Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0335
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Klosterordnung 1569

beider gestalt, derwegen nicht nötig, das sie
aus dem kelch das blut Christi trinken, welches
aber nicht ist.

Denn was im heiligen sacrament des leibes
und blutes Christi weiters denn brot und wein
gegenwertig ausgeteilet wird, das geschihet allein
umb des worts Christi 82 willen, damit der
Herr dieses sacrament gestiftet und eingesetzet
hat. Derhalben weil Christus nicht gesaget hat:
Nemet und esset mein biut, so kan auch ein
Christ nicht gleuben, das er unter einer gestalt
so viel empfahe, als wenn er aus dem kelch
nach dem bevehl Christi hette getrunken.

Und gehöret hieher gar nichts, das man
saget 83, es sey kein leib ohn blut, derhalben
Christus unter jeder gestalt ganz und unter einer
gestalt so viel sey als unter beiden gestalten.
Denn dis geheimnis gehet nicht zu auf eine
natürliche, sondern geistliche und himlische
weise; darumb lesset es sich nicht also aus art
und eigenschaften der natürlichen dingen wider
den ausgedruckten bevehl Christi schliessen, der
solches auch wol gewust, aber sein blut zu trin-
ken aus dem kelch unterschiedlich befohlen hat.

Das aber weiter gesaget wird, die heilige
christliche und catholische kirche 84 habe die
stiftung unsers Herrn Chrisfci aus allerhand be-
wegenden ursachen geendert, das kan auch mit
der warheit nicht dargethan werden.

Denn weil Christus mit so grossem ernst seinen
jüngem einbindet [Matth. 28, 19 1], seine kirche
zu leren, das sie alles halten sollen, was Chri-
stus den aposteln befohlen 85, zeuget S. Paulus,
das die kirche Christi solchem bevehl treulich
nachkomen und sich in alleweg gehorsam ver-
halten habe, inmassen denn besonder bey die-
sem sacrament geschehen, welches zu endern

82 a. R.: In den h. sacramenten auf das wort
und bevehl Christi zu sehen.

83 a. R.: Widerlegung des vermeinten grunds von
gebrauch einer gestalt des sacraments.

84 a. R.: Die christliche kirche hat den brauch
des h. sacraments unter beider gestalt nicht
geendert.

85 a. R.: Christi ordnung darf die christliche
kirche nicht endern.

in keines menschen noch engels gewalt stehet.
Und da ein engel vom himel oder ein apostel
selbst keme und wolte es anderst machen, denn
es Christus geordnet hat, der sol nach der lere
S. Pauli verflucht sein [Gal. 1, 8].

Derhalben obwol Christus befohlen hat, seine
kirche 86 zu hören und derselben zu gehorsamen,
und wer ihr nicht gehorsam ist, der sol wie
ein zölner und ein heide gehalten werden
[Matth. 18, 17], jedoeh hat er seiner kirchen
keinen vollmechtigen, sondern einen gewissen be-
vehlich gegeben, die sich nach dem ausgedrück-
ten wort Christi als eine gehorsame braut ver-
halten und nichts darwider handlen sol. Wie
denn der apostel die kirche allen weibern als
ein exempel des gehorsams in allen dingen
fürstellet [Eph. 5, 24], das sie für augen haben
und demselben im gehorsam gegen ihren
mennern nachvolgen sollen, welches sich ubel
schicken und einen schlechten gehorsam bey den
weibern gegen ihren mennern bringen würde,
wenn die kirche macht und gewalt hette, ihrem
Herrn Christo sein testament und letzten willen
zu brechen.

Darumb ist es keinesweges also, das man sagen
wolte, die ganze catholische christliche kirche
hette verordnet, das die leyen nur unter einer
gestalt das sacrament gebrauchen sollen 87, weil
allermenniglich wissend und offenbar, das die
griechische kirchen bis auf den heutigen tag den
brauch beider gestalt des sacraments gebraucht
und in die verenderung des testaments und letz-
ten willens Christi niemals gewilliget, sondern
bey der ordnung Christi standhaft und bestendig
geblieben sind.

So hat auch der heilige apostel Paulus 88 die
wort Christi vom brauch beider gestalt des

86 a. R.: Wie weit sich der gehorsam der christ-
lichen kirchen und derselben gebot und ord-
nung erstrecken.

87 a. R.: Der brauch einer gestalt des sacra-
ments ist nicht catholisch.

88 a. R.: Zeugnis S. Pauli vom brauch beider ge-
stalt des sacraments vor die leyen.

39’

315
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften