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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (3. Band): Die Mark Brandenburg, die Markgrafenthümer Ober-Lausitz und Nieder-Lausitz, Schlesien — Leipzig: O.R. Reisland, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.26784#0073
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Kirchenordnung Joachim’s II. von 1540.

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alles ordentlich zugehe, auch hernacher die heiligen
veter mancherlei gute gebreuch in der kirchen
aufgerichtet, davon auch viel keiserliche und welt-
liche constitutiones verhanden, welche zum teil in
ubung, und zum teil nach gelegenheit abgekomen
und in der ganzen christenheit niemals in ein-
formiger weis gehalten sein, auch nicht nötig sein
noch möglich ist, als auch die canones, wie uns
glaublich dargethan, zeugen, derhalben, was fur
ceremonien in unserm lande abzuthun oder zu be-
halten wir bedacht, in dieser unser ordnung ver-
meldet.
Darumb uns auch niemands zu verdenken,
ob in unserm land, mehr oder weniger, oder
andere eusserliche ceremonien in ubung behalten
denn an andere örter; denn da die ler richtig ist,
und die hochwirdigen sacrament unverruckt nach
Christi einsetzung gehandelt werden, an dem ists
gnugsam zur einigkeit. Aber da die ceremonien
in allen landen nicht gleichformig, wie es denn
die gelegenheit vielleicht nicht leiden wil, solchs
sol die einigkeit des glaubens, unzurtrennet und
ein jeder den andern an seinem gebrauch un-
verhindert und unverurteilt lassen, wie auch die -
alten heiligen veter, so bald nach der apostel zeit
gewesen, die ungleichheit der ceremonien, da sie
im haubstück des christlichen glaubens einig, inen
zu keiner trennung oder spaltung ursach haben
geben lassen.
Nachdem aber in vielfaltiger unnötiger ver-
enderung und verneurung der ceremonien allerlei
unschicklichkeit und ergernis, zuweilen auch auf-
ruhr, erfolgen pflegt, so ist auch unser gemüt
und meinung, das die ceremonien, so an inen
selber reine sein und bisher in ubung geblieben,
davon diese unsere ordnung meldung thut, in
kirchen unserer lande gehalten werden, denn die
leute solcher mehr gewonet und desterweniger
geergert oder verirret werden, welches geschehe,
so man ungewönlich neurung, die doch unnötig,
aufrichten und das gewönliche, so doch an im
selber nicht böse, abthun und heute dies, morgen
ein anders aufrichten wolte, welchs wir den viel-
faltig erfaren, und wolten derhalben, das niemands
uber dieselbe unsere ordnung, so wir derhalben
hiemit ausgehen lassen, keine neue ceremonien
aufrichte oder auch einige davon abthue, on unser,
der bischofe und visitatorn, verwissen und be-
willigung; denn wir gerne wolten, das in unserm
lande, soviel möglich, gleichförmigkeit darinnen
gehalten und unnötig trennung verhütet und dem
furwitz vieler leute gesteuret und gewehret werde,
doch wollen wir hiemit abermals und alwege er-
innert haben, dass solche ordnung und satzung
nicht sollen als notwendig zur seligkeit, zu ver-
strickung der gewissen, und dadurch rechtfertigung
und vergebung der sunde fur gott zu erlangen,

geleret und gehalten werden; denn so wir durch
die werk der gottlichen gebot nicht dahin reichen
können, vielminder durch diese menschliche ord-
nung, so der vernunft unterworfen, wieviel minder
denn durch eigne ertichte werk, wider gottes wort
eingefurt. Aber diese ceremonien, wie obbemelt,
die an sich selber unstrafbar und ausserhalb dem-
selben falschen wahn des verdiensts, so darauf
gestelt, auch bequem und nützlich, sollen nicht
anders denn zur zier und zucht gehalten und ge-
deutet werden.
Wo auch zukünftig in den bemelten cere-
monien dieser unser ordnung begriffen, ichts in
misbrauch geraten mocht oder andere gnugsame
ursachen uns furkomen, oder aber durch ein
christlich frei concilium generale oder provinciale
oder sonst ein christliche gütliche unterred und
handlung, wie die gelegenheit sich zutragen wolt,
das an denselben ceremonien, so in dieser ordnung
begriffen ichts sol geandert, gebessert oder ferner
abgethan werden, solchs wollen wir uns mit rat
unserer bischofe, visitatorn und der gelerten
zu jeder zeit zu thun vorbehalten haben. Wir
wollen auch nicht, das jemands propria autoritate
ichts hierinnen zu verandern sich unterstehen
solle.
Und ob jemand alhie achten wolt, solchs
solle einem jeden pfarherrn freigelassen werden,
der wolle sich auch erinnern, was desfalls Sankt
Paulus sagt zun Corinthern, das wol alle ding
, zimlich und frei, aber nicht alles allweg zu thun
nutz und bequem, und in diesem fall, obwol (gott
hab lob) viel verstendiger leut verhanden, die sich
darinnen wol wusten zu halten, so würde doch in
dieser freiheit vielen unverstendigen, fürwitzigen,
und die nur zu unnötiger neuerung lust tragen,
raum gegeben, ires gefallens heute dis, morgen
ein anders vorzunemen, auch vielleicht etliche
abgethane misbreuch wieder aufzurichten, dadurch
das arme volk geergert, verirret und verwirret
werden mochte.
Derwegen, wo sich einiger feil oder mangel
zutregt, daran die pfarherrn oder leut gebrechen
hetten, dasselbig sollen sie an uns, unsere
bischofe und visitatorn gelangen, und was als-
denn durch gottlich gnad mit gutem rat ferner
verschafft, verfolgt werden; ist aber jemands des
eigensinnigen gemüts und, wie Paulus sagt, zenkisch,
der sich dieser unser christlichen ordnung zu ver-
gleichen nicht gedenkt, den wollen wir also hiemit
gnediglich erleubt haben, sich an die örter zu
begeben, da er seins gefallens gebaren möge, damit,
so er wider unser ordnung etwas ungebürlichs fur-
nemen würde, wir zu gebürlichen und ernstem ein-
sehen nicht verursacht, darnach sich ein jeder wisse
zu richten.
 
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