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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0039
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Dorpat.

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Auf die Dauer konnte man sich mit dieser Verfassung nicht begnügen; die Einheitlich-
keit der Ceremonien, auf die man ja so viel Gewicht legte, liess sich ohne einheitliche Leitung
nicht gut durchführen, und so liess denn am 11. Oktober 1554 der Rath den Geistlichen er-
klären, dass er zwar zunächst gedacht habe, ohne obersten Pastor auszukommen, dass aber je
länger, desto mehr Rotten einrissen, in Ceremonien, Kirchen und Schulen allerlei Unschicklich-
keiten entständen, dass er zwar erwartet habe, die Geistlichen würden sich unter einander über
eine gute Ordnung vergleichen, dass er aber jetzt doch einsehe, dass es ohne obersten Pastor
nicht hergehen könne. Es sollte daher jeder Geistliche in seinem Gebet den heiligen Geist für
eine gute Wahl anflehen und auch das Volk zu solchem Gebete ermahnen (Prot. Bl. 468 a, 468 b).
Die Geistlichen erklären sich damit einverstanden.
Unter dem 17. Oktober 1554 bittet der Rath „die Oldersleute mit ihren beisitzern und
weisesten aus beiden Gilden“ um einen „guden Vorschlag“, wie man die Sache fortstellen
könne. Diese schlagen einfach den Kirchendiener Albanus vor. Der Rath war über diesen
Vorschlag offenbar sehr überrascht, denn wenn er bisher den von den Gilden vorgeschlagenen
Kirchendienern seine Bestätigung ertheilt oder versagt hatte, so wollte er hier bei der Wahl
des obersten Pastors die Auswahl selbst treffen. Er antwortet, dass er zunächst noch etwas
mit dem allgemeinen Gebete fortstellen lassen, inzwischen aber die Ansicht der Kirchendiener
hören wolle; er sehe es nicht für gut an, dass die Gilden allein das „Eligiren“ in die Hand
nehmen sollten; im Gegentheil, er hoffe, dass die Gilden ihm die Vollmacht allein übertragen
würden. Die Gilden antworten aber ablehnend; sie könnten dem Rathe darin nicht willfahren,
da man sie bisher zugezogen habe; die „Privatelektion“ würde Unlust bei der Gemeinde erregen.
Der Rath erwiderte, dass es nicht seine Absicht sei, bei Bestätigung und Annehmung solcher
Pastoren wie der anderen Kirchendiener die Gilden auszuschliessen , dass es aber besser sei,
in diesem Falle die Sache nicht vor den grossen Haufen zu bringen. Die Vertreter der beiden
Gilden erklärten trotzdem, dass sie erst mit ihren Gilden sich befragen wollten, und brachten
am 24. Oktober 1554 als Antwort, dass die Gilden zusammen mit dem Rathe kiesen sollten.
Der Rath machte den Gegenvorschlag, dass aus jeder Gilde vier Bevollmächtigte dazu deputirt
werden sollten. Das lehnten die Alterleute der Gilden ab, sie wollten vielmehr zusammen bleiben.
Der Rath verabschiedete sie mit der Erklärung, da sie sich nicht dazu sondern wollten, sollten sie
unter sich einen wählen, der Rath werde auch einen wählen. Der Rath wollte eben die Entscheidung
über die Person in der Hand behalten; er hätte ja auch bei Annahme seines Gegenvorschlages
seitens der Gilden die Majorität besessen. Der Rath liess zunächst die Geistlichen abstimmen.
Am 25. Oktober 1554 haben die Geistlichen, jeder für sich, vor versammeltem Rathe
unter Zusicherung strengsten Amtsgeheimnisses ihre Stimme abgegeben. Die Stimme des kranken
Albanus wurde von einer Rathsdeputation erholt. Hiernach fielen auf Wettermann vier, auf
Albanus eine, auf Crispinus drei Stimmen. Am 1. November 1554 wurde im Rathe abgestimmt,
es fielen auf Crispinus neun, auf Wettermann acht Stimmen.
Am 2. November 1554 berichtete der Raths-Ausschuss über seine Verhandlungen mit
den Verwesern des gemeinen Kastens in Betreff der Gehaltsaufbesserungen der Geistlichen .
Die Vertreter des Kastens hätten sich zunächst mit dessen Unvermögen entschuldigt, schliesslich
aber sich dazu bereit erklärt und als Ausweg vorgeschlagen, dass immer einer der ältesten
Vorsteher aus seinem Privatvermögen die fehlenden Summen vorschiessen und sich bei seinem Aus-
scheiden von dem nächsten aufrückenden wieder ersetzen lassen solle; sie hätten deshalb einige
Punkte in eine „Notel“ zusammengestellt, welche nach ihrer Meinung den sämtlichen Geist-
lichen vorgelesen werden solle, bevor die Elektion des Pastors vollzogen würde. Der Rath
stimmte zu und liess nunmehr die Vertreter der beiden Gilden kommen; er schilderte ihnen
den Stand der Wahl-Angelegenheit, er habe die Geistlichen einvernommen und sich selbst auf
eine Person geeinigt, deren Namen er den Gilden mittheilen wolle, in der Erwartung, dass
 
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