Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0322
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Wolfenbüttel

beides, das weltliche regiment und die kirchen
Gottes, nachdem ein jeder von Gott begabet und
beruffen, bestelt und besetzt worden sind.

Wie tdenn von den kirchendienern offenbar, das
aus den klöstern S8 etliche nicht allein zu den
schlechten pfarren und kaplaneien, sondern
auch zu den bisthumben beruffen worden, weil,
besonders in teutschen landen, vor wenig hun-
dert jaren nicht, wie dieser zeit, hohe schulen
gewesen und demnach gelerte leut mehrertheils
anderstwo nicht, denn fürnemlich in den
klöstern, erzogen worden.

Also sind auch die jungfrauenklöster 89 anders
nichts, denn zuchtheuser gewesen, darinnen die
jungfrauen unter der lere und zucht einer gotts-
fürchtigen und in Gottes wort, auch der haus-
haltrmg erfarnen domina, abtissin, priorin (oder
wie man sie sonst mehr genennet) gehalten,
und da sie in der rechten erkentnis und forcht
Gottes gnugsam unterwiesen, desgleichen auch
zur haushaltung abgerichtet, das sie auch selbst
eme eigene haushaltunge versehen, und da sie
mit kindern von Gott gesegnet, dieselbige auch
zur rechten erkendnis und forcht Gottes wüsste
aufzuziehen, sind sie durch ihre eltern oder
verwandten widerumb aus dem kloster genomen
und derselben gelegenheit nach gefreyet oder
sonst christlich versorget worden.

ßo lang sie aber im kloster gewesen, haben
sie fürnemlich drey artickel der domina, abtissin,
priorin, mutter (oder wie anderst die oberste
zuchtmeisterin genennet wird) versprechen 90
und mit allem ernst und vleis halten müssen.

Der erst ist der gehorsam 91, das sie der ab-
tissin, domina oder mutter des klosters in allen
gebürlichen dingen gehorsam leisten und sich
derselben nicht widersetzen, sondern was sie
jederzeit zu thun geheissen wird, demselben mit
allem vleis wölle nachkomen.

88 a. R.: Aus den mansklöstem die kirchen be-
setzt worden.

89 a. R.: Was die jungfrauenklöster anfangs ge-
wesen.

90 a. R.: Was anfangs die klostergelübde ge-
wesen.

Der ander, das sie ihr jungfreuliche ehr mit
gottseliger keuscheit 92 rein und unbeflecket be-
waren und sich in unzucht nicht begeben, son-
dern dieselbigen fliehen und meiden und mit
allen ihren geberden, worten und werken als
eine reine, züchtige jungfrau gegen meniglich
sich erweisen und halten wölle.

Der dritte ist (welcher nachmals die willige
armut 93 genennet worden), das eine jungfrau,
wes standes und herkomens sie gewesen, fürstin,
greffin, edel oder unedel, versprechen hat müs-
sen, das sie mit des klosters kost und kleidung
vorlieb und gut nemen und nicht murren, zanken
oder hadern wollen, wenn sie nicht so herrlich
gespeiset, gekleidet und in allweg gehalten wer-
den, wie sie in ihrer eltern oder gefreundten
heusern gehalten worden.

Welchs drey notwendige artickel 94 gewesen,
deren man nicht geraten kan, da der gestalt
junge töchterlin und jungfreulin beyeinander
erzogen werden sollen.

Denn wo kein gehorsam ist, da kan weder
gottesforcht noch christliche zucht stathaben,
auch die haushaltung in die lenge nicht be-
stehen. Desgleichen, da den jungfreulin ihr
freier wille gestatet, das sie sich mit unzucht
beflecken, weren sie wol daheim bey ihren
eltern oder freunden geblieben, denn in ein solch
zuchthaus gegeben, darin sie unzucht lernen
solten. Da man sich auch nicht an der haus-
ordnung und notturftiger underhaltung genügen
lesset, da ist ein teglich kifen, zanken, hadern,
uneinigkeit, neid und hass, welches auch nicht
in ein zuchthaus gehöret, sondern messigkeit,
gedult, sanftmut, frieden, einigkeit, die sie in
den klöstern lernen und nachmals im ehestand
sich derselben wissen zu verhalten.

Dieser ursach halben ist auch in einem jeden
kloster eine besondere ordnung mit der speise 95

91 a. R.: 1. Gelübde des gehorsams.

92 a. R.: 2. Gelübde der keuscheit.

93 a. R.: 3. Geltibde der willigen armut.

94 a. R.: Christliche klostergelübde notwendig.

95 a. R.: Gewisse ordnung der speise in den
klöstern.

302
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften