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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0136
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Wolfenbüttel

natürliche, angeborne art, geschicklicheit, krefte
und vermögen finde, belangend die geistliche,
götliche sachen.

Und hierauf gibt auß der schrift die confession
und apologia im 1. artickel 25 klare, richtige,
gegründte antwort, nemlich 26 das die schrift
zeuge, das in und zu solchen geistlichen sachen
der natürliche mensch durch den fall ganz und
gar verloren habe alle tugliche geschicklicheit,
kraft und vermögen, auch etwas guts zu ge-
denken als von ihm selbs, 2. Corinth. 3 [1].
Ja, wenn gleich das wort geprediget wird, so
kan es der natürliche mensch durch seine eigne
geschicklicheit und krefte nicht vernemen, fas-
sen noch annehmen, sondern ist ihm ein torheit,
1. Corint. 1 [18] und 2 [8], da ist von natur kein
verlangen, begern, wöllen, fürnehmen noch auß-
richten, was Gott gefellig möchte sein, wo nicht
der heilige Geist beydes gebe, das wöllen und
volnbringen, Philip. 2 [13]; denn das fleisch ist
dem gesetze Gottes nichts underthon und ver-
mag es auch nicht, Roman. 8 [7]. Daher die
schrift den natürlichen menschen nennet fin-
sternuß, Ephes. 5 [8]; Johan. 1 [5]; Actor. 26 [18],
und das er in sünden zum guten todt und er-
storben sey, Ephe. 2 [1]; Gol. 2 [13]. Augustinus 27
fasset diß fein kurz, das die schrift den natür-
lichen freyen willen in geistlichen sachen ab-
schneide, cogitare, velle, posse et facere, das
gedenken, wöllen, vermügen und thun, was
rechtschaffen und gutt ist.

Zum andern nimpt die schrift dem natürlichen
menschen in geistlichen sachen nicht allein alle
geschicklicheit und krefte, sondern schreibet
ihm dagegen zu ganz und gar ein wiederwertige
unart, die Gott stracks wie eine feindschaft zu-
wider sey, Ro. 8 [7], do alles dichten und
trachten nur böse sey, Gen. 6 [5] und 8 [21], do
das böse anhenge und wieder Gottes gesetz

25 Art. II. Bek. Schr. S. 52 f. u. S. 145 — 157.

26 Vgl. zu der folgenden Erörterung die sehr
viel ausführlichere, aber in denselben Bahnen
sich bewegende der FC, SD II,7 ff. Bek. Schr.
S. 873 ff., vgl. dazu Hachfeld, a. a. O. S. 61.

streite, Rom. 7 [21 — 23], daher es genennet wird
ein hartes, steinern, verstocktes herz, Rom. 2
[5]; Ezech. 36 [26]; Jerem. 17 [9], ja, auch in
renatis streitet das fleisch wieder den Geist,
Rom. 7 [23]; Gal. 5 [17].

Zum dritten gibt die schrift die bekerung
mit alle dem, das darzu gehöret, alleine dem
heiligen Geist, das derselbige das harte, steinern
herz beschneide und hinwegnehme und ein zar-
tes, fleischern herz gebe, das Gott fürchte,
Deuteronom. 20 [Dt 30,6]; Ezechiel. 36 [26], gebe
erleuchte augen und verstand, Ephes. 1 [17 f.];
Deuteronom. 29 [3], geneigten willen, geschick-
licheit, krefte und vermögen, zu thun, was
Gott gefellt, 2. Corinth. 3 [6]; Philipp. 2 [13],
rechte busse, Actorum 5 [31]; 11 [18]; 2. Timoth.
2 [25], wahren glauben, Ephe. 1 [13] und 2 [8],
wahre liebe Gottes und des nechsten, Ephes. 5
[2], und summa, das niemand könne den Sohn
kennen und zu demselbigen kommen, es er-
leuchte und ziehe ihn denn der Vatter, Matth.
11 [27]; Johann. 6 [44], das wir also in der
bekerung nichts haben, das wir nicht von ihm
in der wiedergeburt und verneuerung entfangen
hetten, 1. Corinth. 4 [7]; Jacobi 1 [17], Und bleibet
doch gleichwoll auch in den heiligen in diesem
leben noch das fleisch, wiewoll gekreuziget, das
noch immerdar wieder den Geist streitet, dar-
wieder der Geist immer kempfen muß, Galat.
5 [17]. Wenn aber der heilig Geist seine wirkung
bey uns anhebet, so entfangen wir dardurch
und haben, wiewoll in grosser schwacheit, tug-
ligkeit, guten willen, vorsatz, fleiß, kreft und
vermögen zum guten, aber dasselbige nicht von
uns selbs, sondern ist ein gabe Gottes des
heiligen Geistes, wie Augustini spruch fein sa-
get: Nos ergo volumus et operamur, sed Deus
in nobis operatur et velle et facere. Hoc expedit
nobis et credere et dicere, ut sit humilis et

27 Vgl. z. B. De nat. et grat. cap. XL,47; MSL
44,270. CSEL 60,268; ibid. cap. LXVII,81; MSL
44,287. CSEL 60,295. — De dono pers. cap.
XIII,33; MSL 45,1012 f. — Sermo XXX, cap.
II,3; MSL 38,188. — Epist. CCXVII, cap. IV,12;
MSL 33,983. CSEL 57,412.

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