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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Armgart, Martin [Bearb.]; Meese, Karin [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (24. Band = Siebenbürgen): Das Fürstentum Siebenbürgen - das Rechtsgebiet und die Kirche der Siebenbürger Sachsen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.30664#0127
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Einleitung

1. Die Siebenbürger Sachsen
a) Rechtsstellung und politische Struktur
Im deutschen Sprachraum erfährt Siebenbürgen seit jeher besondere Aufmerksamkeit durch die dort
lebende größere deutschsprachige Minderheit1 und die von ihr getragenen Kontakte. „Mit ihren humani-
stischen Stadtschulen sowie den vielfältigen, dichten akademischen Beziehungen zu den lutherischen Uni-
versitäten in Mitteleuropa“ besaßen sie gerade im 16. Jahrhundert für Siebenbürgen eine „Brückenfunktion
in allen Wissenschafts- und Kulturbereichen“ und eine „entscheidende Scharnierfunktion als vom Huma-
nismus durchdrungene Multiplikatoren der reformatorischen Bewegung“2. Dies sowie ihre auf einem exem-
ten Rechtsgebiet gründende Landstandschaft und ihre Finanzkraft, die sich in einem weit überproportio-
nalen Anteil am Steueraufkommen des Landes niederschlug, machten die Siebenbürger Sachsen zu einer für
das Fürstentum Siebenbürgen bedeutsamen Gruppe - trotz ihrer geringen Zahl; für 1600 wird der Anteil des
sächsischen Gebietes an der Bevölkerung des gesamten Fürstentums Siebenbürgen auf etwa 10% geschätzt.
Die Ursprünge reichen zurück bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts. Als Teil der hochmittelalterlichen
Landesausbau- und Ostsiedlungsbewegung wurden hospites überwiegend deutscher Herkunft im Süden Sie-
benbürgens wie auch in der Zips angesiedelt. Für beide Siedlergruppen bildete sich in der ungarischen
Kanzlei der Rechtsbegriff Sachsen (Saxones) heraus. In geringer Zahl waren auch privilegierte Siedler
anderer Herkunft (Slawen, Ungarn) einbegriffen. Unter Verweis auf Privilegierungen König Geisas II.
(1141-1162) erhielten die siebenbürgischen hospites von König Andreas II. 1224 einen umfangreichen Frei-
brief (Andreanum)3. Bestätigt bis ins 18. Jahrhundert, stellte der Freibrief die Grundlage ihrer besonderen
Rechtsstellung innerhalb Siebenbürgens dar. Die Sachsen bildeten eine nach eigenem Gewohnheitsrecht
lebende königsunmittelbare Rechtsgemeinschaft, deren als Königsboden (fundus regius) bezeichnetes
Gebiet von der Komitatsgliederung eximiert wurde.
Die Rechtsgemeinschaft (unus sit populus) war 1224 auf das Siedlungsgebiet um Hermannstadt
beschränkt, das mit den Eckpunkten Broos und Draas umschrieben wurde. Dieses gliederte sich in sieben
dem Hauptstuhl Herrmannstadt zugeordnete Gerichtsstühle; deren Leitung hatte ein gewählter Königs-
richter, assistiert von einem Stuhlrichter. Der Königsrichter von Hermannstadt mit dem Titel Sachsengraf
(comes Saxonum) war Berufungsinstanz und oberster Repräsentant der Rechtsgemeinschaft. Pertinenzen
ohne volle Rechtsteilhabe waren ein gemeinsam verwaltetes großes Waldgebiet (Siebenrichterwald) sowie
der Territorialbesitz der im 15. Jahrhundert aufgelösten Propstei Hermannstadt und der Zisterze Kerz.
Von diesem Altsiedelland aus wurden Sekundärsiedlungen gegründet, die ähnliches Recht erstrebten.
Dem Königsboden förmlich angeschlossen wurden 1405/1411 angrenzende Gebiete in Mittelsiebenbürgen;
sie organisierten sich in den Stühlen Mediasch und Schelken. Die Sachsen in den sieben und zwei Stühlen
(Saxonum septem et duarum sedium) wurde zur Paarformel, die diese Gruppe auch gegenüber weiteren, im
Laufe des 15. Jahrhunderts hinzugekommenen Gebieten abgrenzte. Diese waren räumlich getrennt und

Gesamtdarstellungen Gündisch, Siebenbürger Sach-
sen, Kroner, Siebenbürger Sachsen I—II, kompakt
Wagner, Siebenbürger Sachsen. Hilfreiches Nachschla-
gewerk Myss, Siebenbürger Sachsen Lexikon.

Wien/Zach, Humanismus, S. X.
Abdruck UB Sbg. I, Nr. 144. Vgl. Gündisch, Sieben-
bürger Sachsen, S. 38-43.

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