehesachen [1539] (Text S. 458)
Zu den Lebensbereichen, die im Zuge der Reformationseinführung Neuregelungen erfuhren, gehörten auch
die Ehe und das Zusammenleben der Partner. Dabei blieben die einzelnen Bestimmungen des überkom-
menen Eherechts im Grundsatz bestehen, neu war jedoch, daß die weltlichen Obrigkeiten diesen Rechts-
bereich an sich zogen. Auch in Dithmarschen wurde 1539 ein Landesabschied zu Ehesachen erlassen. Darin
wurde zunächst geregelt, bis zu welchem Grad der Blutsverwandtschaft und Schwägerschaft Ehen ge-
schlossen werden durften. Ferner mussten die Verlobten vor der Eheeinsegnung vom Pfarrer aufgeboten
werden, um etwaige Einreden zu ermöglichen. Wollten Fremde in den Bund der Ehe treten, hatten sie zu
beweisen, daß sie unverheiratet waren. Ehescheidungen wurden unter bestimmten Umständen zugelassen,
Ehebrecher, Hurer und solche, die diesen Unterschlupf gewährten, streng bestraft34.
5. Das „zweite Edikt“ - Kirchenzuchtmandat 20. März 1540 (Text S. 460)
In Ergänzung zu den Bestimmungen zur Kirchenzucht von 1537 (Nr. 2) sowie zum Landesabschied in
Ehesachen von 1539 (Nr. 4) wurden wenige Jahre später differenzierende, teils verschärfende Beschlüsse
gefaßt. In dem am 20. März 1540 erlassenen „zweiten Edikt“ wiederholten die Regenten die vorherigen
Bestimmungen und verhängten darüber hinaus Strafen gegen Zauberer und Wahrsager sowie diejenigen, die
deren Dienste in Anspruch nahmen. Ferner wurde definiert, bei welchen Geldgeschäften Wucher vorlag.
Neben diesen Vergehen gegen die Sittenzucht schrieb das neue Mandat vor, die Sonntags- und Feier-
tagsheiligung zu beachten. Die Kirchendiener sollten zudem keinen „apenbaren Kroch holden“ und „den
Gesten Beer, Win effte Brandewin tappen effte vorkopen“. Ebenso wie das erste sollte auch das zweite
Edikt ins Landesbuch eingetragen werden. Daneben erhielten auch die Pfarrer ein Exemplar, das sie un-
verzüglich in ihr jeweiliges „Carspeiß Bok“ kopieren und am folgenden Sonntag von der Kanzel verkünden
mußten35.
6. Fundationsbrief zur Einrichtung einer Schule im Kloster Meldorf 19. Juni 1540 (Text S. 464)
Im 9. Jahrhundert hatte man in Meldorf die erste Kirche Dithmarschens errichtet, bei der eine Stadt
entstand, die zum Hauptort und geistigen Mittelpunkt des Landes avancierte. Anfang des 14. Jahrhunderts
war in Meldorf ein Dominikanerkloster gegründet worden, das vermutlich eine Schule unterhielt36. Mit
Einführung der Reformation rückte das Schulwesen stärker in den Focus3'.
34 Rolfs, Kirchliche Verfassung, S. 150f.; Stoob, Ge-
schichte, S. 208 und Anm. 179.
35 Koppen, Reformation, S. 273; Stoob, Geschichte,
S. 209; Rolfs, Kirchliche Verfassung, S. 161; Miss-
feldt, Republik Dithmarschen, S. 150.
36 Dohrn, Zur frohen Theilnahme, S. 5f.; Stoob, Ge-
schichte, S. 402; Lorenz, Geschichte, S. 5f.; Mehl-
horn, Klöster und Stifte, S. 220f.; Freytag, Klöster,
S. 83-85; Hansen, Lebensordnung, S. 89f.; Lamb-
recht, Gelehrtenschule, S. 15. Da mit der Meldorfer
Schulgründung an diese erste Klosterschule angeknüpft
wurde, wird die Meldorfer Lateinschule heute zu den acht
ältesten Gymnasien in Schleswig-Holstein gezählt (neben
der Alten Domschule in Lübeck, der Lauenburgischen
Gelehrtenschule, der Domschule in Schleswig, die alle im
13. Jahrhundert gegründet worden waren, ferner der Eu-
tiner Johann-Heinrich-Voß-Schule (1309), der Kieler Ge-
lehrtenschule (1320), der Herman-Tast-Schule in Husum
(1527) und dem Katharineum in Lübeck (1531)), Lamb-
recht, Gelehrtenschule, S. 331 Anm. 1.
37 Vgl. WA 15, S. 27-53, hier S. 44, 46f. Vgl. Irene Dingel,
Luthers Schrift „An die Ratsherren aller Städte deutsches
Lands (1524)“ - Historische und theologische Aspekte, in:
Irene Dingel / Henning P. Jürgens (Hg.), Meilen-
steine der Reformation. Schlüsseldokumente der frühen
Wirksamkeit Martin Luthers, Gütersloh 2014, S. 180-
197; Markus Wriedt, Die theologische Begründung
der Bildungsreform bei Luther und Melanchthon, in: Mi-
chael Beyer / Günther Wartenberg (Hg.), Hu-
manismus und Wittenberger Reformation. Festgabe an-
lässlich des 500. Geburtstages des Praeceptor Germaniae
Philipp Melanchthon am 16. Februar 1997, Helmar Jung-
hans gewidmet, Leipzig 1996, S. 155-183, hier S. 157—169;
Lambrecht, Gelehrtenschule, S. 20.
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4. Landesabschied zu Ehesachen [1539] (Text S. 458)
Zu den Lebensbereichen, die im Zuge der Reformationseinführung Neuregelungen erfuhren, gehörten auch
die Ehe und das Zusammenleben der Partner. Dabei blieben die einzelnen Bestimmungen des überkom-
menen Eherechts im Grundsatz bestehen, neu war jedoch, daß die weltlichen Obrigkeiten diesen Rechts-
bereich an sich zogen. Auch in Dithmarschen wurde 1539 ein Landesabschied zu Ehesachen erlassen. Darin
wurde zunächst geregelt, bis zu welchem Grad der Blutsverwandtschaft und Schwägerschaft Ehen ge-
schlossen werden durften. Ferner mussten die Verlobten vor der Eheeinsegnung vom Pfarrer aufgeboten
werden, um etwaige Einreden zu ermöglichen. Wollten Fremde in den Bund der Ehe treten, hatten sie zu
beweisen, daß sie unverheiratet waren. Ehescheidungen wurden unter bestimmten Umständen zugelassen,
Ehebrecher, Hurer und solche, die diesen Unterschlupf gewährten, streng bestraft34.
5. Das „zweite Edikt“ - Kirchenzuchtmandat 20. März 1540 (Text S. 460)
In Ergänzung zu den Bestimmungen zur Kirchenzucht von 1537 (Nr. 2) sowie zum Landesabschied in
Ehesachen von 1539 (Nr. 4) wurden wenige Jahre später differenzierende, teils verschärfende Beschlüsse
gefaßt. In dem am 20. März 1540 erlassenen „zweiten Edikt“ wiederholten die Regenten die vorherigen
Bestimmungen und verhängten darüber hinaus Strafen gegen Zauberer und Wahrsager sowie diejenigen, die
deren Dienste in Anspruch nahmen. Ferner wurde definiert, bei welchen Geldgeschäften Wucher vorlag.
Neben diesen Vergehen gegen die Sittenzucht schrieb das neue Mandat vor, die Sonntags- und Feier-
tagsheiligung zu beachten. Die Kirchendiener sollten zudem keinen „apenbaren Kroch holden“ und „den
Gesten Beer, Win effte Brandewin tappen effte vorkopen“. Ebenso wie das erste sollte auch das zweite
Edikt ins Landesbuch eingetragen werden. Daneben erhielten auch die Pfarrer ein Exemplar, das sie un-
verzüglich in ihr jeweiliges „Carspeiß Bok“ kopieren und am folgenden Sonntag von der Kanzel verkünden
mußten35.
6. Fundationsbrief zur Einrichtung einer Schule im Kloster Meldorf 19. Juni 1540 (Text S. 464)
Im 9. Jahrhundert hatte man in Meldorf die erste Kirche Dithmarschens errichtet, bei der eine Stadt
entstand, die zum Hauptort und geistigen Mittelpunkt des Landes avancierte. Anfang des 14. Jahrhunderts
war in Meldorf ein Dominikanerkloster gegründet worden, das vermutlich eine Schule unterhielt36. Mit
Einführung der Reformation rückte das Schulwesen stärker in den Focus3'.
34 Rolfs, Kirchliche Verfassung, S. 150f.; Stoob, Ge-
schichte, S. 208 und Anm. 179.
35 Koppen, Reformation, S. 273; Stoob, Geschichte,
S. 209; Rolfs, Kirchliche Verfassung, S. 161; Miss-
feldt, Republik Dithmarschen, S. 150.
36 Dohrn, Zur frohen Theilnahme, S. 5f.; Stoob, Ge-
schichte, S. 402; Lorenz, Geschichte, S. 5f.; Mehl-
horn, Klöster und Stifte, S. 220f.; Freytag, Klöster,
S. 83-85; Hansen, Lebensordnung, S. 89f.; Lamb-
recht, Gelehrtenschule, S. 15. Da mit der Meldorfer
Schulgründung an diese erste Klosterschule angeknüpft
wurde, wird die Meldorfer Lateinschule heute zu den acht
ältesten Gymnasien in Schleswig-Holstein gezählt (neben
der Alten Domschule in Lübeck, der Lauenburgischen
Gelehrtenschule, der Domschule in Schleswig, die alle im
13. Jahrhundert gegründet worden waren, ferner der Eu-
tiner Johann-Heinrich-Voß-Schule (1309), der Kieler Ge-
lehrtenschule (1320), der Herman-Tast-Schule in Husum
(1527) und dem Katharineum in Lübeck (1531)), Lamb-
recht, Gelehrtenschule, S. 331 Anm. 1.
37 Vgl. WA 15, S. 27-53, hier S. 44, 46f. Vgl. Irene Dingel,
Luthers Schrift „An die Ratsherren aller Städte deutsches
Lands (1524)“ - Historische und theologische Aspekte, in:
Irene Dingel / Henning P. Jürgens (Hg.), Meilen-
steine der Reformation. Schlüsseldokumente der frühen
Wirksamkeit Martin Luthers, Gütersloh 2014, S. 180-
197; Markus Wriedt, Die theologische Begründung
der Bildungsreform bei Luther und Melanchthon, in: Mi-
chael Beyer / Günther Wartenberg (Hg.), Hu-
manismus und Wittenberger Reformation. Festgabe an-
lässlich des 500. Geburtstages des Praeceptor Germaniae
Philipp Melanchthon am 16. Februar 1997, Helmar Jung-
hans gewidmet, Leipzig 1996, S. 155-183, hier S. 157—169;
Lambrecht, Gelehrtenschule, S. 20.
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