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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (3. Band): Die Mark Brandenburg, die Markgrafenthümer Ober-Lausitz und Nieder-Lausitz, Schlesien — Leipzig: O.R. Reisland, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.26784#0330
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310

Die Mark Brandenburg,

weigern würde, soll (er) bald durch des raths
diener, so die einnahmung thut, gepfändet werden.
Von den vicarien.
Die vicarien dieser drei pfarrkirchen, soviel
deren persönlich residiren und ihre vicareien
halten, sollen den pfarrern, jeder in der kirche,
da er vicarius ist, mit singen, sacramentreichung
und kirchendienst fleissig helfen. Weil denn die
privatmessen, darauf die vicarien instituirt ge-
wesen, des offnen erkannten missbrauchs halben
abgangen und dennoch den vicarien ihre ein-
kommen davon bleiben, sollen sie hinfort, jede
in ihren pfarrkirchen, täglich horas canonicas de
tempore singen und in die predigt mit fleiss gehen,
desgleichen auch die lectiones in theologia, die
der superintendent allhier thun wird, visitiren.
Dagegen sollen sie alle horas und memorien, die
sie zuvor gesungen und gehalten, gänzlich fallen
lassen. Und die solches also thun, sollen bei
ihren vicareien bleiben, auch die präsentz und
panes wie vorhin haben. Welche sich aber dess
weigern, sollen der vicareien, präsentz und brod
hinfort gänzlich mangeln und privirt werden.
Doch sollen die horas de tempore, davon obgesetzt,
allein in den beiden pfarrkirchen zu unser lieben
frauen und zu St. Jacob von den vicarien ge-
sungen werden. Aber die vicarii in St. Peters
pfarrkirche sollen, wenn in St. Peters pfarrkirche
an sonntagen oder andern feiertagen oder auch
die woche über an werktagen gepredigt oder
messe gesungen, in St. Peters kirchen bei der
predigt und messe sein, die helfen singen und
davon ihre vicareien, präsentz und brod haben
und behalten. Würden sich auch der vicarien
einer oder mehr von hinnen absentiren und sonder-
lich an orte, da in der religion hochgedacht unsers
gnädigsten herrn kirchenordnung nicht gemäs ge-
lehrt wird, begeben, die sollen ihrer vicareien
privirt werden. Auch sollen die pfarrer, capläne
und vicarien und alle geistlichen personen dieser
stadt keine unzüchtigen und verdächtigen weibs-
personen bei sich haben oder halten, wie ihnen
auch das geistliche recht verbeut, bei verlust
ihrer ämter und lehen, darauf der ehrbare rath
sonderlich soll acht haben und sehen lassen. Und
wo solche losen weibspersonen bei den geistlichen
dieser stadt, wer die auch wären, befunden oder
verdächtiger weise bei ihnen aus und eingingen
oder gemeinschaft hätten, soll der rath die weiber
lassen annehmen und der stadt verweisen, und
soll der superintendent sammt dem pfarrer, da
ein solcher geistlicher eine vicarei oder lehen
hätte, alsdann denselben priviren und, wenn er
vermeint unschuldig zu sein, ihm die purgation
aus redlichem verdacht auflegen; und wo er sich

daran nicht kehren noch bessern wollte, soll er
in des raths strafe genommen werden. Es gelangt
auch die visitatores an, dass sich etliche viel un-
züchtige weibspersonen allhier enthalten, die zuvor
einestheils bei den geistlichen gewesen und nun-
mals in das bürgerrecht haben begeben sollen,
dass auch etliche bürger nicht eheliche, sondern
verdächtige weiber bei sich hielten. Weil denn
solches wider gottes gebot, auch in beschriebenen
rechten hochsträflich und sonst an den orten, da
gottes. wort recht gepredigt wird, fast ärgerlich,
soll der rath darauf mit fleiss lassen sehen und
denen, so solche weiber in ihren häusern hielten,
gebieten, die von sich zu thun. Wo auch die-
selben oder andere dergleichen weiber ihres un-
züchtigen wandels nicht ablassen wollten, sollen
dieselben der stadt verwiesen werden. Daneben
soll auch der rath den ehebruch insonderheit ver-
möge der rechte strafen.
Von den organisten und küstern.
Die organisten und küster in jeder pfarr-
kirche sollen ferner bei ihrem einkommen, davon
sie bisher unterhalten, bleiben. Ob was davon
gefallen oder fallen würde, mag ihnen dagegen
vom vorrath des gemeinen kastens, davon hernach
gesatzt, ein anderes durch die vorsteher des
kastens geordnet werden.
Von der schule.
Nachdem die schule in dieser stadt auch fast
gefallen und doch das nöthigste, dass die erhalten
und darin die jugend, so hernach zu pfarrern,
predigern und in weltlichen regimenten zu ge-
brauchen, wol instituirt werde, sehen die visita-
tores vor hoch nützlich an, dass hinfort nach ge-
legenheit dieser zeit allhier zu Stendal zwei
schulen anzurichten. Nämlich eine knabenschule,
die sollte noch zur zeit, weil kein sonderlich
bequemes schulhaus vorhanden, im grauen kloster
gehalten werden, und eine jungfrauenschule, die
sollte jetziger zeit in dem jungfrauenkloster St.
Annä sein. Und sollen zu der knabenschule an-
genommen werden vier gelahrte präceptores,
nämlich ein superintendent oder obrister, der
sollte magister artium und seine besoldung jähr-
lich 100 fl. sein, hernach ein andrer nach ihm,
der sollte jedes jahr 70 fl. haben, der dritte 50 fl.
und ein cantor, des jährliche besoldung sollte
40 fl. sein.
Aber in der jungfrauenschule sollte gehalten
werden ein weib oder der klosterjungfrauen zu
S. Annen eine oder mehr, die sollen die jungen
mägdlein lernen lesen und schreiben und sollen
sich die eltern, deren töchter in diese schule
 
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