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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (3. Band): Die Mark Brandenburg, die Markgrafenthümer Ober-Lausitz und Nieder-Lausitz, Schlesien — Leipzig: O.R. Reisland, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.26784#0435
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Bettlerordnung für die Stadt Breslau von 1591.

415

und darauf die gebühr verordnen, jedoch wo was
schweres vorfällt, zurückziehen und einem ehrbaren
rath vortragen und nach gehabtem rath die notdurft
verordnen.
Es wird aber des sonnabends hernach an ge-
meldtem ort, so viel einem jeden zu geben ver-
ordnet ausgetheilet, solche ausspendung verrichtet
einer unter den vorstehern aus der bürgerschaft
und zechen, umgewechselter weise in gegenwart des
buchhalters und der dreien bettelvögte.
Von hospitalien.
In dieser stadt sind neun hospitalia und zwei
darunter ausser der stadt, darnach ein lazareth,
darüber und auf jedes besonders ein vornehmer
bürger über etliche zechleuten zu vorsteher und
aufseher geordnet sind, und sobald einer abstirbt,
wird ein anderer an die stelle gesetzt, diese aber
allzumal müssen in vorfallenden wichtigen sachen
eines respect auf eines ehrbaren rath haben und
sich allda raths erholen. Es haben aber ob-
bemeldete personen des raths, bürgerschaft und
zechen, als vorsteher und verwalter des gemeinen
almosen und hospitalien gar keine besoldung,
sondern thun es aus christlicher liebe.
In diesen neuen hospitalien sind jezziger zeit
376 personen, so ohne allen entgelt unterhalten
werden.
Unter denen sind 2 kinderhospitale. Darin
werden genommen verweisete kinder, mädchen
und knaben, denen ihre eltern abgegangen und nichts
verlassen, und die findlinge.
Und wird in jedem hospital gehalten ein
schaffer, schafferin, samt den siechknechten und
mägde, so die kranken nach gelegenheit einer
jeden person und krankheit speisen und warten,
so wohl auch personen, die täglich der sammlung
vorlesen und zum gebet vermahnen, und diese
haben über den unterhalt ungleiche, doch geringe
besoldung und sind jezziger zeit in allen hospi-
talen siche und verlebte personen bei 487 , ohne
die, welchen, wie obbemeldt, hin und wieder bei
dem almosen und in häusern handreichung ge-
schieht.
Und sonderlich in den zwei kinderhospitals
werden eigne zwei praeceptores gehalten, welche die
kinder in und aus der schule und kirche beleiten, sie
auch ausser der schule unterweisen und zum gebet
halten, denen man aber den unterhalt gleichfalls
geringe besoldung giebt, dann sie beineben auch
ihre studia fortstellen könn-en, und wann diese
kinder erwachsen, giebt man sie zu dienst oder
auf handwerke, oder man lässt sie, so sie geschickt
dazu sind, ferner studiren.
In das hospital omnium sanctorum nimt man |
ein das gesinde, so in der ganzen stadt von
unserm herr gott bei der bürgerschaft, zech und

handwerksleuten heimgesucht und krank worden,
i so wol auch tagelöhner und sonst hausarme leute
in der stadt, ihre weiber und kinder, wenn sich
dieselben bei dem bettelvogt im hospital wohn-
haft ansagen, werden nach vorgehender besichti-
gung in das hospital eingenommen, durch den
arzt so viel möglich curirt, mit essen und trinken
von dem almosen versehen, bis sie zu ihrer ge-
sundheit kommen, da sie dann dem spitalmeister
gebührlich abdanken und wieder heraus gehen,
ohne alles entgeldniss ein jeder zu seinem beruf.
Das lazareth ist neben dem obbemeldten
hospital omnium sanctorum auf den nothfall
solches zu klein, zur zeit der infection für die
stadt verordnet.
In das hospital St. Hiob nimmt man ein
solche personen, so mit morbo gallico behaft, gegen
einer geringen erlegung zu 4, 6 thaler mehr oder
weniger nach gelegenheit der personen, krankheit
und vermögen.
Folget von wannen dieser unterhalt der
haus- und anderer armen kranken leut, so in
der stadt und hospitalien sind, genommen wird.
Von begabung gutherziger leut, durch testa-
ment oder sonst gaben, welches alles ordentlich
und zu rechter zeit eingebracht, gehalten und zur
notdurft ausgespendet wird.
So sind in gemeiner stadtkirchen gotteskasten
aufgericht, darein gutherzige leut täglich ihr
almosen einlegen, darzu dann die praedicanten
ihre zuhörer allezeit nach der predigt treulich
ermahnen, dass sie des armuths und einlegens in
gemeiner kasten nicht vergessen.
So wird auch in stetem brauch gehalten,
wenn zusammenkünfte sind, zu begräbnissen, zu
hochzeiten und andern conuentibus in der kirchen,
dass männiglich, so diesen actibus beiwohnet, ein
jeder nach seinem stande und vermögen, was in
gotteskasten zu erhaltung dieses christlichen werks
einleget.
Und wird aus den gemeinenkasten alle
14 tage einmal das geld, so von treuherzigen mit-
leidenden herzen dem armut eingelegt worden,
ausgenommen, und dieses verrichten 4 personen
aus den vorstehern, in beisein des herrn praedi-
canten zu St. Elisabeth und der bettelvögte,
welches geld bald denselben tag, in beisein ob-
bemeldter personen gezählet und von dem buch-
halter in sein rechnung eingebracht wird, und
über dis alles wird ein ehrbarer rath nach aus-
gang des jahres des empfangs und ausgaben
richtige rechnung gethan.
Dem stadtarzt oder barbier wird vor jeder
person, so durch gottes segen und des arztes
hülfe curiret, gegeben in gemeine 64 kreuzer,
 
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