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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (3. Band): Die Mark Brandenburg, die Markgrafenthümer Ober-Lausitz und Nieder-Lausitz, Schlesien — Leipzig: O.R. Reisland, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.26784#0065
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Kirchenordnung Joachim’s II. von 1540.

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dasjenige/ so dem entgegen, denselben vertunkelt
und dem abbruch thut, als schedlicher irthum
dem volk zu meiden, nicht verschwiegen, sondern
auch dargegeben werde; denn es ist nicht gnug,
das man diesen artikel mit worten ausspreche, so
nicht was den hindert, aus dem herzen, da es
uns allen von natur und ungeschickte lere ein-
gebildet, gezogen werde.
Darumb wil einem christlichen prediger ge-
büren, anzuzeigen, das irthum sei, das die ver-
gebung der sunde auf eigene wirdigkeit und werk,
welcherlei die sein, gesetzt, item auf vermögen
des freien willens, auf ablas, walfart, der heiligen
verdienst, und mönchische, uberchristliche per-
fectionis vota und kleidung, welchs so viel ver-
damlicher; das sie auch ein uberflus solchs ver-
dienstes, andern zur seligkeit zuverhelfe, verkauft
haben, damit die leute betrogen, und zu besorgen,
viel in verdamnis durch sie gebracht. Item auf
das sacraficium misse pro vivis atque defunctis,
in dem darüber noch die institutio Christi ver-
andert und ein kaufhandel dazu daraus gemacht,
o greuel, sampt allem, was dem anhengig. Item
auf menschliche satzung, ceremonien und auf-
gesatzte gottesdienst, zum teil an im selber dem
göttlichen gebot ungemes, welches denn so viel
erger, das dem das zugelegt wird, das der all-
mechtige seinem eigen göttlichen gesetz und durch
sich selbst aufgerichten ceremonien nicht wil zu-
geschrieben haben. Und in summa, alles das
auch an im selber sonst gut were, das da geleret
wird zu thun, damit vergebung der sunde, die
rechtfertigung und seligkeit, ausserhalben oder
neben den glauben, zu erlangen, und das dis
nicht allein nach dem göttlichen wort, dem glauben,
der auf gottes gnade gegründet, zugeschrieben
wird, welchs alles antichristische und nicht christ-
liche leer ist, denn sie von Christo auf eigen
verdienst zeuget: et quidquid est extra Christum
in antichristo est, sagt der heil. Augustinus. Und
das aus dem beschlus des heiligen Johannis 1.
eiusdem 4., da er sagt: das wer da nicht bekennet,
das Jesus Christus im fleisch komen sei, der sei
ein antichristus; es heist aber nicht allein leugnen,
das Christus nicht im fleisch komen, so geleugnet
wird, das er nicht geboren, sondern es ist alle
umstendigkeit, so an Christo ist, damit angezogen.
Fürnemlich leugnet der Christum , so die ursach,
darumb er komen , wegzunemen sich unterstehet.
Demnach wer da glaubt durch ander mittel denn
sein gnad allein selig zu werden, der leugnet die
ursach, darumb Christus in die welt komen ist,
wie S. Paulus sagt: si per legem iusticia Christus
frustra mortuus est; er ist, wie gesagt, in die
welt gekomen, das er sein seele und leben fur
uns geben wolt; ist er aber vergeblich gestorben,
darumb er in die welt komen , so ist er auch

vergeblich geborn. Wer nu durch werk die selig-
keit, ausserhalb oder auch neben dem glauben,
und nicht durch den glauben allein, auf Christi
gnad suchet, es sei auch das mittel so gut als es
wölle, der ist ein antichrist, und die lere ist anti-
christisch, mus derhalben der selb wahn, eigner
verdienst, weil er in uns von natur klebt und
durch unheilsame lere bis an unser zeit aufs
höchst gestiegen, so viel fleissiger aus den herzen
gezogen werden, damit wir den theuren schatz,
Christum, unsern einigen heiland, nicht verlieren.
Es sollen aber solche misbreuch alle mit
gutem unterschied zu bequemer zeit, wie es der
personen und örter gelegenheit, da die mehr oder
weniger in ubung gewesen, erfordert, angezeigt
werden, damit sich nicht die prediger auf un-
förmlich schelten allein legen und daneben das
nötige verseumen, sollen sich auch in dem nicht
erzeigen, als geschehe es aus verdries der per-
sonen, sondern vielmehr aus liebe, die irrenden
zu rechter ban zu bringen; doch sol man den
verstockten blinden leitern, das wider diese lere
ist, nichts einräumen, wie Paulus ad Gal. 2.
Denn S. Paul je höchlich die Römer im letzten
vermanet, wider solche lere nichts anders auf-
zunemen, auch das man sich vor denen hüten sol,
die ergernis wider dieselbe erregen.
Daneben ist auch dieser unterscheid zu halten,
das, so wider gottes ordnung eingefurt, genzlich
abgethan, das ander aber, das an im selber gut
und zu erweckung des glaubens und der liebe
dienstlich, mit abstellung des misverstands, das es
vergebung der sunde und seligkeit etc. erlangen
sol widerumb zum rechten gebrauch, so viel des
nach gelegenheit nützlich und bequem, gebracht,
und an im selber, da es nicht schedlich, nicht
vernichtigt oder verworfen werden.
Dieweil auch der teufel, des menschlichen
geschlechts heubt- und erbfeind, allewege wider
diese lere gestrebt und auf einer seiten dagegen
menschlich verdienst erhaben, und so er denn
findet, das er damit nicht weiter verfaren mag, so
legt er sich auf die ander seiten, wil dieselbe heil-
same lere auch zum gift verwandeln, erregt seine
lestermeuler; die schreien den aus als aus grossem
eifer des guten lebens, das sie doch sonst wenig
achten oder beweisen, verkeren die wort und
sagen wider ir gewissen unverschampt, diese lere
verbiete und hindere die guten werk; denn so
der glaub allein rechtfertig und selig mach, was
ist denn des guten lebens von nöten, gleich als
solten sie sagen, so man mit den augen allein
siehet, was ist der obren von nöten, und darumb
denn folgen sol, das der gesagt, das man mit den
augen allein sehe, derselbe hab auch nu be-
schlossen, man darf keiner ohren nicht, also auch
man werde durch den glauben allein selig etc.
 
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