Wolfenbüttel
man die hoffnung der seligkeit 46 in solch
klosterleben gesetzt hat 47. Daher es auch ist
komen, das je ein orden hat besser wollen sein
weder der ander, und je strenger der orden ge-
wesen, je mehr haben sich die leut darauf ver-
lassen und verhoffet, so viel desto seliger zu
werden, wie solches offenbar und gewislich kein
rechtverstendiger leugnen wird.
Derhalben alle jungfrauen in den klöstern
wissen sollen, wenn sie reden aus herzengrund,
das sie ihre seligkeit nicht auf die kappen und
klosterleben setzen, das sie hiemit die gebet
verdamnen, damit ihre kappen sind geweihet,
und also mit dieser ihrer eignen bekentnis 48
den orden hinlegen, als der ihrer bekentnis und
glauben zuwider ist, und demnach durch Gottes
gnade in den andern artickeln sich leichtlich
w Terden aus Gottes wort berichten lassen.
Was denn belanget den gottesdienst 49, den
die klosterjungfrauen in der kirchen auf ihrem
chor teglich vollnbringen und verrichten sollen,
da findet sich erst leider die grösseste sünde,
damit Gott der Herr zum höchsten ist erzürnet,
und der gottesdienst viel anderst gedeutet und
angestelt worden, denn wie denselben ernst-
lich nach anleitunge heiliger göttlicher schrift
und unsers christlichen glaubens die anfenger
des klosterlebens mit den jungfrauen gehalten
haben, inmassen droben ist vermeldet worden.
Denn do gleich in den klöstern bis daher nichts
unrechts oder wider Gottes wort gesungen noch
gelesen worden were, so ist offenbar, das man
auch, was an ihm selbst recht, christlich und
heilig, verkeret und in einen andern brauch ver-
wendet hat, denn es von Gott ist verordnet.
Also ist aus dem psalter, welches ein ausserwelt,
besonders nützlich buch der heiligen schrift, ein
abgott gemacht und mit dem misbrauch des-
46 a. R.: Auf die kappen ist die hoffnung der
seligkeit gesetzt worden.
47 Vgl. S. 307, Anm. 23, ferner Conf. Aug. XXVII,
16. Bek. Schr. S. 112 f.
48 a. R.: Bekentnis und werke etlicher kloster-
jungfrauen wider einander.
49 a. R.: Vom gottesdienst der klosterjungfrauen
auf dem chor.
selben Gott zum höchsten erzürnet worden,
welches man also verstehen sol:
Der psalter 50 ist ein buch der heiligen schrift,
darin viel und mancherley verfasset, als nem-
lich: trostpsalmen, lehrpsalmen, vermanungen,
danksagung, weissagung von Christo und seinem
reich, betpsalmen, klagpsalmen und dergleichen,
welche darumb also zusamengeschrieben sind,
das ein christenmensch, nachdem er ein anligen
hat, wisse seinen trost, lehr und unterweisung
darinnen zu finden und sich daraus zu trösten
oder zu unterweisen, wie er sich mit anruffung,
danksagung und in ander wege verhalten sol.
Dis ist der rechte gebrauch des psalters. Wer
nun also mit dem psalter umbgehet, der hat
auf einmal mit einem psalmen genug zu schaf-
fen, das er ihn mit vleis lese und nachdenke,
was desselben rechter verstand sey und was
er nützliches daraus habe zu leren und zu seiner
besserung zu halten.
Was ist aber in den klöstern geschehen?
Diesen rechten brauch 51 hat man leider fallen
lassen und den klosterjungfrauen auferlegt, das
sie den psalter haben müssen beten, darzu in
lateinischer und ihnen unbekanter sprach (denn
hat eine die lateinische sprach ein wenig ver-
standen, so haben sie zehen oder zwanzig andere
jungfrauen nicht verstanden), haben also den
psalter eilend hin in unbekanter sprach und
ohn verstand (wohin ein jeder psalm gelange)
singen oder beten miissen. Und das ist so ge-
mein und meniglich offenbar, das es auch zu
einem gemeinen sprichwort 52 geraten ist. Wenn
einer etwas gelesen, das er nicht verstanden, hat
man gepflegt zu sagen: Du liesest eben wie eine
nun 53 den psalter, das ist, du liesest und ver-
stehest nicht, was du liesest.
Was saget aber Gott von diesem gottesdienst?
50 a. R.: Rechter brauch des psalters und warumb
er zusamengetragen.
51 a. R.: Misbrauch des psalters in den klöstern.
52 a. R.: Sprichwort von der klosterjungfrauen
psalterbeten.
53 Nonne.
310
man die hoffnung der seligkeit 46 in solch
klosterleben gesetzt hat 47. Daher es auch ist
komen, das je ein orden hat besser wollen sein
weder der ander, und je strenger der orden ge-
wesen, je mehr haben sich die leut darauf ver-
lassen und verhoffet, so viel desto seliger zu
werden, wie solches offenbar und gewislich kein
rechtverstendiger leugnen wird.
Derhalben alle jungfrauen in den klöstern
wissen sollen, wenn sie reden aus herzengrund,
das sie ihre seligkeit nicht auf die kappen und
klosterleben setzen, das sie hiemit die gebet
verdamnen, damit ihre kappen sind geweihet,
und also mit dieser ihrer eignen bekentnis 48
den orden hinlegen, als der ihrer bekentnis und
glauben zuwider ist, und demnach durch Gottes
gnade in den andern artickeln sich leichtlich
w Terden aus Gottes wort berichten lassen.
Was denn belanget den gottesdienst 49, den
die klosterjungfrauen in der kirchen auf ihrem
chor teglich vollnbringen und verrichten sollen,
da findet sich erst leider die grösseste sünde,
damit Gott der Herr zum höchsten ist erzürnet,
und der gottesdienst viel anderst gedeutet und
angestelt worden, denn wie denselben ernst-
lich nach anleitunge heiliger göttlicher schrift
und unsers christlichen glaubens die anfenger
des klosterlebens mit den jungfrauen gehalten
haben, inmassen droben ist vermeldet worden.
Denn do gleich in den klöstern bis daher nichts
unrechts oder wider Gottes wort gesungen noch
gelesen worden were, so ist offenbar, das man
auch, was an ihm selbst recht, christlich und
heilig, verkeret und in einen andern brauch ver-
wendet hat, denn es von Gott ist verordnet.
Also ist aus dem psalter, welches ein ausserwelt,
besonders nützlich buch der heiligen schrift, ein
abgott gemacht und mit dem misbrauch des-
46 a. R.: Auf die kappen ist die hoffnung der
seligkeit gesetzt worden.
47 Vgl. S. 307, Anm. 23, ferner Conf. Aug. XXVII,
16. Bek. Schr. S. 112 f.
48 a. R.: Bekentnis und werke etlicher kloster-
jungfrauen wider einander.
49 a. R.: Vom gottesdienst der klosterjungfrauen
auf dem chor.
selben Gott zum höchsten erzürnet worden,
welches man also verstehen sol:
Der psalter 50 ist ein buch der heiligen schrift,
darin viel und mancherley verfasset, als nem-
lich: trostpsalmen, lehrpsalmen, vermanungen,
danksagung, weissagung von Christo und seinem
reich, betpsalmen, klagpsalmen und dergleichen,
welche darumb also zusamengeschrieben sind,
das ein christenmensch, nachdem er ein anligen
hat, wisse seinen trost, lehr und unterweisung
darinnen zu finden und sich daraus zu trösten
oder zu unterweisen, wie er sich mit anruffung,
danksagung und in ander wege verhalten sol.
Dis ist der rechte gebrauch des psalters. Wer
nun also mit dem psalter umbgehet, der hat
auf einmal mit einem psalmen genug zu schaf-
fen, das er ihn mit vleis lese und nachdenke,
was desselben rechter verstand sey und was
er nützliches daraus habe zu leren und zu seiner
besserung zu halten.
Was ist aber in den klöstern geschehen?
Diesen rechten brauch 51 hat man leider fallen
lassen und den klosterjungfrauen auferlegt, das
sie den psalter haben müssen beten, darzu in
lateinischer und ihnen unbekanter sprach (denn
hat eine die lateinische sprach ein wenig ver-
standen, so haben sie zehen oder zwanzig andere
jungfrauen nicht verstanden), haben also den
psalter eilend hin in unbekanter sprach und
ohn verstand (wohin ein jeder psalm gelange)
singen oder beten miissen. Und das ist so ge-
mein und meniglich offenbar, das es auch zu
einem gemeinen sprichwort 52 geraten ist. Wenn
einer etwas gelesen, das er nicht verstanden, hat
man gepflegt zu sagen: Du liesest eben wie eine
nun 53 den psalter, das ist, du liesest und ver-
stehest nicht, was du liesest.
Was saget aber Gott von diesem gottesdienst?
50 a. R.: Rechter brauch des psalters und warumb
er zusamengetragen.
51 a. R.: Misbrauch des psalters in den klöstern.
52 a. R.: Sprichwort von der klosterjungfrauen
psalterbeten.
53 Nonne.
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